Wärmedämmung:Backstein, alles muss verpackt sein

Verschwindet das rote Hamburg bald unter Schaumstoffplatten? Die Sanierung historischer Klinkerbauten in der Hansestadt verdeutlicht, wie schwer sich Wärmedämmung und Denkmalschutz oft vereinbaren lassen.

Christopher Schrader

Für die Mieter im Naumann-Hof im Hamburger Stadtteil Dulsberg muss die Energiewende ein Segen sein. Ihre Häuser, eine große Wohnanlage mit Innenhöfen und immerhin 58 Hausnummern, haben eine neue Heizung, neue Fenster und eine gedämmte Fassade bekommen. "Für die Bewohner ist das toll: Endlich bekommen sie es richtig warm, das Wasser tropft nicht mehr von den Wänden, und Balkone wurden auch noch angebaut", sagt Albert Schett. Aber dann seufzt der Mitarbeiter des Hamburger Denkmalschutzamts. "Und das alles in einer Anlage, die als Denkmal erkannt ist."

Der Naumann-Hof, benannt nach dem liberalen Politiker und Namensgeber der politischen Stiftung der FDP, ist ein gutes Stück Hamburg. 1928 relativ schnell dreistöckig, mit Flachdach, einer roten Klinkerfassade und weißen Sprossenfenstern im Nordosten der Stadt errichtet, gehört die Anlage zu den Tausenden von Klinkerbauten, die das Bild der Metropole prägen. Besucher sehen meist nur die Speicherstadt oder das geschwungenen Chilehaus, aber außerhalb des Zentrums haben ganze Wohnviertel rote Fassaden.

Aber gerade in solchen Vierteln wie Dulsberg, Barmbek-Süd, Altona oder Hamm, wo der Konflikt vor einigen Jahren das erste Mal aufbrach, drohte der Hansestadt der Verlust ihrer Identität. Architekturkritiker beklagten schon, das rote Hamburg verschwinde hinter Schaumstoffplatten und weißem Putz, die auf die ehrwürdigen Backsteinfassaden geklatscht würden.

"Es hat einige solche Fälle gegeben, wo wir mit dem Ausgang überhaupt nicht zufrieden waren", räumt Jörn Walter, Oberbaudirektor der Stadt, ein. Es existiere in Hamburg ein besonderes Spannungsfeld zwischen dem Erhalt der Backsteinstadt, dem Energiesparen und der sozialen Verpflichtung, die Mieten bezahlbar zu halten. Die Metropole im Norden erlebt aber dabei nur das leicht zugespitzte Dilemma, das viele Städte ähnlich erleben: Wie lassen sich Tradition und Kultur, Energiesparen und soziale Belange vereinbaren? Auch viele andere Städte haben Backsteinbauten oder Gebäude mit ähnlicher Geschichte, Bedeutung und Problemen, und könnten von der Nord-Metropole lernen.

In Hamburg hat es erst mal einen Runden Tisch aller Beteiligten gegeben. "Wir suchen jetzt bessere Wege, die widersprüchlichen Ziele in Einklang zu bringen", sagt Walter. Dazu gehören Gespräche mit der Wohnungswirtschaft, Broschüren und Handbücher, eine gezielte Förderung, die Schulung von Architekten und sogenannte Backsteinbeauftragte, die die Behörde den Hausbesitzern mit Sanierungsplänen "zur Beratung schickt", wie der Behördenleiter sagt.

Wenn Hausbesitzer oder Genossenschaften, denen viele der Backsteinbauten gehören, allerdings aus eigenen Mitteln die Dämmplatten aufkleben wollen, kann Walter sie nicht daran hindern. Seine Behörde konzentriert sich wegen Personal- und Geldmangel ohnehin auf Vorkriegsbauten und Gebiete, wo die Klinkerbebauung noch leidlich intakt ist. Gegenden wie die um den Wochenmarkt Vogelweide in Barmbek-Süd hat das Amt praktisch aufgegeben. Viele Häuser sind hier schon unter glatten, teilweise schrill bunten Fassaden verschwunden. Die wenigen verbleibenden Klinkerbauten sind nach dem Krieg schnell hochgezogen und besitzen wenig von dem Charme, der schützenswerte Anlagen anderer Stadtteile auszeichnet.

Der Naumann-Hof ist allerdings ein Beispiel dafür, dass auch viel Aufwand und guter Wille nicht unbedingt ein allseits befriedigendes Ergebnis garantieren. Der Backstein ist hier unter einer Schaumstoffschicht verschwunden; nur so ließ sich in dem Vorkriegsbau endlich eine funktionierende Außenhaut herstellen, sagen die Experten.

Fenster wie Schießscharten

Bauschäden und verfehlte Sanierungsmaßnahmen ließen die Bewohner sehr lange mit feuchten Wänden kämpfen. Der Außenputz darauf wurde dann mit roter und schwarzer Beimischung als Imitat der Klinkerfassade gestaltet. Nur bei flüchtigem Blick sieht das noch wie das Original aus. "Die Fenster liegen jetzt in Schießscharten", klagt Albert Schett, "vorher waren sie bündig in der Fassade eingebaut." Und wenn der Denkmalschützer gegen die Häuserwand klopft, klingt es hohl. Die nachgemachten Steine wirken flach und langweilig, das Farbspiel des Baustoffs bei Sonne und Regen ist verloschen.

Solche "Meldorfer Klinker", wie die Imitation am Naumann-Hof beschönigend heißt, werden in Hamburg jetzt nicht mehr gefördert, sagt Oberbaudirektor Walter. Wer Zuschüsse von der Stadt haben möchte, wenn er Backsteinbauten saniert, muss die Außenwände zum Beispiel durch Fugensanierung erhalten oder mit gebrannten Steinen verkleiden, entweder als dünne Kaschierung des Schaumstoffs oder als eigenständig davor gesetzte Backsteinmauer. Das kostet deutlich mehr als Putz mit oder ohne Klinkerimitat: Die Stadt gibt dann 25 oder 50 Euro pro Quadratmeter dazu, das ist aber nur ungefähr ein Drittel der Mehrkosten.

Die Wohnkomplexe wie der Naumann-Hof sind eindrucksvolle Gebäude. Gerade im Stadtteil Dulsberg liegen viele solche Anlagen, die großteils offiziell als Denkmal anerkannt sind, teilweise auch aktiv geschützt werden. "Es sind flache und langgestreckte Bauten aus der Zeit zwischen den Weltkriegen", sagt Schett. Ihre Architekten verzichteten auf Elemente wie die herausgehobene Belle Etage des Bürgertums, auf Wintergärten oder Loggien und folgen einem sachlichen Stil. Die Fassaden kommen ohne verschnörkelte Ornamente aus - sind aber häufig durch einzeln vorspringende Reihen von roten Backsteinen verziert. "Es waren funktionale Wohnungen für die breite Masse. Ein zutiefst demokratischer Baustil zwischen Kaiserreich und Nazi-Diktatur", erklärt Schett.

Der Denkmalschützer würde hier auf die Außendämmung am liebsten verzichten. Wer Fenster und Heizung erneuere, vielleicht die rissigen Fugen der Fassade fachgerecht saniere und Kellerdecke sowie Dach dämme, komme auch schon auf eine deutliche Energieeinsparung. "Der Backstein an sich, wenn er nicht durch ungeeignete Maßnahmen wie Sandstrahlen oder ein rabiates Ausfräsen der Fugen verletzt wird, hat oft eine bessere Wärmeisolation als man ihm zugesteht", sagt Schett. Der Beitrag der Schaumstoffplatten werde also überschätzt.

Dennoch sind sie für Vermieter oft der erste Gedanke, wenn sie Sanierungen planen. "Hausbesitzer brauchen höchstens eine vereinfachte Baugenehmigung, um ein Wärmedämm-Verbundsystem auf der Fassade anzubringen", sagt Michael Rink, persönlicher Referent von Oberbaudirektor Walter. "Da geht es zum Beispiel um Statik oder Feuerschutz, aber nicht um die Gestaltung des Hauses." Rink befasst sich im Rahmen der Hamburger Initiative "Qualitätssicherung Backstein" mit Klinkerbauten, die das Stadtbild prägen, und begleitet Denkmalschützer Schett gelegentlich bei Fahrten zu Sanierungsobjekten.

Eigentümer fangen auch deshalb oft mit der Außendämmung an, weil sie die Kosten problemlos auf die Mieten aufschlagen können. Außerdem arbeiten die Handwerker außen an der Fassade, kein Bewohner muss sie in seine Wohnung lassen. Werden hingegen Fenster und Heizanlagen saniert, gibt es Lärm und Dreck im Haus - und oft genug Ärger. Außerdem können die Mieter argumentieren, ein Großteil der Kosten müsse der Vermieter übernehmen, weil die Technik ohnehin schadhaft war.

Schetts Erfahrung, dass Fassadendämmung den kleinsten Beitrag im Konzert der möglichen Sanierungsschritte leistet, deckt sich allerdings nicht mit Erkenntnissen der Deutschen Energieagentur (Dena). Hier zeigen 350 Modellprojekte von Mehrfamilienhäusern, dass die Fassadendämmung etwa 30 bis 35 Prozent zum erzielten Effekt - und damit den größten Anteil - beigetragen hat. Auch Ditmar Baaß von der Genossenschaft Altonaer Spar- und Bauverein zitiert aus einem Gutachten, wonach die Fassadendämmung regelmäßig den größten Beitrag liefert. Allerdings weisen Energieberater immer wieder darauf hin, dass solche Zahlen nur gelten, wenn alle Schwachpunkte eines Gebäudes beseitigt werden. Der Effekt einer Dämmung verpufft womöglich weitgehend, wenn im Keller eine dann überdimensionierte und schlecht zu regelnde alte Heizung bollert.

Moos und Algen an verputzten Wänden

Gerade die Altonaer Genossenschaft verdeutlicht aber Kompromisslinien im Konflikt zwischen Energieeinsparung und Stadtbild auf. Anlagen wie an der Blücher- oder Gerichtstraße zeigen zur Straße ihre traditionellen Backsteinfassaden, die mit Mitteln des Maurerhandwerks herausgeputzt und deren Fugen komplett saniert wurden, um eindringende Feuchtigkeit und damit Kältebrücken zu verhindern.

Hinten zu den Höfen hingegen sind die Gebäudehüllen gedämmt und verputzt worden. Und statt einer neuen Heizung reicht Baaß zufolge oft auch eine neue Einstellung der Anlage vom Kessel im Keller bis zum Heizkörper im Dachgeschoss auf die veränderten Verhältnisse: "hydraulischer Abgleich" heißt das in der Fachsprache der Wohnungswirtschaft. Schon das könne bis zu zehn Prozent Ersparnis bringen.

Die Gebäude vorn und hinten unterschiedlich zu behandeln, hält auch Oberbaudirektor Walter in manchen Fällen für einen guten Kompromiss. Allerdings werden dann beide Seiten die Besitzer zu regelmäßiger Aufmerksamkeit zwingen. Gedämmte Fassaden aus Schaumstoff und Putz neigen dazu, Moos und Algen anzusetzen, die etwa alle zehn Jahre durch einen neuen Anstrich beseitigt werden müssen. Und in den Klinkerfassaden halten die sanierten Fugen und anderen Maßnahmen oft auch nur 15 Jahre, sagt Ditmar Baaß: "Das ist eben so, damit muss man bei alten Backsteinbauten leben."

Für die Hausbesitzer ergibt sich auch eine finanzielle Schwierigkeit: "In den bedeutendsten Anlagen wohnen wegen der Lage und der Wohnungsgrößen häufig Menschen mit geringem Einkommen", sagt Michael Rink. "Eine aufwendige Sanierung, die dem kulturellen Wert der Gebäude angemessen ist, lässt sich über eine für die Bewohner zu verkraftende Erhöhung der Mieten alleine kaum erwirtschaften."

Für viele der roten Hamburger Häuser gilt zudem, dass der kulturelle Wert zwar hoch, die Bauqualität jedoch eher bescheiden ist. Die Fehler der Vergangenheit zu beseitigen, funktioniert nicht. Das zeigt sich exemplarisch im Stadtteil Dulsberg an den sogenannten Frankschen Laubenganghäusern. Sie werden als Denkmäler geschützt. Die Gebrüder Frank hatten sie Ende der 1920er Jahre errichtet, es sind sechs langgestreckte Häuser, die jeweils paarweise eine Grünfläche umschließen. Zu dieser Seite öffnen sich auch die Laubengänge, die an einer Stirnseite in halbkreisförmigen Terrassen münden. Doch wo diese Zwitter aus Balkonen und Hausfluren noch nicht saniert sind, brechen jeweils an den Unterseiten ihre Stahlträger durch, weil Wasser zwischen das Mauerwerk und die Träger gelaufen ist. Auch viele Fensterstürze sind angegriffen, Feuchtigkeit ist durch die Fugen gedrungen. Wo sie ausgetauscht wurden, ist das Mauerwerk durch falsche oder schlecht gesetzte Steine unterbrochen.

Die ersten drei der Gebäude hingegen gelten als Vorzeigeobjekte. Der Denkmalschützer Albert Schett erklärt stolz den Unterschied zwischen dem ersten und dem zweiten der Häuser, die saniert wurden. Das erste hatte noch den Meldorfer Klinker bekommen, den in Putz imitierten Backstein. Am dritten wurde stattdessen nicht nur eine neue Klinkermauer vor die Dämmung gemauert, und die Fenster wurden auch nach vorn versetzt, sodass der Schießscharteneffekt ausbleibt.

Allerdings hat der Aufwand auch seinen Preis: Ohne erhebliche öffentliche Zuschüsse können Eigentümer eine solche Sanierung kaum bewältigen. 919.000 Euro hat die Stadt in eines der Häuser gesteckt.

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