Verbraucherschutz:Nicht frisch, nicht Fleisch

vegetarische Wurst

Die Schnitzel- und Wurst-Imitate unterscheiden sich äußerlich kaum vom Original.

(Foto: A. Plewinsk/Stiftung Warentest)

Die Stiftung Warentest hat nur sechs von 20 Fleischersatzprodukten positiv bewertet. Ein Problem waren Rückstände von Mineralöl.

Von Kathrin Zinkant

Die meisten Menschen mögen Fleisch. Trotzdem nehmen sich viele vor, kein Fleisch oder zumindest nicht mehr so viel davon zu essen. Dieser Widerspruch führt dazu, dass sie Lebensmittel kaufen, die so ähnlich wie Fleisch aussehen, aber kein Fleisch sind. Sondern gefärbter, gewürzter Ersatz aus Soja, Weizen oder anderem Pflanzeneiweiß. Ob solche Imitate eine sinnvolle Alternative zum englisch gebratenen Rumpsteak sind?

Das hat sich auch die Stiftung Warentest gefragt und 20 sogenannte Fleischersatzprodukte getestet, also vegetarische oder vegane Lebensmittel, die äußerlich an Frikadellen, Geschnetzeltes oder sogar Steaks erinnern, aber keine tierischen Muskeln enthalten. Nur wenige Produkte erhielten eine gute Bewertung, teilte die Stiftung am Mittwoch in Berlin mit. Erstaunlich viele schnitten nur ausreichend oder mangelhaft ab.

Nur sechs von 20 Produkten beurteilte die Stiftung Warentest mit "gut"

Das ist nicht nur für hartgesottene Veganer interessant. Fleischersatzprodukte wie jene, die Stiftung Warentest jetzt unter die Lupe genommen hat, werden in jedem Supermarkt und selbst in den Kühlregalen der Discounterketten angeboten. Meist grün verpackt reihen sich dort Veggie-Fleischersatzbällchen an Wurstimitate, tierfreie Nürnberger an Cordon bleus ohne Kalb. Längst haben auch klassische Wurstfabrikanten wie Rügenwalder Mühle oder Wiesenhof die Marktchancen der Veggie-Begeisterung erkannt. Gegenüber 2014 hat der Absatz von Fleischimitaten im vergangenen Jahr klar zugenommen. Ob die Nachfrage infolge des wachsenden Angebots steigt oder umgekehrt, ist noch nicht einwandfrei geklärt. Als sicher gilt, dass vor allem der Frust über die Verhältnisse in der Massentierhaltung (laut Umfrage bei 66 Prozent der Käufer), aber auch die Angst vor den gesundheitlichen Auswirkungen eines überhöhten Fleischkonsums (immerhin 17 Prozent der Befragten) den Griff zum Pseudoschnitzel befördern.

Doch nun hat Stiftung Warentest nur sechs der 20 geprüften Fleischersatzprodukte für "gut" befunden. Bereits im Mai hatte Ökotest 22 fleischfreie Produkte analysiert - und dabei sogar nur ein einziges Produkt mit "gut" bewertet. Ausgerechnet eines, das bei Stiftung Warentest jetzt nicht unter den Besten landete. Wie das?

Die Kritik der Verbraucherschützer bezieht sich in erster Linie auf "Schadstoffe", genauer gesagt auf Mineralölrückstände, auch Mosh (Mineral oil saturated Hydrocarbons) genannt. Nach Aussage von Stiftung Warentest hat die europäische Lebensmittelaufsicht Efsa diese Stoffe als potenziell besorgniserregend eingestuft. Und beide Organisationen fanden reichlich Mosh in den Fake-Fleischprodukten. Im aktuellen Test stach besonders das "Schnitzel klassisch" aus der Fleischfabrik der Rügenwalder Mühle hervor, das laut Stiftung einen Mosh-Wert erreicht, der "zu den höchsten" gehöre, die man je in Lebensmitteln gefunden habe, nämlich 400 Milligramm pro Kilogramm Ware. Wie andere Hersteller teilte auch Rügenwalder mit, dass es sich bei diesen Mosh lediglich um sogenannte Weißöle handele, also um Paraffin, das "unschädlich und ungefährlich" sei.

Verbraucherschützer kritisieren Schadstoffe

Die Stiftung Warentest will das nicht als Ausrede akzeptieren. Aber ist Paraffin wirklich gleich Mosh? "Das ist sehr stark verkürzt in der Darstellung", sagt Dieter Schrenk von der Technischen Universität in Kaiserslautern. Für den Lebensmitteltoxikologen sind die Belastungen durch Weißöl kein echter Grund zur Besorgnis. "Es gibt nicht nur eine Art von Mosh, und die hier genannten Weißöle sind für den Menschen so ungefährlich, dass sie sogar als Abführmittel eingenommen werden", sagt der Chemiker.

Technische Mosh, die als Schmiermittel etwa in Maschinen zum Einsatz kommen, hätten selbstverständlich nichts in der Nahrung verloren. In der Lebensmitteltechnologie seien hochwertige Mosh als Paraffinum liquidum hingegen ein beliebter und erlaubter Zusatzstoff, der vor allen Dingen als Trennmittel eingesetzt werde. Schrenk glaubt, dass es bei dem Testergebnis womöglich mehr darum gegangen sei, eine Nachricht zu erzeugen - als darum, den Verbraucher auf eine reale Gefahr hinzuweisen.

Stiftung Warentest weist diesen Vorwurf vehement zurück. "Weißöle sind hochgereinigte Kohlenwasserstoffe, die insbesondere keine aromatischen Verbindungen mehr enthalten", sagt Holger Brackemann, Leiter des Bereichs Untersuchungen. "Sie sind deshalb aber toxikologisch nicht unbedenklich."

Es genügt ein Blick auf die Zutatenliste: Manches Kunstschnitzel benötigt neben Soja, Weizengluten oder Lupineneiweiß drei Verdickungsmittel, um jene Form zu gewinnen, die das natürliche Vorbild hat. Dazu kommen Aromen, Gewürze, Farbstoffe, Säureregulatoren, Zucker, teils extreme Dosen Salz, nicht zu vergessen die zuweilen zugesetzten Mengen Glutamat, die als Hefe- oder Pilzextrakte getarnt wenigstens einen Anflug der rustikalen Geschmacksnote von Braten oder Grillfleisch vermitteln sollen.

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