Verhaltensbiologie:Killerwal als Muttersöhnchen

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Orca-Weibchen bleiben ein Leben lang mit ihrem Nachwuchs zusammen. Forscher vermuten, dass ihre Söhne selbst als Erwachsene noch auf elterliche Hilfe angewiesen sind.

Katrin Blawat

Der Lebenszyklus von Schwertwal-Weibchen war Biologen lange ein Rätsel. Warum sind die Meeressäuger nur etwa 40 Jahre lang fruchtbar - leben aber noch Jahrzehnte weiter? Schließlich können die Weibchen mehr als 90 Jahre alt werden. Die somit ein halbes Jahrhundert dauernde Menopause der Weibchen ist die längste im gesamten Tierreich. Vermutlich hilft sie, das Überleben der Söhne zu sichern.

Diesen Schluss ziehen Forscher um Emma Foster von der University of Exeter aus Daten, die eine Zeitspanne von 36 Jahren und zwei Schwertwal-Populationen im Nordpazifik mit insgesamt knapp 600 Tieren einschließen ( Science, Bd. 337, S. 1313, 2012). Die Forscher ermittelten für jedes Tier die Wahrscheinlichkeit, das jeweils folgende Lebensjahr noch zu erreichen. Ihre Methode ähnelte jener, die Anbieter von Lebensversicherungen verwenden, um die Prämien ihrer Kunden festzulegen.

Den Forschern zufolge stieg nach dem Tod eines alten Weibchens die Wahrscheinlichkeit, dass dessen ausgewachsene Söhne innerhalb des folgenden Jahres ebenfalls starben, um fast das 14-fache. Für Töchter im gleichen Alter hatte der Tod der Mutter weniger gravierende Folgen: Für sie stieg das Sterberisiko nur um gut das Fünffache.

Männliche wie weibliche Schwertwal-Nachkommen bleiben ein Leben lang mit ihrer Mutter zusammen. Dahinter steckt wahrscheinlich ein evolutionärer Nutzen, indem die Mutter die Überlebenschancen ihrer Söhne erhöht.

Die dadurch gestärkten Söhne zeugen ihrerseits mehr Nachwuchs. Damit gibt die Mutter einen Teil ihrer eigenen Gene weiter. Kümmern muss sie sich um die Kinder ihrer Söhne jedoch nicht, denn diese wachsen in einer fremden Gruppe mit der "Schwiegertochter" auf.

Bekommt hingegen eine der Töchter Nachwuchs, bleibt dieser in der eigenen Gruppe und muss von dem Muttertier mitversorgt werden.

Dieser Unterschied kann erklären, warum es sich für ein altes Weibchen aus evolutionsbiologischer Sicht eher lohnt, für das Überleben der Söhne zu sorgen: Es bringt der Mutter sozusagen einen Nutzen ohne zusätzliche Kosten.

Unklar ist noch, auf welche Weise die betagten Walweibchen die Überlebenschance ihrer Söhne steigern. Vermutlich tragen die Mütter zu einem erhöhten Jagderfolg bei oder bewahren ihre Nachkommen auf noch unbekannte Weise vor Gefahren.

© SZ vom 15.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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