Vulkanausbruch in Afrika:Ein Kontinent zerbricht

Seit Tagen spukt der Vulkan Nabro in Eritrea Lava und Asche - dabei hatte er zehntausend Jahre lang die Eruptionen seinen aktiven Nachbarn überlassen. Der Nabro liegt in einer Region, in der sich aktuelle Weltpolitik, die Entwicklungsgeschichte der Menschheit und die ferne Zukunft des Kontinents in bemerkenswerter Weise berühren.

Christopher Schrader

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Nabro

Quelle: Jeff Schmaltz/Nasa

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Der Vulkan Nabro spuckt seit einigen Tagen Lava und Asche. Er gehört zu den Feuerbergen, die selbst Vulkanologen kaum kannten: Im nordostafrikanischen Staat Eritrea gelegen, hat er zehntausend Jahre lang die Eruptionen seinen aktiven Nachbarn überlassen. Anfänglich wurden sie sogar dem Nachbarn Dubbi zugeschrieben. Sein Ausbruch lenkt den Blick auf eine Region, in der sich aktuelle Weltpolitik, die Entwicklungsgeschichte der Menschheit und die ferne Zukunft des Kontinents in bemerkenswerter Weise berühren.

Eine Aufnahme des Moderate Resolution Imaging Spectroradiometer (Modis) an Bord des Nasa-Satelliten Aqua vom 15. Juni 2011. Die Aschewolke erreichte nach Angaben des Toulousse Volcanic Ash Advisory Center und des Joint Air Force & Army Weather Information Network eine Höhe von 11.000 Meter.

Afar

Quelle: Cynthia Ebinger, University of Rochester, New York

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Erstens haben die Aschewolken die Reisepläne von US-Außenministerin Hillary Clinton durcheinandergebracht, die nach Äthiopien wollte. Am Mittwoch musste auch Guido Westerwelle seinen Flug in den Sudan absagen. Zweitens gehört der Vulkan zum Ostafrikanischen Grabensystem, dessen Veränderungen in den vergangenen drei Millionen Jahren die Evolution der Menschheit womöglich entscheidend geprägt haben.

Topographische Karte des 60 Kilometer langen Grabenteils beim Vulkan Dabbahu in Äthiopien.

Afar

Quelle: Tim Wright, University of Leeds

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Und drittens reißt Afrika an eben dieser Nahtlinie von Eritrea bis Mosambik auseinander. Das geschieht langsam, gemessen an den Zeitbegriffen der Menschen, aber rasend schnell nach geologischen Maßstäben.

Feleke Worku von der Ethiopian Mapping Agency betrachtet Risse im Boden der Afar-Senke, auch Danakil-Senke genannt.

Afar

Quelle: Elizabeth Baker, Royal Holloway, University of London

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In zehn Millionen Jahren könnte ein Golf, breit wie das Rote Meer, zwischen den heutigen Staaten Äthiopien, Kenia und Tansania einerseits und dem Rest des Kontinentes andererseits klaffen.

Rift Valley

Quelle: SeaWiFS Project/NASA/Goddard Space Flight Center/Orbimage

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Offenbar heizt eine besonders heiße Stelle des Erdmantels Ostafrika seit 200 Millionen Jahren ein, sagt Thomas Walter vom Geoforschungszentrum Potsdam. Der ganze Erdteil hat sich im Zuge der Kontinentalverschiebung kaum bewegt, sodass der Druck immer auf die gleiche Stelle wirkte. "Es bildet sich dann typischerweise ein dreifacher Bruch, dessen Linien Winkel von 120 Grad bilden", erklärt Walter. Zwei davon sind bereits vom Ozean überflutet: das Rote Meer und der Golf von Aden. Die dritte Bruchlinie weist vom heutigen Dschibuti aus landeinwärts nach Süden.

Im Norden liegt das Rote Meer über einer Bruchlinie, im Osten der Golf von Aden über einer zweiten. Nach Südwesten erstreckt sich von der Küste aus die helle Fläche des Afar-Dreiecks.

Afar

Quelle: Julie Rowland, University of Auckland

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Die Kontinentalplatten driften hier ständig auseinander: Im Roten Meer sind es 2,5 Zentimeter pro Jahr, im Norden Äthiopiens ist es ein Zentimeter, in Kenia nur noch ein halber Millimeter pro Jahr. Vulkanausbrüche wie der des Nabro schaffen da mehr weg.

Afar

Quelle: Julie Rowland, University of Auckland

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Walter erwartet, dass die Eruption ähnliche Verschiebungen bewirkt wie beim Vulkan Dabbahu in Äthiopien 2005: Da wuchs der Graben in der Breite, während sich die Mitte senkte und die Flanken hoben - jeweils um mehrere Meter. Schon heute liegt die Afar-Senke in Nordäthiopien, Eritrea und Dschibuti mehr als hundert Meter unter dem Meeresspiegel.

Aussicht vom Vulkan Dabbahu.

Afar

Quelle: Cindy Ebinger, University of Rochester, New York

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Aus dieser Gegend stammen bedeutende Fossilien aus der Frühgeschichte der Menschheit. Die Skelette von "Lucy" und der noch älteren "Ardi" wurden hier ausgegraben sowie die Steinwerkzeuge aus der Oldowankultur, alle mehrere Millionen Jahre alt.

Afar

Quelle: Nasa

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Diesen Reichtum an Funden verdankt die Menschheit der besonderen Geologie der Region, vermuten Forscher.

Vulkanlandschaft in der Afar-Region im Norden Äthiopiens.

Afar

Quelle: Aster Instrument Team/MITI/Ersdac/Jaros/Nasa JPL

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Zum einen haben immer wieder abgelagerte Sedimente dazu beigetragen, dass menschliche Überreste als Fossilien erhalten blieben. Zum anderen hat die Tektonik vor drei Millionen Jahren dazu geführt, dass sich am Rand des Ostafrikanischen Grabens ein hohes Gebirge erhob. Es blockierte die Regenwolken aus dem Westen und ließ eine Savanne entstehen, in der es sich für die Vormenschen lohnte, auf zwei Beinen zu gehen.

Infrarotaufnahme des Advanced Spaceborne Thermal Emission and Reflection Radiometer (Aster) an Bord des Nasa-Satelliten Terra. Die unterschiedlichen Rottöne entsprechen verschiedenen Temperaturen, die auf die Art des Gesteins hinweisen.

Afar

Quelle: Nasa

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Ob allerdings in zehn Millionen Jahren noch intelligente Zweibeiner in der Gegend leben, wenn Äthiopien auf einer Insel oder Halbinsel liegt, ist ungewiss. In der Erdgeschichte haben eigentlich nur primitive Arten derartige Zeiträume überstanden.

Bild des Afar-Dreiecks, aufgenommen vom Advanced Spaceborne Thermal Emission and Reflection Radiometer (Aster) des Nasa-Satelliten Terra.

© SZ vom 16. Juni 2011/mcs
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