Zehn Jahre nach der BSE-Krise:Hysterie und Wahn

Vor zehn Jahren geriet Deutschland wegen des ersten BSE-kranken Rindes in Aufregung, viele Menschen fürchteten sich vor einer tödlichen Infektion mit Prionen. Heute ist die Seuche unter Kontrolle.

Katrin Blawat

In ihren ersten vier Lebensjahren unterschied sich die Kuh durch nichts von den anderen 166 Rindern, die auf dem Hof von Peter Lorenzen in Schleswig-Holstein lebten. Dann zeigte ein Schnelltest am 24. November 2000, dass das Tier mit BSE infiziert war.

Kuh stolpert in einen Schlachthof währen der BSE-Krise 2001D

Eine Kuh im Schlachthof während der BSE-Krise 2001. Einen einfachen und zuverlässigen BSE-Test, der sich für noch lebende, unauffällige Tieren eignet, gibt es bis heute nicht.

(Foto: AP)

Das positive Testergebnis war ein Schock für Landwirte, Politiker und die Bevölkerung, die den Rinderwahn bislang vor allem als Problem der Briten betrachtet hatten. Dort grassierte die Bovine Spongiforme Encephalopathie (BSE) seit 1985. Doch an diesem November-Tag vor zehn Jahren war der Rinderwahn in Deutschland angekommen - und er versetzte ein ganzes Land in Hysterie.

Um den Jahreswechsel 2000/2001 berichteten die Medien fast täglich über den Gesundheitszustand einzelner verdächtiger Rinder - und gaben Entwarnung oder meldeten einen neuen Krankheitsfall. Das Fernsehen zeigte regelmäßig Bilder torkelnder Rinder, brennender Kadaver oder schwammähnlicher, löchriger Gehirne.

125 Rinder erkrankten 2001 in Deutschland an BSE. Danach sank die Zahl der Neuinfektionen erheblich. 2009 wurden zum bislang letzten Mal in Deutschland zwei Tiere positiv getestet. Insgesamt wurden hierzulande 406 BSE-Fälle offiziell bestätigt. Weltweit waren es etwa 190 000, davon 98 Prozent in Großbritannien. Nun berichtet die EU-Kommission, dass die Europäische Union kurz vor dem Ende der Seuche stehe.

Nicht nur die Zahlen der infizierten Rinder verbreiteten in den vergangenen Jahren Schrecken. Bald nach Ausbruch des Rinderwahns in England zeigte sich, dass der Verzehr BSE-infizierter Rinder beim Menschen zu einer neuartigen Variante eines Hirnleidens führen kann, der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (vCJK).

Etwa 200 Menschen starben in England und Frankreich an der Krankheit, bei der sich das Hirn allmählich auflöst. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts gab es in Deutschland keinen vCJK-Fall. "Die Übertragungsbarriere zwischen Rind und Mensch ist sehr hoch", sagt Michael Beekes vom Robert-Koch-Institut.

Rinder infizierten sich mit BSE, weil sie lange Zeit zu Mehl verarbeitete Artgenossen fressen mussten - ein damals in der Massentierhaltung weit verbreitetes, weil billiges Verfahren. Vor allem Hirn-, Rückenmark- und Darmgewebe stellen eine Infektionsgefahr dar. Acht Tage nach dem positiven Testergebnis aus Schleswig-Holstein trat in Deutschland ein Gesetz in Kraft, das die Fütterung von Tiermehl an Rinder verbietet. Wenige Tage später galt das Gesetz europaweit. Dass die Zahl der Neuinfektionen in den vergangenen zehn Jahren erheblich gesunken ist, führen Forscher vor allem auf das Tiermehl-Verbot zurück.

Viel Sicherheit versprachen zunächst auch die BSE-Tests, die von Anfang Dezember 2000 an für Schlachtrinder vorgeschrieben waren. Doch dann zeigte sich, dass die ersten Testverfahren nur sehr unzuverlässig funktionierten. Zwar bekamen die Wissenschaftler dieses Problem später in den Griff. Doch einen einfachen und zuverlässigen Test, der sich für noch lebende, unauffällige Tieren eignet, gibt es bis heute nicht. "Es handelt sich um einen sehr diffizilen Erreger", sagt Elke Reinking vom Friedrich-Loeffler-Institut für Tiergesundheit (FLI).

Rinderwahn und vCJK werden von sogenannten Prionen verursacht. Das sind Proteine, die nicht durch ihre chemische Zusammensetzung, sondern allein durch ihre dreidimensionale Struktur gefährlich werden. Mit den krankmachenden Prionen stecken sich Rinder vermutlich nur über das Futter an. Ob auch eine Übertragung von Blut zu Blut möglich ist, soll ein derzeit laufender Versuch am FLI klären. "Bis jetzt ist davon aber nichts zu sehen, und wir gehen nicht davon aus, dass sich das ändern wird", sagt Reinking.

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