Vogelgrippe:Rotz an der Oberfläche

Trotz Millionen infizierter Vögel haben sich weltweit nur 184 Menschen mit dem H5N1-Virus angesteckt. Warum das Virus bisher nicht von Mensch zu Mensch springt, das könnten Forscher gerade herausgefunden haben.

Werner Bartens

Mit 60 Millionen Euro fördert die Bundesregierung in den kommenden vier Jahren die Erforschung der Vogelgrippe und anderer Krankheiten, die von Tieren auf Menschen übertragen werden.

Vogelgrippe

Bisher sind Menschen weitgehend vom Vogelgrippe-Virus verschont geblieben.

(Foto: Foto: ddp)

"Es gibt noch erhebliche Wissenslücken auf dem Gebiet der Vogelgrippe", sagte Verbraucherschutzminister Horst Seehofer in Berlin. So wissen Forscher nicht genau, was passieren muss, damit die Vogelgrippe für Menschen gefährlich wird und das Risiko einer Pandemie steigt.

Denn trotz Millionen infizierter Vögel haben sich bisher weltweit nur 184 Menschen angesteckt, 103 sind - nach engem Kontakt zu Vögeln - an der Tierseuche gestorben.

Die Übertragung von Mensch zu Mensch gilt nach derzeitigem Kenntnisstand als ausgeschlossen, so lange das Virus so bleibt, wie es ist. Warum Menschen bisher weitgehend von H5N1 verschont bleiben, könnten Forscher gerade herausgefunden haben. In den aktuellen Ausgaben der Fachmagazine Nature und Science weisen gleich mehrere Arbeitsgruppen nach, dass sich die Rezeptoren für das H5N1-Virus hauptsächlich in den kleinsten Lungenbläschen befinden.

Husten und Schnupfen: zum Glück eine oberflächliche Angelegenheit

Nur dort, in den Tiefen der Lunge, finden die Viren offenbar Andockstellen. Nur dort können sie demnach in die Zellen eindringen und die gefährliche Infektion hervorrufen. Zum Glück für die Menschen sind Husten und Schnupfen aber eine ziemlich oberflächliche Angelegenheit.

Dabei werden zumeist nur Rotz und Mikroben aus den oberen Atemwegen in die Umgebungsluft geschleudert - aus Nase, Mundhöhle, Rachen und allenfalls noch den großen Bronchien. Da offenbar nur tiefere Atemwege empfindlich auf die Viren reagieren, ist die Gefahr der Ansteckung durch Tröpfcheninfektion ziemlich gering.

"Damit die Viren effizient durch Niesen oder Husten übertragen werden, müssen sie sich in den oberen Atemwegen vermehren", sagt Yoshihiro Kawaoka von der Universität Wisconsin. "Dort gibt es aber kaum Rezeptoren."

Kawaokas Arbeitsgruppe hatte Gewebeproben aus verschiedenen Bereichen der Atemwege untersucht und mit Markierungsstoffen angefärbt. Dabei entdeckten die Virus-Experten, dass H5N1 beim Menschen nur auf einen Rezeptortyp tief in der Lunge anspricht, wenn es Zellen entert: Sind Sialinsäure und der Zucker Galactose in dem Rezeptormolekül auf bestimmte Weise miteinander verbunden, gelingt das Andockmanöver.

"Niemand weiß, ob sich das Virus zu einem pandemischen Stamm entwickelt"

Weicht die chemische Bindung des Rezeptors etwas davon ab, wie es in Rachen, Mund und Nase der Fall ist, hat H5N1 offenbar keine Chance, sich in die Zelle zu schmuggeln (Nature, Bd.440, S.435).

Zu diesen Daten passen die jüngsten Untersuchungen des Virologen Albert Osterhaus von der Erasmus-Universität Rotterdam. Sein Team fand heraus, dass sich H5N1 hauptsächlich an tief sitzende Lungenzellen wie die Typ-II-Pneumozyten heftet. Vorlieben für ähnliche Atemwegszellen zeigte das Virus bei Katzen und Frettchen (Science online).

"Dies zeigt, dass diese beiden Tiere geeignete Modelle für eine menschliche Infektion mit H5N1 sind", schreiben die Forscher. Die neuen Studien könnten Anlass dafür sein, die Gefahr einer weltweiten Grippewelle durch H5N1 geringer einzustufen. "Niemand weiß zwar, ob sich das Virus zu einem pandemischen Stamm entwickelt", sagt Yoshihiro Kawaoka. "Damit es auch die oberen Atemwege befällt, sind aber noch mehrere Mutationen notwendig."

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