Zellbiologie:Nano-Sauger

Mit der wahrscheinlich feinsten Spritze der Welt können Forscher Flüssigkeit aus Zellen saugen, ohne diese zu zerstören. Zellhandwerker haben es sogar geschafft, Proben aus dem Kern zu entnehmen.

Von Hanno Charisius

Mit der bislang kleinsten Spritze der Welt können Biologen Flüssigkeit aus einzelnen Zellen saugen, ohne diese dabei zu zerstören. Ein Forscherteam um Julia Vorholt von der ETH in Zürich entwickelte das Winzwerkzeug, mit dem man zum Beispiel untersuchen kann, wie zwei Zellen untereinander Informationen austauschen oder aufeinander reagieren. Die Spritze funktioniert ähnlich wie ein Rasterkraftmikroskop, bei dem eine nanometerfeine Nadel eine Oberfläche scannt. Seit einigen Jahren ist es möglich, auch hohle Abtastnadeln herzustellen, die Flüssigkeiten bis auf wenige Nanometer genau abgeben oder Flüssigkeitsmengen von weniger als einem Pikoliter aufnehmen können, das ist der millionste Teil eines Mikroliters. Die Öffnung an der Spitze ist etwa 500-mal kleiner als der Durchmesser eines Haares.

Die neue Methode habe mehrere Vorteile, berichten die Forscher im Fachjournal Cell. Bisher mussten Biologen Zellen zerstören, deren Inhalt sie untersuchen wollten. Dagegen überlebten es 82 Prozent der untersuchten Zellen, wenn ihnen Vorholt bis zu vier Pikoliter mit dem modifizierten Rasterkraftmikroskop entnahm. Diese Menge ist mit dem bloßen Auge kaum sichtbar, genügt aber modernen Analysegeräten, um die Inhaltsstoffe aufzuschlüsseln. Die Wissenschaftler konnten lösliche chemische Verbindungen aufspüren und sogar bestimmen, ob ein ausgewähltes Gen gerade aktiv war in der untersuchten Zelle. Sie schafften es sogar, mit der Spitze gezielt in den Kern der Zelle vorzudringen, wo das Erbmaterial lagert, und dort Proben zu entnehmen.

In die hohlen Tastspitzen, für die es spezialisierte Anbieter gibt, musste Vorholts Team noch mit einem Ionenstrahl eine Öffnung bohren, die so fein ist, dass die Organellen der Zellen und sogar Chromosomen nicht hindurchpassen. Eine Beschichtung verhindert, dass kleinere Moleküle aus dem Plasma der Zellen die empfindlichen Mikrokanülen verstopfen.

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