Windkraft:Windenergie von der Oderbank

Hannoversches Unternehmen plant größte Anlage der Welt / Im Flachwasser vor Rügen sollen 200 Rotoren so viel Strom wie ein Reaktor erzeugen

Adalbert Zehnder

(SZ vom 06.10.99) - Vor der deutschen Ostseeküste soll eine der größten Windkraftanlagen der Welt entstehen. Der Öko-Strom-Anbieter Winkra-Energie aus Hannover will 35 Kilometer östlich der Insel Rügen einen Windpark mit insgesamt 200 Rotoren errichten.

Mit einer Nennleistung von 1000 Megawatt könne die Windkraftanlage so viel Energie erzeugen wie ein größeres Atomkraftwerk und damit die Privathaushalte in einem Ballungsraum wie Hamburg mit Strom versorgen, teilte ein Sprecher von Winkra mit.

Größte Anlagen der Welt

Winkra plant neben dem Offshore- Windpark bei Rügen bereits eine gleich große Anlage vor der Nordsee-Insel Helgoland. Die Anlagen in Nord- und Ostsee wären nach Angaben des Unternehmens die größten der Welt. Mit deren Inbetriebnahme bis 2010 könne sich der Anteil der Windenergie in Deutschland verdoppeln, sagte Winkra-Inhaber Uwe-Thomas Carstensen. Derzeit wird gut ein Prozent des Strombedarfs aus Windkraftanlagen gedeckt.

Allein in die erste Baustufe mit hundert Windkrafträdern sollen 1,5 Milliarden Mark investiert werden. In einer zweiten Bauphase sollen weitere hundert Rotoren errichtet werden. Das Geld für das Großprojekt will sich die Firma Winkra durch den Verkauf von Anteilen an Großinvestoren und künftige Kunden beschaffen. Der Strom-Anbieter betreibt nach eigenen Angaben fünfzig Windkraftanlagen in vier norddeutschen Bundesländern.

Stahlpfähle in den Meeresboden

Sollte das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie das Projekt genehmigen, könnte vom Jahr 2005 an mit dem Bau der Anlage vor Helgoland und ein Jahr später mit der vor Usedom begonnen werden. Im nur 15 bis 20 Meter tiefen Flachwasser der Oderbank könnten die Generatoren auf in den Meeresboden gerammte Stahlpfähle montiert werden.

Ein Kraftwerk im Meer hat nach Einschätzung von Experten vor allem den Vorteil eines größeren "Windangebots". Vom Festland aus seien die Windräder nicht zu sehen, versicherte der Firmensprecher. Ferner liege die Position Oderbank weder auf internationalen Schifffahrtsrouten noch auf den Fluglinien der Zugvögel.

Auftrieb für Naturstrom

Auftrieb für das Geschäft mit Naturstrom verspricht sich das Unternehmen von Vorgaben der Europäischen Kommission, nach denen sich der Anteil erneuerbarer Energien EU-weit bis zum Jahr 2010 auf zwölf Prozent verdoppeln soll. Unter Verbrauchern werde die Frage nach der ökologischen Qualität von Strom in Zukunft eine größere Rolle spielen, heißt es.

Der Windpark soll durch ein rund achtzig Kilometer langes und in zwei Metern Tiefe unter dem Meeresboden versenktes Seekabel mit dem 380-Kilovolt-Hochspannungsnetz verbunden werden. Geplanter Anschlusspunkt auf dem Festland sind die noch bestehenden Schaltanlagen des stillgelegten Kernkraftwerks in Lubmin bei Greifswald.

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