Verkehr:Die E-Mobilität der Zukunft

Verkehr: Konzept "Ionic Flow" des Designers Sebastian Bekmann

Konzept "Ionic Flow" des Designers Sebastian Bekmann

Die Räder werden sicher dran bleiben, doch ansonsten wird sich bei den Elektroautos von morgen fast alles ändern. Vor allem könnten sie anders aussehen - vielleicht ein bisschen wie Raumschiffe.

Von Christian Endt

Wer weiß, vielleicht würden schon längst nur noch Elektroautos auf den Straßen fahren, wäre nicht der Erste Weltkrieg dazwischen gekommen. Bereits im Jahr 1900 hatte nämlich der berühmte Automobilkonstrukteur Ferdinand Porsche, damals tätig im Auftrag der k.u.k. Hofwagen-Fabrik Jacob Lohner & Co aus Wien, den sogenannten Lohner-Porsche auf der Weltausstellung in Paris vorgestellt: ein Elektroauto mit Holzkarosserie, je einem Nabenmotor in den beiden Vorderrädern und einem 400 Kilogramm schweren Bleiakku. Das Auto erreichte eine Spitzengeschwindigkeit von 50 Stundenkilometern und kam mit einer Batterieladung 50 Kilometer weit. Den großen Vorteil brachte Ludwig Lohner damals auf den Punkt: von den "in großer Anzahl auftretenden Benzinmotoren" werde die Luft "erbarmungslos verdorben".

Doch dann trug tatsächlich der Kriegsausbruch mit dazu bei, dass sich das Elektroauto damals nicht durchsetzte. Der Grund: An der Front lässt sich Benzin-Nachschub deutlich leichter beschaffen als Strom zum Aufladen von Batterien. Der Verbrennungsmotor ist die bessere Kriegsmaschine.

Eine chemische Tatsache spricht für Erdöl - die unschlagbar hohe Energiedichte

Hundert Jahre später hat sich die Lage gewaltig geändert: Eine Million Elektroautos möchte die Bundesregierung bis 2020 auf die Straße bringen, bis 2030 sollen es sogar sechs Millionen werden, Volvo will bald nur noch Hybrid- und E-Autos bauen, Paris und Madrid wollen herkömmliche Benzin- und Dieselfahrzeuge bald ganz aus den Städten verbannen. Auch wenn Angela Merkel sagt, der Verbrennungsmotor werde als Übergangstechnologie noch lange gebraucht - sein Ende ist längst beschlossene Sache, die elektrische Mobilität kaum noch aufzuhalten. Aber was bedeutet das? Wie verändern sich das Fahren, die Autos und das Straßenbild, wenn die Hersteller künftig statt Kolben und Einspritzpumpen ein paar Magneten und Drähte verbauen? Ein Blick in die Labore, in denen die Mobilität der Zukunft erfunden wird, gibt Auskunft.

"Technologisch gibt es beim Elektroauto nicht mehr viele Probleme", sagt Stephan Rohr, der an der Technischen Universität München die Forschungsgruppe Komponenten von Elektrofahrzeugen leitet. "Da hat sich in den vergangenen zwei bis drei Jahren extrem viel getan." Jetzt geht es vor allem um Details, mit denen sich jeweils noch ein paar Prozent Effizienzsteigerung rausholen lassen, etwa bei der Leistungselektronik.

Wenn es um diese wenigen Prozente geht, lohnt sich ein Blick in den Rennsport. Um im Wettkampf zu bestehen, müssen die Ingenieure das Maximum aus ihren Fahrzeugen herausholen. Deshalb entwickeln und probieren sie häufig Dinge aus, die sich später auch in den Serienfahrzeugen wiederfinden. Im Jahr 2014 hat der Welt-Automobilverband Fia die Formel E gegründet, eine Rennserie mit elektrisch angetriebenen Rennwagen. Weil die leise und abgasfrei unterwegs sind, finden die Rennen auf Innenstadtkursen statt. In der kommenden Saison stehen unter anderem Hongkong, Marrakesch, Rom und New York auf dem Plan.

Bisher leidet die Formel E unter dem selben Problem wie die Elektromobilität an sich: Der Akku hält nicht lange genug durch. Weshalb bei den einstündigen Rennen ein Boxenstopp eingelegt wird, bei dem die Fahrer auf ein zweites Auto mit aufgeladener Batterie wechseln. Ab der Saison 2018/2019 will die Fia diesen Fahrzeugwechsel streichen. Dann müssen die Rennfahrer das ganze Rennen mit einer Akkuladung durchhalten.

Forscher haben einige Ideen, wie sich aus den dominierenden Lithium-Ionen-Akkus mehr Kapazität herausholen lässt. In ihren Laboren suchen sie nach den richtigen Materialien für die Kathode (die besten Chancen hat zurzeit eine Kombination aus Nickel, Magnesium und Kobalt); sie arbeiten an einer idealen Anordnung und Verschaltung der einzelnen Akku-Blöcke und entwickeln Ladeverfahren, mit denen sich die Batterien schnell aufladen lassen ohne zu überhitzen. Außerdem gibt es noch ein paar Kandidaten, mit denen die Lithium-Ionen-Technologie vielleicht irgendwann abgelöst werden könnte: Lithium-Sulfur und Lithium-Luft heißen die aktuellen Favoriten - beide haben aber ihre eigenen technischen Probleme, so dass nicht klar ist, ob sie tatsächlich in der Autoindustrie zum Einsatz kommen werden.

Der Elektromotor ist technisch wesentlich einfacher als ein Verbrennungsmotor. Zehnjährige können ihn mit einem Elektrobaukasten aus dem Spielwarengeschäft in wenigen Stunden zusammenbauen: Ein Magnet, eine Spule, ein paar Drähte, viel mehr braucht es nicht. Den ersten praxistauglichen Elektromotor baute der Potsdamer Ingenieur Moritz Hermann von Jacobi schon 1834. Ein Verbrennungsmotor samt Getriebe ist mit seinen vielen mechanischen Bauteilen rein technisch die anspruchsvollere Maschine.

E-Autos ermöglichen radikal neue Designs

Allerdings spricht eine einfache chemische Tatsache dennoch für Erdöl: die nahezu unschlagbar hohe Energiedichte. Ein Kilogramm Benzin liefert etwa zwölf Kilowattstunden Energie. Die zu Zeiten des Lohner-Porsche üblichen Bleiakkus waren davon meilenweit entfernt. Selbst aktuelle Lithium-Ionen-Akkus kommen kaum auf ein Fünfzigstel davon.

Immerhin: Mit dieser in unfassbar schweren Batterien gespeicherten Energie weiß der Elektromotor effizient umzugehen. Sein Wirkungsgrad liegt bei fantastischen achtzig bis neunzig Prozent. Benziner schaffen nur dreißig, Dieselmotoren höchstens vierzig Prozent.

Der Strom muss, bevor er in die Autobatterie geladen werden kann, natürlich erst einmal erzeugt werden. Kohle- und Gaskraftwerke arbeiten ähnlich ineffizient wie Verbrennungsmotoren, so dass der Vorteil insgesamt betrachtet wieder verloren geht. Dem Auto kann das aber egal sein, der Strom ist ja schon da, und damit muss nun sparsam gewirtschaftet werden, damit das Ding auch nach der übernächsten Kurve noch rollt.

Das Getriebe fällt weg, die Abgasanlage, der Tank, die Bremsen

Ingenieure wie Stefan Rohr versuchen nun, das Zusammenspiel zwischen Fahrzeug und Batterie zu optimieren. Das ist gar nicht so einfach, denn die Akkus führen ein unstetes Leben. Anders als etwa ein Smartphone-Akku, der in schöner Regelmäßigkeit tagsüber entladen und nachts wieder aufgefüllt wird, nutzt ein Elektro-Auto auch währen der Fahrt die Bremsenergie zum ständigen Wiederaufladen. Zudem nimmt die Kapazität einer Batterie mit jedem Ladezyklus leicht ab. Irgendwann ist sie so weit gesunken, dass die Batterie ausgetauscht werden muss. Rohr entwickelt deshalb ein System, mit dem sich der Zustand einer Batterie über die Lebensdauer verfolgen lässt - die Batterie erhält eine Art Gedächtnis. Auf dieser Grundlage können die Hersteller ihre Batterien für das anstrengende Leben im Inneren eines Autos optimieren.

Verkehr: Entwurf von Benjamin Wiedling

Entwurf von Benjamin Wiedling

Während Ingenieure und Techniker nur noch die allerletzten Schräubchen anziehen, um den Autos von morgen zur technischen Perfektion zu verhelfen, beginnt in den Studios der Designer gerade erst eine ganz neue Zeit. "Wir haben ein leeres Blatt Papier vor uns liegen", sagt Othmar Wickenheiser, Professor für Fahrzeugdesign an der Hochschule München. Für die Formgebung der Fahrzeuge eröffne der Umstieg auf Elektroantriebe ganz neue Möglichkeiten. Es fallen nämlich eine Menge Einschränkungen weg, die bisher von Benzin- und Dieselmotoren auferlegt waren. "Es fällt das Getriebe weg, die Abgasanlage, der Tank, die Bremsen", zählt Wickenheiser auf. Alles Teile, die in Autos bislang Platz einnehmen und Wege versperren. Daher habe sich "seit der Nachkriegszeit kaum etwas verändert".

Das mag etwas übertrieben sein, aber tatsächlich sind die grundlegenden Formen seit Jahrzehnten gleich. Und es gibt wenig Gründe, warum das so bleiben muss. Das einzige, was im Elektroauto außer Fahrer und Passagieren wirklich Platz beansprucht, ist die Batterie. Die liegt bei den meisten aktuellen Modellen flach auf dem Boden. Das bringt wegen des niedrigen Schwerpunkts Vorteile, aber zwingend ist es nicht. Elektromotoren sind klein und lassen sich, wie schon beim Lohner-Porsche vor 117 Jahren, in die Räder integrieren. Wickenheiser sagt, dass die Elektroautos in einigen Jahren den Verbrennern von heute etwa so ähnlich sehen werden wie das erste Telefon einem Smartphone.

Bisher würden sich die neuen Möglichkeiten in den Modellen der großen Hersteller allerdings noch nicht zeigen. "Es fehlt der Mut und das wirtschaftliche Risiko ist zu groß, um neue Wege zu gehen", sagt Wickenheiser. Tatsächlich sehen die auf dem Markt befindlichen E-Modelle ihren benzingetriebenen Vorgängern ziemlich ähnlich. Beim BMW i3 etwa haben sich die Ingenieure immerhin getraut, die B-Säule zwischen Vorder- und Hintertüren wegzulassen und den Mittelsteg zwischen den beiden vorderen Sitzen abzusenken.

Mit seinen Studenten hat der Professor daher in den vergangenen Monaten neue Fahrzeugdesigns entworfen. Dabei ging es nicht um das nächste oder übernächste Serienmodell. Stattdessen entstanden an der Hochschule überraschende, extravagante Entwürfe. "Wir wollten zeigen, was maximal möglich ist."

Aussehen könnten die Autos der Zukunft also ganz anders als heute. Klingen werden sie ohnehin anders, viel leiser werden sie vor allem sein. Und auch anfühlen wird sich das Fahren in einem Elektroauto ganz anders. Der Motor spricht schneller an und anders als ein Auto mit Verbrennungsmotor kommt ein Elektro-Fahrzeug prinzipiell ohne herkömmliche Bremsen aus. Diese funktionieren so, dass Bremsbacken gegen Scheiben an den sich drehenden Rädern gedrückt werden. So entsteht Reibung, und die Rotationsenergie wird in Wärme umgesetzt. Dieser Mechanismus bringt das Auto zwar zum Stehen, verschleudert aber auch eine Menge Energie.

Elektrofahrzeuge bremsen intelligenter. Jeder Elektromotor kann elektrische Energie in Bewegung umwandeln, umgekehrt beim Bremsen aber auch Energie generieren und seine Batterie wieder aufladen. Zwar werden bei aktuellen Elektroautos weiterhin zusätzlich herkömmliche Bremsen verbaut. Sie haben Vorteile in Notsituationen und im Zusammenspiel mit Sicherheitssystemen wie ABS und ESP. Aber wirklich nötig sind sie nicht mehr.

Darum könnten Elektrofahrzeuge in Zukunft theoretisch mit einem einzigen Pedal fahren. Die Kupplung fällt mangels Schaltgetriebe ohnehin weg. Und in den meisten Fällen wird es genügen, den Druck vom Gaspedal zu nehmen, damit der Motor auf Generatorbetrieb umstellt und dadurch abbremst.

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