Verhaltensbiologie:Alle mal herschauen

Gesten sind im Tierreich ein sehr seltenes Verhalten, Forscher kennen es bislang nur von Menschenaffen. Doch auch Kolkraben gestikulieren, um Artgenossen auf sich aufmerksam zu machen.

Katrin Blawat

Ob sie wohl die Richtige ist? Für einen Kolkraben hängt viel von der Antwort ab, denn haben die Vögel erst einmal den passenden Partner gefunden, bleiben sie meist ein Leben lang zusammen. Um festzustellen, ob der Artgenosse ebenfalls an einer Partnerschaft interessiert ist, zeigen sich Kolkraben gegenseitig Objekte wie Moosstückchen, kleine Steine oder Zweige.

Raben

Ein männlicher Rabe nähert sich mit einem Gegenstand im Schnabel zwei Artgenossen. Auf diese Weise versuchen die Tiere offenbar, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

(Foto: Thomas Bugnyar)

Und dieses Verhalten macht sie nicht nur für künftige Lebenspartner interessant, sondern auch für Wissenschaftler.

Derartige Zeige-Gesten sind im Tierreich nämlich ein sehr seltenes Verhalten, das Forscher bislang nur von Menschenaffen kannten.

Nun berichten die Biologen Simone Pika vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen und Thomas Bugnyar von der Universität Wien erstmals, dass auch Kolkraben gestikulieren, um Artgenossen auf sich aufmerksam zu machen (Nature Communications, online).

Die Forscher beobachteten über zwei Jahre lang wildlebende Kolkraben in Österreich. Dabei bemerkten die Biologen immer wieder, dass männliche wie weibliche Vögel nicht essbare Gegenstände in den Schnabel nahmen, den Kopf in die Höhe reckten und einige Zeit in dieser Stellung verharrten.

Daraufhin näherte sich ein Artgenosse des anderen Geschlechts, und häufig spielten anschließend beide Vögel gemeinsam eine Weile mit dem Zweig oder Stein herum.

Indem ein Rabe Gegenstände präsentiert, will er testen, wie groß das Interesse eines möglichen Partners ist, vermuten Pika und Bugnyar. Interessiert sich etwa ein Weibchen nicht für das, was das Männchen im Schnabel hält, passen die zwei vielleicht nicht allzu gut zusammen.

Bereits in Bugnyars früheren Versuchen hatten Raben erstaunliche kognitive Leistungen erbracht. So fand er Hinweise, dass sich die Vögel ansatzweise in die Sichtweise von Artgenossen hineinversetzen können - eine Fähigkeit, die neben Menschenaffen nur wenige andere Tierarten beherrschen.

Auch Zeige-Gesten kannten Forscher bei wildlebenden Tieren bislang nur von Primaten. Das eindrucksvollste Beispiel liefern Schimpansen in Uganda, die auf jene Körperstellen deuten, an denen sie von Artgenossen gekrault werden möchten.

Menschen verwenden hinweisende Gesten, die als ein Entwicklungsschritt hin zur Sprache gelten, von einem Alter von etwa neun Monaten an.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: