Verhaltensbiologie:Survival of the oldest

Die ersten zehn Jahre im Wald sind gefährlich. Doch in der zweiten Lebenshälfte wird kaum noch eine Hirschkuh vom Jäger erwischt. Biologen haben ergründet, warum das so ist.

Von Christian Weber

So nach neun bis zehn Jahren haben es zumindest die Hirschkühe in den kanadischen Provinzen Alberta und British Columbia geschafft: Sie haben beste Aussichten, ihre natürliche Lebenserwartung zu erreichen - also zehn weitere Jahre durch den Wald zu spazieren, Rinde von jungen Bäumen abzuziehen und den Männchen bei ihren Brunftkämpfen zuzusehen. Der Grund: In diesem Alter sind sie so gewitzt und vorsichtig, dass sie "nahezu unsichtbar für menschliche Jäger" geworden sind. So formulieren es die Autoren einer neuen Studie im Fachmagazin Plos One.

Das Team um den Wildbiologen Henrik Thurfjell von der University of Alberta in Edmonton wollte nun herausfinden, wieso die weiblichen Hirsche mittleren Alters dieses Verhalten zeigen. Schließlich gebe es zwei Möglichkeiten: Zum einen könnte es sein, dass einfach über das erste Lebensjahrzehnt ausgesiebt wird, weil die leichtfertigen oder übermäßig mutigen Kühe eher von Jägern erschossen werden und die von Geburt an vorsichtigen Tiere eher übrig bleiben. Oder ist es so, dass die überlebenden Tiere im Lauf der Jahre aus den Fehlern ihrer Artgenossen gelernt haben und besser wissen, wie man im Wald überlebt? Ob Persönlichkeit oder Erfahrung das Verhalten bestimmt, ist eine interessante Fragestellung bei vielen Tierarten.

Die Forscher wollen mit ihrer Studie die zweite Hypothese belegt haben. Sie statteteten 49 weibliche Hirsche im Alter von ein bis 18 Jahren mit GPS-Halsbändern aus und verfolgten ihre Wege über zwei bis vier Jahre. Dabei zeigte sich, dass die Tiere mit wachsender Lebenserfahrung ihr Verhalten änderten. Die älteren Kühe verkleinerten unter anderem ihren Bewegungsradius und hielten sich eher in rauem Gelände sowie im Wald auf, sie mieden die Nähe von Straßen. So verringerten sie das Risiko, Jägern zu begegnen. Leider berichten die Forscher nicht, ob auch Hirschmännchen lernen können. Sie wurden von der Studie ausgeschlossen, weil sie aufgrund einer deutlich stärkeren Bejagung ohnehin geringere Chancen hätten, altersweise zu werden.

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