Vogelgrippe:Unberechenbare Bedrohung

Der Erreger hat Europa erreicht: Nachdem die EU-Kommission am Mittwoch noch Entwarnung gegeben hatte, steht nun fest, dass es die Vogelgrippe ist, der Enten, Hühner und anderes Geflügel im rumänischen Donau-Delta zum Opfer gefallen sind.

Werner Bartens und Sebastian Herrmann

In der Türkei handelt es sich um das aggressive Vogelgrippe-Virus H5N1, das bei engem Kontakt auch Menschen gefährlich werden kann. In Rumänien ist bislang nur sicher, dass es sich um Erreger vom Stamm H5 handelt.

Vogelgrippe
(Foto: SZ-Grafik)

Die Gefahr für Menschen, sich an einer schweren Grippe mit womöglich tödlichem Ausgang zu infizieren, bleibt nach Einschätzung von Experten trotzdem gering. "Das Problem wird überzeichnet", sagt Bernhard Fleckenstein, Leiter der Virologie an der Universität Erlangen-Nürnberg. Denn die weitere Ausbreitung der Vogelgrippe nach Europa habe wenig mit der Gefährdung für den Menschen zu tun. "Die Möglichkeit einer Pandemie war schon immer da", sagt Fleckenstein. "Auch in den vergangenen Jahren. Es hat nur niemand darüber geredet."

Für Fleckenstein ist nicht mal sicher, dass ein neues, gefährliches Virus aus einer Vermischung menschlicher Viren mit Vogelgrippe-Viren hervorgeht. Es könne auch aus einer Mutation herkömmlicher Grippe-Viren entstehen. "Wenn sich aber Viren zu einem gefährlicheren Erreger vermischen, ist es egal, ob dies in Asien oder in Europa geschieht", sagt Fleckenstein. "Das neue Virus hätte sich in wenigen Tagen weltweit verbreitet."

Auch für Reisende gilt Entwarnung: Touristen, die im Nordwesten der Türkei waren, könnten sich nur angesteckt haben, wenn sie direkten Kontakt zu infizierten Vögeln gehabt hätten, sagt die Sprecherin des Hamburger Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin, Barbara Ebert. Auch das Robert-Koch-Insitut warnt vor einer Panik in Deutschland. "Das Risiko, dass sich ein Mensch infiziert, ist extrem gering", sagt Sprecherin Susanne Glasmacher. In Asien habe es binnen zwei Jahren trotz Millionen infizierter Tiere nur etwa 120 Erkrankungsfälle bei Menschen gegeben. "Und bisher haben sich fast nur Menschen angesteckt, die täglich engen Kontakt mit Geflügel haben."

Wenn überhaupt seien nicht Touristen, sondern Geflügelzüchter in betroffenen Gebieten gefährdet. Zudem werde der Erreger bislang nicht von Mensch zu Mensch übertragen. Wer sicher gehen will, soll der Empfehlung des Bernhard-Nocht-Instituts zufolge vor allem bei Reisen in betroffene Länder jeden Kontakt mit Geflügel oder Geflügelkot vermeiden. Wenn Geflügel zubereitet wird, sollte es gut gegart werden. "Dadurch wird das Virus zerstört", sagt Barbara Ebert.

Hobby-Ornithologen und Naturliebhaber müssen sich auch keine Quarantäne verordnen. Ein Spaziergang in Vogelschutzgebieten sei völlig ungefährlich. Selbst wenn dort Tiere infiziert seien, gebe es quasi keine Ansteckungsgefahr, sagt Ebert. Dafür sei die für eine Übertragung nötige Virendosis viel zu hoch.

Der Kauf des Grippemittels Tamiflu sei als Vorsichtsmaßnahme gegen Vogelgrippe nicht erforderlich. Das von Roche hergestellte Medikament hindert Viren an der Vermehrung und hilft gegen Grippe. "Allerdings ist es ethisch fragwürdig, wenn Pharmafirmen eine Verknappung suggerieren, um die Preise zu erhöhen", sagt Fleckenstein (siehe Text unten). Zuletzt wurde berichtet, dass zu wenig Medikamente verfügbar wären. Auch eine Impfung gegen die Grippe schützt nicht vor Vogelgrippe. Impfen sollten sich nur Menschen über 60, sowie Angehörige medizinischer oder pflegender Berufe.

Das Risiko, dass sich Vogelgrippeviren in Mensch oder Tier mit menschlichen Grippeviren zu einem neuen, gefährlicheren Erreger mischen, bestehe schon seit vielen Jahren. Es steige allerdings, wenn Vögel massenweise erkranken.

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