Verhütungskampagne der Gates-Stiftung:"Attacke auf die Moral"

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Melinda Gates, die Frau des Microsoft-Gründers, legt sich mit dem Papst an: Die Gates-Stiftung startet ein milliardenschweres Programm, das Frauen in armen Gegenden Zugang zu Verhütungsmitteln verschaffen soll.

Christina Berndt

Als junges Mädchen ging Melinda Gates auf eine Nonnenschule. Bis heute bezeichnet sie sich als tiefgläubige Katholikin, der Luxus nichts bedeutet, soziales Engagement aber umso mehr.

Melinda Gates im Senegal. Mit ihrer Stiftung wollen sie und ihr Mann Frauen in armen Gegenden der Welt helfen, an Verhütungsmittel zu kommen. In bestimmten Kreisen löst das heftige Kritik aus. (Foto: Bill & Melinda Gates Foundation)

Für ihre soziale Überzeugung legt sich die Frau des Microsoft-Gründers Bill Gates nun sogar mit dem Papst an. Denn auf dem weltweiten Familienplanungsgipfel, der am Mittwoch in London eröffnet wird, verabschiedet die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung ein milliardenschweres Programm, das Frauen in armen Gegenden der Welt mithilfe des UN-Bevölkerungsprogramms Zugang zu Verhütungsmitteln verschaffen soll.

7.057.608 000 Menschen werden der Statistik zufolge am 11. Juli, dem Weltbevölkerungstag, auf der Erde leben. Allein in Afrika werde sich die Zahl der Menschen in diesem Jahrhundert auf 3,5 Milliarden verdreifachen, sagte Ute Stallmeister, Sprecherin der Stiftung Weltbevölkerung, voraus. Das liege zum Großteil an der Zahl der ungewollten Geburten. Stallmeister begrüßte daher die Initiative der Gates-Stiftung, die gemeinsam mit der britischen Regierung den Fortpflanzungsgipfel organisiert.

Doch Gates bekommt auch Gegenwind zu spüren. In katholischen Internet-Blogs wird die 47-Jährige gebrandmarkt. Die Einstellung der katholischen Kirche zum Thema Verhütung sei mehr als eindeutig, heißt es etwa auf LifeSiteNews.com. Dort wird Gates der wahre Glaube abgesprochen, ihre Pläne seien eine "himmelschreiende Attacke auf die katholische Sexualmoral".

Kurz vor dem Startschuss für ihre Initiative hat sich Melinda Gates nun noch einmal verteidigt. Im Interview mit dem US-Sender CNN sagte sie mit Blick auf die katholische Kirche: "Wir werden uns nicht in allem einig sein, aber das ist okay." Ihr Ziel, 120 Millionen Frauen weltweit bis zum Jahr 2020 über Empfängnisverhütung aufzuklären und mit Kontrazeptiva zu versorgen, sei ungebrochen. Im Focus ihrer Arbeit stünden urbane Gebiete in Asien und dem südlichen Afrika, wo es eine hohe Mütter- und Kindersterblichkeit gebe. "100.000 Frauen sterben jedes Jahr bei der Geburt von Kindern, die sie gar nicht kriegen wollten", sagte Gates.

Dass Verhütungsmittel in diesen Gegenden oft nicht zu bekommen seien und sich internationale Programme aus Scheu vor Konflikten von dem Thema abgewendet hätten, bezeichnete Gates als "ein Verbrechen".

Sie handle aus einem tiefen Gerechtigkeitsgefühl heraus, das sie von ihren Lehrerinnen, den Nonnen, gelernt habe, sagte Gates der Zeitschrift Newsweek. Somit stehe ihre Arbeit durchaus für einen wichtigen Bereich des Glaubens. "Es war schwierig, sich gegen die Lehre der Kirche zu entscheiden. Aber es war moralisch nötig", so Gates. Von den Ursulinerinnen habe sie jedenfalls einen aufmunternden Anruf erhalten: Sie stünden hinter ihr.

Die studierte Informatikerin und Ökonomin verweist auf eine Langzeitstudie aus Bangladesch. "In einer Gemeinschaft, die Zugang zu Verhütungsmitteln hatte, entschieden sich die Frauen dafür, sie zu nutzen; die Familien lebten in größerem Wohlstand und weniger Frauen starben während der Geburt als in der Vergleichskommune ohne Zugang zu Kontrazeptiva", sagte Gates. "Die kleinen Dinge, die man der Familie geben kann, führen also zu großen ökonomischen Veränderungen."

Vier Milliarden Dollar plant Gates für ihr Vorhaben ein. "Die Kampagne wird begingen", versicherte sie. "Ich arbeite in der Stiftung an vielen Dingen mit. Aber dieses spricht wirklich mein Herz und meinen Verstand an." Es werde ihr Lebenswerk - und sie hoffe, dass es das ist, wofür man sich einmal an sie erinnert.

© SZ vom 07.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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