Verbrennungen:Lebendige Pflaster für die Brandverletzten

Bei den Terror-Anschlägen in den USA haben einige Menschen schwerste Verbrennungen erlitten - was Ärzte für sie tun können.

Eva von Schaper

(SZ vom 21.09.2001) - Nur noch an den Kleidungsstücken konnte Hyacinth Demarry ihre Schwester Renee erkennen. "Ich konnte es kaum glauben, als ich sie am Mittwoch gesehen habe", sagte Hyacinth dem Sender NBC. Ihre Schwester ist eines der Opfer aus dem World Trade Center. Durch brennendes Kerosin aus den Terrorflugzeugen hat sie schwerste Verbrennungen erlitten. "Sie befand sich offenbar in einem Fahrstuhl im 80. Stock, als das Flugzeug in das Gebäude raste", sagt Hyacinth. Etwa in dieser Höhe traf die Maschine das Hochhaus.

Gute Chancen auf Heilung

Dennoch hat Renee im Vergleich mit anderen Brandopfern eher Glück gehabt: Verbrennungen dritten Grades erlitt die junge Frau auf einem Viertel ihres Körpers. Die meisten Opfer sind bis zu 90 Prozent verbrannt, Ärzte beschreiben ihren Zustand als extrem kritisch. Dennoch haben alle diese Patienten eine Chance, zu überleben, meint Hans Rudolph, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Plastische und Wiederherstellungschirurgie: "Die Aussichten sind heute unglaublich gut."

Vor 30 Jahren starben Menschen mit großflächigen Brandwunden binnen zwei bis drei Tagen. "Verbrennungen sind tödliche Verletzungen", so Rudolph. Sie müssen daher in einer Spezialklinik behandelt werden wie im Schwerstverbrannten-Zentrum des Weil-Cornell Hospitals in New York City, wo auch Renee Barrett liegt. "Eigentlich müssten ein Arzt und drei Krankenschwestern jeden einzelnen Patienten rund um die Uhr versorgen", sagt Rudolph. 22 solcher Opfer wurden am Dienstag in das Weil-Cornell Hospital eingeliefert, zwei sind bisher gestorben.

Schwierigste Behandlung

Brandopfer sind die mit am schwierigsten zu behandelnden Patienten. Sie leiden unter unsäglichen Schmerzen und drohen von innen zu vertrocknen, weil sie über ihre großen Wunden viel Flüssigkeit verlieren. Bis zu 20 Liter Eiweiß- und Elektrolytlösungen leiten Ärzte in ihre Venen. Bei Verbrennungen dritten Grades, wie sie die New Yorker Opfer erlitten, ist die verbrannte Haut tot, sodass Ärzte sie den narkotisierten Patienten abschrubben müssen. "Dann sind diese Schwerstkranken hochgradig gefährdet, weil sie überhaupt keinen eigenen Hautschutz mehr haben", sagt Hans Rudolph.

Keime vermeiden

Antibiotika-Infusionen oder -Bäder sollen die Patienten vor Infektionen schützen. Bakterien und andere Keime könnten sich sonst am Gewebe festsetzten und Entzündungen auslösen. Die Kranken liegen auf sterilem Schaumstoff oder in Luftstrombetten, um den Druck auf geschädigte Körperpartien möglichst gering zu halten. Erst nach Tagen oder Wochen werden die Hautstellen mit "lebendigen Pflastern" verschlossen. Dazu entnehmen Ärzte einige Quadratzentimeter verbliebener gesunder Haut, die durch Zellzüchtung solange vermehrt wird, bis genug neues Gewebe zur Transplantation gewonnen ist. Weil es sich quasi um eigene Haut handelt, ist die Gefahr einer Abstoßung gering.

Eine Chirurgenfaustregel besagt, dass die Prozentzahl verbrannter Haut mit den Tagen im Krankenhaus gleichzusetzen ist. "Doch die gesamte Genesungszeit von Renee und den anderen Opfern lässt sich nicht vorhersagen", sagt Rudolph. Sie hänge vom Alter und körperlichen Zustand des Patienten ab sowie von anderen Verletzungen. "Auch bei der besten Pflege wird eine vollständige Wiederherstellung aber in der Regel nicht möglich sein." Dennoch hat der Arzt Trost für die Opfer: "Ein einigermaßen normales Leben werden fast alle Brandopfer eines Tages wieder führen können."

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