Wachkoma-Patienten:Das mentale "Hä?"

Mit Nonsens-Sätzen testen Bielefelder Hirnforscher die Heilungschancen von Wachkoma-Patienten. Reagieren diese mit auffälligen Hirnströmen, ist das ein gutes Zeichen.

"Paul trinkt seinen Kaffee mit Zucker und Socken." Mit solchen Nonsens-Sätzen versuchen Bielefelder Hirnforscher die Heilungschancen von Wachkoma-Patienten zu erkennen. Wer auf den Unsinn reagiere, habe höhere Chancen, wieder aufzuwachen, sagen sie.

Tatsächlich zeigen manche Wachkomapatienten ungewöhnliche Hirnreaktionen, und das Forscherteam will daraus auf deren künftige Entwicklung schließen.

"Der Patient mit dieser Messkurve ist später wieder aufgewacht", sagt Inga Steppacher und zeigt auf ein Diagramm auf dem Tisch vor sich. "Wir nennen das 'das mentale Hä?'." Deutlich ist der starke Ausschlag zu erkennen, der zeigt, dass der Wachkomapatient auf eine unlogische Wortkombination mit einer Veränderung der Gehirnströme reagiert hat.

Mehr als 100 solcher Diagramme hat die Neuropsychologin ausgewertet, um herauszufinden, ob sie etwas über die Heilungschancen von Patienten mit dem sogenannten apallischen Syndrom aussagen. Sie stammen von Medizinern der Kliniken Schmieder in Allensbach am Bodensee. "Eine riesige Datenfülle, die bislang aber noch nicht ausgewertet worden war", sagt Steppacher.

Die Reaktion im Hirnstrom bedeute nicht etwa, dass die Probanden den Inhalt der Sätze verstanden hätten, erklärt Steppacher. Aber ihre Gehirne schienen doch zu einer Art Sprachverarbeitung fähig zu sein, die bei anderen Wachkoma-Patienten nicht möglich sei.

Anders als akustische Signale wie Klopfen oder Händeklatschen gaben die unlogischen Sätze Hinweise auf mögliche Heilungschancen: Von den 87 Patienten, denen die Nonsens-Sätze vorgespielt wurden, hatten 15 darauf reagiert, 14 von den 15 wachten später auf. Von den 72 Patienten, an denen die sinnlosen Sätze spurlos vorbeigingen, wachten zwar auch 16 wieder auf. Die Zahl war aber im Verhältnis wesentlich geringer.

"Wir haben das immer schon gesagt: Schaut genau hin, wie die Patienten reagieren. Aber es muss eben erst messbar und wissenschaftlich nachweisbar sein, bevor es Beachtung findet", sagt Armin Nentwig. Der Vorsitzende der Deutschen Wachkoma-Gesellschaft "Schädel-Hirnpatienten in Not" setzt sich seit mehr als 20 Jahren für die Verbesserung der Situation von Wachkoma-Patienten ein und begrüßt die Bielefelder Studie als einen "Schritt in die richtige Richtung".

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