Vulkane auf Island:Ein gefährlicher Nachbar

Die Isländer sehen die Eruption am Eyjafjalla-Gletscher gelassen - mehr Sorgen macht ihnen Nachbarvulkan Katla, der viel mehr Schaden anrichten kann.

Gunnar Herrmann

Die Isländer hatten sich bereits gut mit dem Eyjafjalla-Vulkan arrangiert. Seit 21. März brodelt der vor sich hin und erfreut besonders die Fremdenverkehrsbranche der Insel. Der feuerspuckende Spalt in einem beliebten Ausflugsgebiet nahe der Südküste - eher ungefährlich, aber doch spektakulär - war schnell zu einer Attraktion geworden.

Touristen und Einheimische kamen in den vergangenen Wochen in Scharen, um das Schauspiel aus der Nähe zu sehen. Damit ist vorerst Schluss. Vor einigen Tagen hatte es noch so ausgesehen, als würde der Vulkan langsam erlöschen.

Doch am späten Mittwochnachmittag änderte der Eyjafjalla-Vulkan seinen Charakter. Er wuchs, qualmte und schleuderte große Mengen Dampf und Asche sechs Kilometer hoch in den Himmel über Island.

Die Behörden reagierten rasch. Die Helfer vom Katastrophenschutz brachten etwa 800 Anwohner des "Inselbergs", wie Eyjafjalla heißt, in Sicherheit und sperrten die Region weiträumig ab. Die größte Gefahr für die Nachbarn des Vulkans sind weder Asche noch Lava, sondern das Wasser des Eyjafjalla-Gletschers.

Flüsse überfluten das Flachland

Denn der Vulkan ist teilweise von einer Eiskappe bedeckt. Schon zu Beginn des Ausbruchs im März hatte man mit einer Flutwelle gerechnet, bislang aber hatte die Eruption neben dem Gletscher stattgefunden.

Nun hat sich ein weiterer Spalt geöffnet, diesmal direkt unter dem Eis. Das Schmelzwasser aus dem Inneren des Gletschers wälzte sich bereits in zwei gewaltigen Flutwellen zu Tal, ließ Flüsse anschwellen und überflutete das Flachland am Fuße des Berges.

Experten rechnen in den kommenden Tagen mit weiteren Überschwemmungen. "Solange noch Eis im Krater ist, müssen wir Flutwellen erwarten", zitierte die Zeitung Morgunbladid einen Geologen. Die ersten beiden Wellen rissen Teile der Ringstraße weg, die an der isländischen Küste entlangführt.

Vulkanausbrüche seit den Wikingern

Die Rettungskräfte hatten am Mittwoch auch damit zu tun, Schaulustige von der Katastrophenregion fernzuhalten. Denn die Isländer treten dem Inferno ziemlich furchtlos gegenüber, sie haben sich an Eruptionen wie die vom Mittwoch längst gewöhnt.

Seit ihre Vorfahren, norwegische Wikinger, im frühen Mittelalter das Eiland im Nordatlantik besiedelt haben, gab es dort etwa 250 Vulkanausbrüche. Heute zählt die Insel 140 Vulkane, von denen 30 aktiv sind. Viele von ihnen sind von Eiskappen bedeckt. Erst 1996 hatte der Ausbruch des Grimsvötn einen gewaltigen Gletscherlauf verursacht, der ebenfalls einen Teil der Ringstraße wegspülte.

Eine der größten Katastrophen der Neuzeit erlebte Island 1783, als der Lakagigar ausbrach und den Himmel monatelang verdunkelte. Die Aschewolke und mit ihr ein unangenehmer Schwefelgeruch verbreiteten sich damals bis tief auf das europäische Festland.

Manche Historiker meinen, der isländische Vulkan sei verantwortlich für die französische Missernte von 1788 und damit indirekt der Auslöser der Französischen Revolution. In Island jedenfalls vergiftete ein Ascheregen damals die Ernte und ließ das Vieh auf den Weiden verenden. Tausende Menschen starben.

Die meisten Ausbrüche verlaufen viel glimpflicher - auch deshalb, weil die Isländer über die Jahrhunderte gelernt haben, mit der Gefahr aus dem Erdinneren zu leben. So sind die sogenannten Sandergebiete, durch die im Falle eines Vulkanausbruchs das Gletscherschmelzwasser abfließt, meist unbesiedelt.

"Alles ist unter Kontrolle"

Der Katastrophenschutz ist gut ausgebaut, und die seismologische Aktivität rund um die Vulkane wird ständig überwacht. So konnte am Mittwoch schon einige Stunden vor dem eigentlichen Ausbruch mit der Räumung des Katastrophengebiets begonnen werden.

Ministerpräsidentin Johanna Sigurdardottir lobte den Einsatz der Retter in einem Fernsehinterview als vorbildlich. "Ich denke, es gibt gute Gründe für die Leute, ganz ruhig zu bleiben", sagte sie. "Alles ist unter Kontrolle."

Nun ist der Eyjafjalla-Vulkan für isländische Verhältnisse eher klein. Er bricht alle paar hundert Jahre aus. Zuletzt spuckte er 1821 Feuer, damals dauerten die Eruptionen zwei Jahre lang.

Größere Sorgen bereitet den Experten derzeit der ungleich mächtigere Nachbar Katla, einer der aktivsten Vulkane der Insel. Beide Krater sind Teil desselben Vulkansystems. Der Katla-Krater liegt gleich neben dem Eyjafjalla-Vulkan, auf einer Höhe von 1450 Metern direkt unter dem Myrdals-Gletscher.

Der Katla spie statistisch gesehen in den vergangenen 1000 Jahren mit großer Regelmäßigkeit Feuer, alle 40 bis 80 Jahre. Der letzte Ausbruch ereignete sich 1918, so gesehen wäre eine Eruption überfällig.

Außerdem folgte in früheren Jahrhunderten auf einen Ausbruch des Eyjafjalla-Vulkans stets auch ein Ausbruch des Katla, wie die dänische Zeitung Berlingske berichtet. Wie heftig eine Eruption des Nachbarvulkans diesmal werden würde, lässt sich allerdings nicht vorhersagen.

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