Vögel und ihre Eier:Die Vermessung des Vogeleis

LMU Vogelklinik bei Professor Rüdiger Korbel, Vogel und Reptilieneier

Vogel- und Reptilieneier in einem Bild. Zum Größenvergleich: Ein Überraschungsei darunter.

(Foto: Florian Peljak)
  • Die Form der Eier einer Vogelart hänge von den Flugkünsten der Federtiere ab, heißt es in einem Fachartikel im Journal Science.
  • Forscher haben 49 175 Eier - gelegt von 1400 Vogelarten - akribisch vermessen.
  • Vermutlich steht hinter den Unterschieden eine evolutionäre Anpassung der Tiere.

Von Hanno Charisius

Es ist ein Märchen, dass ein Ei dem anderen gleicht. Es stimmt nicht einmal für das Gelege von Vögeln einer Art. Und noch viel weniger für die Eier verschiedener Spezies. Manche sind fast kugelrund, andere erinnern an Keile. Viele Biologen haben sich bereits an Erklärungen für diese Unterschiede versucht. Jetzt kommt eine neue Theorie hinzu: Die Form der Eier einer Vogelart hänge von den Flugkünsten der Federtiere ab, heißt es in einem Fachartikel im Journal Science.

Auf diesen Zusammenhang stieß die Zoologin Mary Stoddard von der Princeton University, nachdem sie zusammen mit Kollegen die Form von 49 175 Eiern - gelegt von 1400 Vogelarten - akribisch vermessen hatte. Sie stieß dabei auf Eier, die elliptisch sind wie ein Zeppelin, etwa vom Hammerhuhn, auf das fast runde Gelege der Falkenkäuze oder die keilförmigen Eier der Wiesenstrandläufer.

Die Forscher sortierten die Formen nach ihrer Symmetrie und Elliptizität, fügten noch Informationen zur Lebensweise der Vögel, zum Flugverhalten und zum Lebensraum hinzu und ermittelten den Hand-Flügel-Index für jede Art, ein Wert, der sich aus Flügellänge und -breite ergibt und das Flugtalent der Tiere grob bemisst.

Aus der Zusammenschau all dieser Daten schließt Stoddard: "Vögel, die gute Flieger sind, legen eher asymmetrische Eier." Sie vermutet dahinter eine evolutionäre Anpassung. Langstreckenflieger haben einen schmaleren Körper als sesshafte Vögel und damit engere Becken. Eier, die von der Kugelform abweichen und sich zum Beispiel in die Länge dehnen, lassen bei geringerem Durchmesser dem Embryo noch immer genügend Platz, um sich zu entwickeln. Mit ihrer Hypothese widersprechen Stoddard und ihre Kollegen allen bisherigen Erklärungsversuchen. Mal galt der Nistplatz als der stärkste formgebende Faktor für das Gelege. Vögel die an absturzgefährdeten Stellen wie Steilklippen brüten, sollten demnach eher konische Eier legen.

"Pinguine sind eine klare Ausnahme"

Die rollen nämlich in einem engen Kreis, wenn sie in Bewegung geraten, und würden daher seltener abstürzen. Eine andere Theorie besagt, dass von der Eiform abhängt, wie gut sich das Gelege im Nest bebrüten lässt. Doch Stoddards Team konnte keine statistischen Zusammenhänge zwischen Eiform und Nistplatz oder anderen Umweltfaktoren finden, wohl aber zwischen Eiform und Flugeigenschaften. So legt zum Beispiel der Strauß fast kugelrunde Eier, die ebenfalls flugunfähigen Kiwis haben hingegen elliptische, aber sehr symmetrische Eier. Pinguine allerdings haben asymmetrische Eier, was der Hypothese Stoddards zu widersprechen scheint. "Pinguine sind eine klare Ausnahme", erklären die Forscher in ihrem Aufsatz. Sie geben jedoch zu bedenken, dass diese Vögel als hervorragende Schwimmer und Taucher auch einen sehr stromlinienförmigen Körper haben und damit doch wieder ins Schema passen.

Daneben entwickelten die Wissenschaftler eine Theorie über den biologischen Mechanismus, der in den weiblichen Vögeln zu unterschiedlichen Eiformen führt. Sie vermuten, dass nicht die Schale dem Ei die endgültige Form gibt, sondern die Häute darunter, die sich bei hart gekochten Hühnereiern manchmal partout nicht trennen wollen vom erstarrten Eiweiß. Löst man die Kalkschale eines Vogeleis auf, behält es dank dieser Häute dennoch seine für die Art charakteristische Form.

Asymmetrische Eier sind allerdings keine Erfindung der Vögel, die gab es bereits bei einigen Dinosauriern. Auch aus diesem Grund ist sich Verhaltensökologin Claire Spottiswoode von der University of Cambridge ziemlich sicher, dass dies "noch nicht das letzte Wort" zu der Frage ist, warum Vogeleier so unterschiedlich aussehen. Auch sie findet Stoddards Hypothese verlockend, doch hält sie die Eiformen eher für das evolutionäre Resultat von "ökologischen, biomechanischen und entwicklungsbiologischen Kompromissen".

Claire Spottiswoode fragt sich außerdem, welche evolutionären Vorteile runde Eier bieten. Eine leichtere Eiablage wäre immerhin für jede Vogelart ein Vorteil, nicht nur für die begnadeten Flieger. Vielleicht ist die flugangepasste, stark asymmetrische Form weniger stabil. Oder fällt es den Küken schwerer, diese Schalen zu durchbrechen? In jedem Fall werfe die neue Ei-Hypothese eine Menge spannender Fragen auf.

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