Verhaltensbiologie:Immer auf die Starken

Sklavenhalter-Ameisen faulenzen in ihrem Bau und lassen sich von ihren Sklaven füttern. Aber einmal im Jahr suchen sie nach neuem Pesonal - und attackieren dann bevorzugt mächtige Rivalen.

Sebastian Herrmann

Dieses Insekt setzt Maßstäbe in Sachen Dekadenz. Ameisen der Art Protomognathus americanus faulenzen das ganze Jahr über in ihrem Bau und lassen sich von ihren Sklaven füttern. "Sonst machen die Tiere nichts", sagt der Biologe Sebastian Pohl von der LMU München.

Protomognathus americanus

Sklavenhalter-Ameisen leben in den Wäldern Nordamerikas. Die Insekten erreichen eine Größe von zwei bis drei Millimetern und leben in kleinen Gruppen. Eine Kolonie passt in eine hohle Eichel.

(Foto: Sebastian Pohl)

Nur einmal im Jahr gerät etwas Unruhe in die Kolonie. Dann machen sich die Tiere auf den Weg, um neues Personal zu rauben. Dabei überfallen Sklavenhalter-Ameisen bevorzugt große und starke Kolonien anderer verwandter Ameisen, in denen viele Verteidiger leben.

Handelt es sich dabei um eine Mutprobe verwöhnter Halbstarker? Nein, offenbar reduzieren die Ameisen auf diese Weise das Gesamtrisiko ihrer Raubzüge: Statt bei vielen Überfällen auf kleine Kolonien jeweils ein mittleres Risiko einzugehen, wagen die Tiere lieber wenige Raubzüge auf lohnende Ziele mit einem etwas höheren Einzelrisiko. Das berichtet Pohl im Fachmagazin Animal Behaviour (online).

Sklavenhalter-Ameisen leben in den Wäldern Nordamerikas, etwa im US-Bundesstaat New York, wo Pohl die Tiere studierte. Die Insekten erreichen eine Größe von zwei bis drei Millimetern und leben in kleinen Gruppen.

Eine Kolonie dieser Ameisen passt problemlos in eine hohle Eichel. Dort hausen eine Königin, bis zu fünf Sklavenhalter und 30 bis 60 Sklaven. Im späten Sommer verlassen die Ameisen den Bau und lassen Königin sowie Untergebene zurück. "Die Gruppe teilt sich auf und kundschaftet die Umgebung nach lohnenden Zielen für Überfälle aus", sagt der Biologe Pohl. Entdecken sie eine fremde Kolonie, spionieren sie diese aus und kehren zurück, um gegebenenfalls die anderen Mitglieder des Ameisen-Schlägertrupps zu holen.

Bei einem Überfall haben es die Ameisen auf den Nachwuchs der anderen Kolonie abgesehen. Sie drängen Verteidiger zurück, liefern sich teils heftige Kämpfe und verschleppen die Puppen der Gegner. Diese schlüpfen dann im Bau der Sklavenhalter-Ameisen und werden mit Duftstoffen manipuliert. "Dadurch verhalten sie sich wie Arbeiter der neuen Kolonie", sagt Pohl.

Mit anderen Worten: Die geraubten und manipulierten Ameisen verrichten die Drecksarbeit - Essen ranschaffen, die neuen Herren füttern und ansonsten stillhalten.

Dass die Ameisen bei ihren Raubzügen aber ein so hohes Risiko eingehen, erstaunte die Forscher um Pohl zunächst. Im Labor stellten sie fest, dass die Tiere gezielt Kolonien mit besonders vielen Mitgliedern und Verteidigern angreifen. Wahrscheinlich, weil dies ein Signal dafür ist, dass dort besonders reiche Beute zu erwarten ist.

So reduzieren die Tiere die Zahl der Überfälle und der nötigen Erkundungsexpeditionen, die ebenfalls mit einem Risiko verbunden sind. Die Gruppe der Sklavenhalter-Ameisen ist schließlich klein, und jeder Verlust wäre schmerzlich.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: