Verschmutztes Trinkwasser:Psychopharmaka in der Leitung

In vielen amerikanischen Städten schwimmen Medikamente im Trinkwasser, vor allem Schmerzmittel, Hormon-Rückstände und Psychopharmaka. Aber auch in Deutschlands Gewässern wurden bereits etliche Arzneimittel aufgespürt.

Hanno Charisius

Das Trinkwasser von mindestens 41Millionen Amerikanern ist mit Arzneimittelrückständen belastet. Die Nachrichtenagentur AP hat Daten über die Wasserqualität in Ballungszentren der USA untersucht und in 28 Gebieten Reste von Pharmazeutika gefunden.

Verschmutztes Trinkwasser: Aus dem Hahn  kommt Wasser - und der eine oder andere Arzneimittelrückstand.

Aus dem Hahn kommt Wasser - und der eine oder andere Arzneimittelrückstand.

(Foto: Foto: AP)

In Philadelphia spürten Analysen 63 Substanzen auf, in New York City waren es 16, in fünf weiteren Regionen wurden jeweils Spuren von zehn oder mehr Wirkstoffen nachgewiesen.

Am häufigsten tauchen Schmerzmittel, Hormon-Rückstände der Anti-Baby-Pille und Psychopharmaka auf, aber auch Antibiotika und Herzmedikamente wurden gefunden. Im April soll es dazu eine Senatsanhörung geben. Nur in drei der untersuchten Regionen wurden keine Rückstände entdeckt.

Das Problem beschränkt sich nicht allein auf die USA. Mehr als einhundert Pharmawirkstoffe sind bislang weltweit in Seen, Flüssen und Trinkwasserreservoirs gefunden worden.

30 Arzneimittel in deutschen Gewässern

Auch in Deutschland schwimmen fünf Wirkstoffe regelmäßig im Trinkwasser, sagt Hermann Dieter vom Umweltbundesamt. Am häufigsten tauchen die Schmerzmittel Ibuprofen und Diclofenac auf. In Seen und Flüssen wurden in Deutschland bereits gut 30 Arzneimittel aufgespürt.

"Hätten wir empfindlichere Methoden, würden wir sicherlich noch mehr finden", sagt Dieter. Alle gemessenen Konzentrationen hätten bislang aber deutlich unter den festgelegten Grenzwerten gelegen, sodass keine Gefährdung für Menschen zu erwarten sei. Welche Folgen Kombinationen verschiedener Wirkstoff-Rückstände auf Menschen haben, ist bislang jedoch kaum untersucht.

Unstrittig ist, dass der Chemie-Cocktail im Wasser katastrophale Folgen für die Umwelt hat. Fische mit Missbildungen, Nierenschäden oder einem geschwächten Immunsystem sind keine Seltenheit in medikamentenverseuchten Gewässern.

"Es muss alles getan werden, um die Belastung so niedrig wie möglich zu halten", fordert der Trinkwassertoxikologe. Es müssten Medikamente entwickelt werden, die vom Körper vollständig verwertet und nicht ausgeschieden werden.

Außerdem seien bessere Kläranlagen nötig, um die Reste aus dem Abwasser zu filtern. Doch "absolute Reinheit", das müsse der Gesellschaft klar sein, "gibt es nicht", sagt Dieter. Kranke könnten schließlich kaum damit aufhören, Medikamente einzunehmen.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: