Vulkane auf Island:"Nichts deutet auf ein Ende der Eruption hin"

Auch drei Wochen nach Beginn des Ausbruchs pulsieren Aschewolken aus dem Eyjafjallajökull. Brechen nun weitere Vulkane auf Island aus?

Angelika Jung-Hüttl

Nichts deutet daraufhin, dass die Eruption des Eyjafjallajökull bald enden könnte - brechen nun weitere Vulkane auf Island aus?

Eyjafjallajökull Island Vulkan Ausbruch AFP

Noch immer spuckt der Eyjafjallajökull Asche in die Luft.

(Foto: Foto: AFP)

Ununterbrochen pulsieren Aschewolken aus dem Eyjafjallajökull - auch jetzt noch, drei Wochen nach Beginn des Ausbruchs. Schwarze Schwaden quellen aus dem Berg in den Himmel, bis sie der Wind erfasst und nach Osten treibt. Donnern und Grummeln erfüllt die Luft. Die Detonationen sind noch am Fuß des 1666 Meter hohen, vergletscherten Feuerberges zu hören - sieben Kilometer entfernt von der Ausbruchsstelle, am nördlichen Rand der Sperrzone um den Vulkan.

Dort, im zerwühlten Tal des Flusses Markarfljot, lag vor dem Ausbruch ein See vor der Front einer Gletscherzunge. Nun ist er unter einem Schuttfächer aus Gesteinstrümmern und Eis verschwunden.

Im Flussbett sind neue Inseln aus dunklem Vulkansand entstanden, auf denen hausgroße Eisbrocken glänzen wie Kristalle auf schwarzem Samt. Mächtige Säulen aus Wasserdampf quellen aus der eingebrochenen Gletscherzunge empor, wo sich tief unter dem Eis ein mehr als 200 Meter breiter Strom glühender Lava einen Weg ins Tal bahnt.

Der Ausbruch des isländischen Vulkans ist aus den Nachrichten verschwunden seit der Flugverkehr wieder reibungslos läuft. Doch die Insel kommt nicht zur Ruhe.

"Nichts deutet darauf hin, dass die Eruption des Eyjafjalla demnächst endet", sagt Sigurlaug Hjaltadottir, Geophysikerin am Isländischen Meteorologischen Institut (IMO). Stattdessen registrieren die Wissenschaftler in Reykjavik beunruhigende Daten von anderen Vulkanen: Ballt die Erde unter dem Grimsvötn und der Hekla ihre Kräfte? Nur für die Katla geben die Vulkanologen vorerst Entwarnung. Anders als in den vergangenen Wochen oft spekuliert wurde, zeigt dieser Feuerberg nahe des Eyjafjalla derzeit keine Anzeichen eines nahen Ausbruchs.

Die Asche, die gerade aus dem Eyjafjallajökull hervorbricht, entspricht "grob geschätzt nur noch etwa einem Zehntel dessen, was der Eyjafjalla in den ersten Tagen der Eruption in die Luft katapultiert hat", sagt Agust Gunnar Gylfason von der isländischen Zivilschutzbehörde.

Die Wolken steigen auch nicht mehr neun bis zehn, sondern mit einigen Ausnahmen nur noch drei bis etwa sechs Kilometer hoch. Je nach Wetterlage kann es trotzdem passieren, dass die winzigen Asche-Partikel über den Atlantik nach Süden Richtung Großbritannien getrieben werden.

Eine Schar von Wissenschaftlern überwacht den vergletscherten Feuerberg rund um die Uhr. Fachleute vom Küstenschutz fliegen täglich zum Vulkan. Sie nähern sich dem Chaos, das der Ausbruch in das bis zu 200 Meter dicke Eis am Gipfel des Eyjafjallajökull geschmolzen hat und blicken per Radar durch den Wasserdampf, der den Schlund verschleiert.

Die jüngsten Aufnahmen zeigen, dass das aktive Kraterloch einen Durchmesser von 190 bis 240 Metern hat. Der Kegel, der dort aus dem Auswurf herangewachsen ist, hat fast den oberen Rand des Gletschers erreicht. Unter der Eiszunge des Gigjökull hat sich der Lavastrom in mehrere 30 bis 60 Meter breite Arme aufgespalten.

"Die Signale der Erdbebenmessstationen in der Umgebung des Vulkans deuten darauf hin, dass ständig neues Magma aus einer Tiefe von 23 Kilometern aufströmt", berichtet die Geophysikerin Sigurlaug Hjaltadottir vom IMO.

Es sammelt sich zuerst in der Magmakammer in zwei bis drei Kilometern Tiefe unter dem Vulkan, bevor es als Lavastrom aus dem Krater ausfließt oder bei den Explosionen zu Asche zerstäubt wird und als schwarze Wolke in den Himmel schießt. Dabei werden auch riesige Lavafetzen Hunderte Meter hoch in die Luft katapultiert. Vom Markarfljot-Tal aus in sieben Kilometern Entfernung sind sie mit bloßen Auge zu erkennen.

Vulkanausbrüche auf der Tagesordnung

Täglich werden das An- und Abschwellen der Wassermenge und die Wassertemperatur im Markarfljot-Fluss gemessen. In seinen Läufen sammelt sich das frische, oft noch heiße Schmelzwasser. Die Daten sind nötig, um die Bauern in der Umgebung des Vulkans rechtzeitig vor möglichen Sturzfluten zu warnen.

Eyjafjallajökull Island Vulkan Ausbruch AFP

Asche aus dem Vulkan steigt in die Atmosphäre. Aber Kohlendioxid sammelt sich auch in Bodensenken am Fuß des Vulkans.

(Foto: Foto:)

In der Nähe des Vulkans lauern auch unsichtbare Gefahren. Aus der Lava treten giftige fluorhaltige Gase und Kohlendioxid aus. Das CO2 ist schwerer als Luft und sammelt sich in Bodensenken am Fuß des Vulkans. Wer dort hineingerät, erstickt. Das kann nicht nur den Bauern gefährlich werden, "sondern auch den schaulustigen Isländern und den jetzt noch wenigen Reisenden im Tal des Markarfljot, wenn sie versuchen, über die Moränenhügel am Fuß der Eiszunge näher an den kollabierten Gletscher und an den Ausbruch heranzukommen", sagt Agust Gunnar Gylfason vom Zivilschutz.

Auf einen noch viel größeren Ausbruch am nur 30 Kilometer entfernten Nachbarvulkan Katla deutet derzeit nichts hin. "Von unseren Messdaten her gibt es keinen Hinweis darauf", sagt Geophysikerin Hjalladottir vom IMO. Im Gegenteil, Messungen mit dem Global Positioning System (GPS) zeigten, dass sich die Flanken des Vulkans einsenken. Stünde ein Ausbruch bevor, würde sich der ebenfalls vergletscherte Feuerberg eher aufblähen. Auch zeigt die Katla keinerlei seismische Signale, die einen Ausbruch ankündigen.

"Die Hekla wäre an der Reihe"

Bei zwei der bekanntesten Vulkanen Islands deuten die Zeichen jedoch auf einen baldigen Ausbruch hin. So könnte der Grimsvötn bald erwachen. Der Feuerberg liegt unter dem mehrere Hundert Meter dicken Eis des Vatnajökull. Auch die Hekla meldet sich, die schon im Mittelalter in ganz Europa aufgrund ihrer heftigen Eruptionen als "Tor zur Hölle" bezeichnet wurde.

"Vor allem die Hekla wäre an der Reihe", sagt die Geophysikerin Steinunn Jakobsdottir, die am IMO für die Überwachung der Feuerberge Islands zuständig ist. Die Hekla erwacht ziemlich regelmäßig alle zehn Jahre - zuletzt im Februar 2000. Der Ausbruch begann mit heftigen Asche-Eruptionen, dauerte aber nur elf Tage. Schon 2008 hat sich die Hekla wieder auf ein Maß aufgebläht, das für einen bevorstehenden Ausbruch typisch ist. "Aber seitdem hält sie sich auf diesem Level", sagt Jakobsdottir.

Vielleicht bricht die Hekla noch in diesem Jahr aus. "Doch wir können eine Eruption - wenn überhaupt - nur sehr kurzfristig vorhersehen", sagt die Geophysikerin. "Denn die Hekla zeigt dies normalerweise etwa eineinhalb Stunden vorher an - wir können das deutlich an ihren seismischen Signalen ablesen." Der Grimsvötn dagegen könnte noch etwas länger brauchen. Die Wissenschaftler erwarten die nächste Eruption innerhalb der nächsten ein bis zwei Jahre.

Wenn der Grimsvötn oder die Hekla doch schweigen sollten, könnte ein anderer Feuerberg Lava spucken. Vulkanausbrüche sind auf Island auf der Tagesordnung. "Alle vier bis fünf Jahre bricht einer aus", sagt Ari Trausti Gudmundson vom Institut für Erdwissenschaften am Vulkanologischen Zentrum in Reykjavik, einer der bekanntesten Geologen auf Island, in einem Interview mit dem Iceland Review.

In der Regel sind in dem dünn besiedelten Land aber nicht viele Menschen von den Eruptionen bedroht. Was ein isländischer Vulkan aber anrichten kann, wenn seine Asche in Richtung Europa driftet, das hat der Eyjafjallajökull in den vergangenen Wochen gezeigt. Doch falls der Luftverkehr bei einem neuen Ausbruch in Island nicht beeinträchtigt wird, dann könne eine Eruption allerdings "auch ein guter Grund sein, Island zu besuchen", sagt Ari Trausti Gudmundson.

Die Autorin Angelika Jung-Hüttl ist Geologin. Über ihre intensiven Erfahrungen mit Vulkanen hat sie mehrere Bücher veröffentlicht.

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