Vulkanausbrüche:Vorhersage ohne Gewähr

Die Methoden, Vulkanausbrüche vorherzusagen, werden immer besser. Doch wirklich sicher können sich die Vulkanologen nie sein.

Markus C. Schulte von Drach

Die Aschewolke über Nordeuropa hat viele Menschen überrascht. Dabei kam der Ausbruch des Vulkans Eyjafjalla auf Island nicht unerwartet. Bereits vor einem Jahr hatte seine seismische Aktivität zugenommen. Mit anderen Worten: Die Messgeräte hatten etliche kleine Erdbeben unter dem Vulkan aufgezeichnet. Bereits im März 2010 wurde das Feuer, das er spuckte, zur Touristenattraktion.

Vulkanforschung  Vulkan Lava Eruption

Bereits im März war aus dem Vulkan am Eyjafjalla-Gletscher auf Island Lava ausgetreten.

(Foto: Foto: dpa)

Dann schien der Vulkan wieder zu erlöschen.

Doch es kam anders. Am 14. März öffnete sich eine Spalte im Vulkan, große Mengen Lava traten aus und die Aschewolke stieg auf, die den Luftverkehr über Nordeuropa lahmgelegt hat.

Das Verhalten des Eyjafjalla-Vulkans demonstriert eindringlich, wie schwierig es nach wie vor ist, die Aktivität von Vulkanen und die Stärke von Ausbrüchen vorherzusagen.

Das hängt damit zusammen, dass jeder Feuerberg sich in seiner Beschaffenheit von allen anderen unterscheidet. Die Erfahrungen an einem Vulkan lassen sich nicht einfach auf andere Berge übertragen.

Selbst das Verhalten eines Vulkans in der Vergangenheit gibt nur eingeschränkt Auskunft über seine möglichen Aktivitäten in der Zukunft. Und selbst wenn etliche Anzeichen eines bevorstehenden Ausbruchs zusammenkommen, kann es sein, dass ein Feuerberg ohne Eruption wieder zur Ruhe kommt.

Hin und wieder aber entsprechen die Hinweise auf eine bevorstehende Eruption doch so genau den Erfahrungen der Vulkanologen mit früheren Ausbrüchen, dass sie zutreffende Vorhersagen machen können. So rettete ihre Warnung vor dem Ausbruch des Pinatubo auf den Philippinen 1991 Tausende Menschenleben.

Immer wieder völlig überrascht

Doch immer wieder werden Vulkanologen von ihren Studienobjekten völlig überrascht. Der Mount St. Helens im US-Bundesstaat Washington etwa hatte 1980 zwar deutliche Anzeichen eines bevorstehenden Ausbruchs gezeigt. Aber gerade am Morgen des 18. Mai wies nichts darauf hin, dass einer der stärksten Vulkanausbrüche des 20. Jahrhunderts unmittelbar bevorstand.

Doch trotz aller Unsicherheitsfaktoren: Die Vorhersagen werden immer besser. Denn inzwischen verfügen die Experten über eine ganze Reihe verschiedener Möglichkeiten, die Aktivität von Vulkanen zu beobachten.

Besonders wichtig sind seismische Messungen, mit denen Erdbeben festgestellt werden. Die Bewegungen der Erdkruste, die mit dem Aufstieg von geschmolzenem Gestein, dem Magma, einhergehen, können deutliche Warnzeichen sein. Um diese zu erkennen, werden um den Vulkan Seismometer installiert. Ein typisches Phänomen, das vor Ausbrüchen beobachtet werden kann, sind lange Vibrationen, die als Tremor bezeichnet werden.

Eine weitere Methode nutzt Radaraufnahmen von Satelliten wie Envisat, anhand derer sich Veränderungen an der Oberfläche der Berge beobachten lassen. So steigt vor einem Ausbruch Magma im Inneren des Vulkans in die Höhe. Wölbt sich ein Berg über der heißen Gesteinsschmelze, könnte eine Eruption bevorstehen. Auch wenn Stellen am Vulkan einsinken, Wände sich neigen oder Risse entstehen, könnte ein Ausbruch bevorstehen. Solche Veränderungen können auch mit GPS-Messungen verfolgt werden.

Mit Hilfe von Temperaturmesstationen oder Infrarot-Messungen durch Satelliten wie Landsat 7 können neue Wärmequellen am Berg aufspürt werden. Und mit speziellen Sensoren messen Wissenschaftler die Zusammensetzung der austretenden Gase. Mit Hilfe von sogenanten Absorptionsspektrometern können sie aus der Ferne feststellen, ob zum Beispiel die Konzentration von Schwefeldioxid in einer Gasfahne sich verändert. Die Daten weisen darauf hin, ob Magma unter dem Vulkan aufgestiegen oder abgesunken ist.

Auch im Grundwasser lassen sich Bestandteile der Gase, etwa Helium, bestimmen. Steigt Magma auf, so steigt auch die Konzentration dieser Elemente.

Eine ungewöhnliche und nicht unumstrittene Methode hat ein Geologe der Universität Duisburg-Essen vorgeschlagen. Ameisen, so hat Ulrich Schreiber zusammen mit dem Biologen Stefan Hetz von der Humboldt-Universität Berlin beobachtet, nisten gern in den Bodenspalten der Vulkane in der Eifel - vermutlich wegen der Wärme, die dort herrscht. Sollten auffällig viele Ameinsenkolonien sterben, so könnte das ein Hinweis auf austretendes Gas sein.

Um treffende Vorhersagen machen zu können, versuchen die Wissenschaftler, mehrere Messmethoden zu kombinieren. Außerdem berücksichtigen sie das Verhalten der jeweiligen Vulkane in der Vergangenheit. So rechnen die Isländer zurzeit mit dem Ausbruch der Katla, der "großen Schwester" des Eyjafjallajökull. Alle 40 bis 80 Jahre hat die Katla früher Feuer gespuckt - inzwischen ist sie überfällig. Und in der Vergangenheit wurde sie offenbar gerade dann aktiv, wenn auch der Eyjafjallajökull ausgebrochen war. Das macht einen Ausbruch wahrscheinlicher - aber noch lange nicht zwingend.

Mit Hilfe all dieser Methoden werden Vorhersagen immer besser. Allerdings müssen die Vulkane auch tatsächlich überwacht werden. Darüber hinaus stehen die Vulkanologen nicht nur unter dem Druck, die Bevölkerung möglichst früh zu warnen. Sie müssen zugleich vermeiden, zu schnell eine Evakuierung zu empfehlen. Sonst müssen sie mit dem Vorwurf rechnen, sie hätten vorschnell oder gar ohne Grund hohe Kosten verursacht und die Leute verunsichert. Außerdem riskieren sie ihre Glaubwürdigkeit und die ihrer Methoden.

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