Verhaltensbiologie:Obsession for Cats

PR-Gag oder Wissenschaft? Wenn es um das richtige Parfüm geht, dann wissen auch Geparden und Jaguare angeblich genau, was sie wollen: Umweltschützer setzen auf eine bekannte Marke, um scheue Raubkatzen vor die Kamera zu bekommen.

Ist es eine neue Marketingstrategie von Calvin Klein? Ist es ein PR-Gag der amerikanischen Wildlife Conservation Society (WCS)?

Raubkatzen mögen Parfüm

Ein Jaguar, den Wissenschaftler im Schutzgebiet Maya Biosphere Reserve in Guatemala mit "Obsession for Men" angelockt haben.

(Foto: Wildlife Conservation Society Guatemala)

Oder handelt es sich tatsächlich um eine wissenschaftlich fundierte Methode, um Wildtiere zu beobachten?

Auf jeden Fall ist es der Umweltschutzorganisation gelungen, Aufsehen zu erregen mit der Meldung, dass Raubkatzen auf das Parfüm "Obsession for Men" der Marke CK stehen. Wie die WCS berichtet, wenden ihre Mitarbeiter das Parfüm mit großem Erfolg an, um Großkatzen wie Geparden, Pumas oder Jaguare in ihre Kamera-Fallen zu locken mit dem Ziel, den Bestand der Wildtiere in Schutzgebieten zu überwachen.

Intensiv getestet haben den Trick Wissenschaftler im Bronx Zoo, einem von fünf Zoos und Aquarien, die die WCS in New York City betreibt. Bereits zuvor hatten sie Duftstoffe in Raubtiergehegen eingesetzt, um die Neugier der Tiere zu wecken. Doch 2003 wollte es Zoodirektor Pat Thomas genauer wissen. Er ließ Bäume und Steine im Gehege der zwei Geparden mit 24 verschiedenen Duftstoffen markieren.

Dabei stellten die Biologen fest, dass die Tiere auf das Produkt des amerikanischen Modedesigners besonders stark mit Schnüffeln, Betasten und Reiben am markierten Gegenstand reagierten. Im Durchschnitt, berichtet der Informationsdienst PhysOrg.com, interessierten sich die Raubkatzen 11,1 Minuten für den Geruch. "Charlie" von Revlon brachte es nur auf 15,5 Sekunden und "Beautiful" von Estée Lauder auf lediglich zwei Sekunden.

Experimente in den Gehegen der Tiger, Schneeleoparden, Pumas und anderer Raubkatzen bestätigten die Versuche, berichtet die WCS.

Und Naturschützer der Organisation haben die Methode inzwischen mit Erfolg angewendet, um in Schutzgebieten wie dem Maya Biosphere Reserve in Guatemala oder in der südafrikanischen Provinz Limpopo vom Aussterben bedrohte Raubkatzen zu fotografieren.

Insbesondere Jaguare sprechen angeblich auf das Parfüm an. Diese Tiere seien extrem scheu, erklärte Roan Balas McNab von WCS Guatemala. "WCS-Forscher haben sich seit Jahren darum bemüht, effektive Methoden zu finden, um die Zahl der Tiere im Wald um die Maja-Tempel zu bestimmen. Dank der Tatsache, dass Jaguare 'Obsession for Men' lieben, bekommen sie genauere Schätzungen der Population." Die Zahl der Katzen, die sie fotografieren konnten, ist seit dem Einsatz des Parfüms dreimal größer als zuvor.

Die Fotos der Raubkatzen zeigen, wie sich die Tiere um die Geruchsquelle herum aufhalten und immer wieder daran riechen. Anhand der unterschiedlichen Fellmuster der Tiere auf den Fotos können die Naturschützer sie auseinanderhalten.

Ein Jaguarpärchen ließ sich sogar bei der Paarung ablichten - ein Ereignis, bei dem sich die Tiere von Wissenschaftlern bisher nur extrem selten beobachten ließen.

Die Wissenschaftler wollen das Parfüm nun auch einsetzen, um die Jaguarpopulationen in Bolivien, Ecuador, Peru, Nicaragua und Venezuela zu untersuchen.

Auch Tiere, die nicht zu den Raubkatzen gehören, lassen sich offenbar von dem Parfüm anlocken - etwa Tapire und Pekaris. "Für die Mehrheit der Tiere - und Menschen - ist etwas Einzigartiges sehr anregend", erklärt Thomas. Und der Geruch eines künstlichen Parfüms scheint für die Tiere in der Wildnis offenbar in diese Kategorie zu gehören.

Wieso gerade Obsession?

Wieso ausgerechnet "Obsession für Men" ein so ausgezeichneter Lockstoff ist, wissen die Forscher nicht. Schließlich halten die Parfüm-Hersteller die Zusammensetzung ihrer Produkte geheim.

Raubkatzen mögen Parfüm

Die Raubkatzen halten sich lange genug vor den Kameras auf, um am Fellmuster identifiziert zu werden. So können die Forscher genauer bestimmen, wie groß die Populationen im Wildparks und Schutzgebieten sind.

(Foto: Wildlife Conservation Society Guatemala)

Duftdesignerin Ann Gottlieb, die das Parfüm mitentwickelt hat, erklärte laut PhysOrg.com, der Duft enthalte eine ganze Reihe von Bestandteilen, die für Tiere interessant sein könnten - insbesondere einen künstlichen Moschusgeruch.

Könnte das Parfüm nun auch von Wilderern eingesetzt werden, um ihre Beute vor die Flinte zu locken? Diese Sorge ließ Roan McNab zuerst zögern, die Beobachtung der Umweltschützer zu veröffentlichen. Der Duftstoff ist allerdings teuer und Parfümerien finden sich selten in der Nähe der Regenwälder. Wilderer werden in Zukunft weiterhin Tierkadaver als Lockmittel einsetzen, vermuten die Experten. Das aber ist den WCS-Mitarbeitern aus ethischen Gründen untersagt.

Für die Umweltschutzorganisation ist die Aufmerksamkeit, die Berichte über ihre Versuche erregen, sicher von Vorteil. Ob sich die Sache auch für Calvin Klein lohnt, ist dagegen fraglich. Besucher von Naturreservaten mit Großkatzen sollten vielleicht auf das Parfüm verzichten. Schließlich wollen sie die Raubtiere nur beobachten - und nicht selbst zum Gegenstand eines besonderen Interesses der gefährlichen Tiere werden.

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