Venustransit:Was Astronomen umtreibt

Auch wenn längst nicht jeder Deutsche den Venustransit genießen konnte, beschert das Himmelsschauspiel der Astronomie große Aufmerksamkeit. Ihre Wissenschaflter versuchen, weit spektakulärere Phänomene zu erhellen: Wie hat sich das Universum entwickelt? Und wo im All gibt es noch Leben?

Christopher Schrader

Die Venus und die eigenen Zähne scheint gar nichts zu verbinden. Sie in einen Satz zu zwingen, das erinnert an Reizwortaufsätze in der Schule. Doch an diesem Mittwoch, wo Millionen Menschen nachts oder im Morgengrauen den Transit der Venus vor der Sonne verfolgten, sind Planet und Kauwerkzeug auf bemerkenswerte Weise verknüpft.

"Damit es überhaupt genug Fluor gibt, um den Zahnschmelz hart zu machen, mussten fünf Generationen von Sternen entstehen und in Supernovae wieder explodieren", sagt Matthias Steinmetz vom Leibniz-Institut für Astrophysik in Potsdam. Die stellaren Öfen haben im Laufe der Jahrmilliarden die leichten Atome sukzessive zu den schwersten verschmolzen. Ohne die Metalle hätte die Sonne sich womöglich nicht mit ihrer stattlichen Zahl von acht Begleitern umgeben können. "Offenbar haben Sterne, die wenig Metall haben, auch wenige Planeten", sagt Steinmetz. So, wie Planeten Metall brauchen, brauchen Zähne Fluor - Zähne und Venus sind also gewissermaßen aus der gleichen Ursache heraus entstanden.

Der Transit der Venus ist ein seltenes Spektakel, erst 2117 gibt es den nächsten. Internetseiten haben das Ereignis übertragen. In weiten Teilen der Welt bestaunten Menschen die Venus als schwarzen Fleck vor der Sonne. In Deutschland gab es zumindest im Osten freie Sicht auf das Himmelsspektakel, während im Westen Wolken den Blick versperrten. Nur ein Fünftel der Menschen in Deutschland hatten die Chance, den Venustransit zu sehen. In jedem Fall hat das Schauspiel der wissenschaftlichen Disziplin, die es vorhergesagt hat, große Aufmerksamkeit verschafft: der Astronomie.

"50.000 ferne Planeten könnten wir mit Gaia finden"

Zwei Grundfragen bewegen die Herren über Teleskope von Hawaii bis zur Antarktis sowie über Späher im Weltraum zurzeit: Wie hat sich das Universum entwickelt, und wo gibt es noch Leben im All? Um Letzteres zu beantworten, horchen Wissenschaftler mit gewaltigen Radioantennen ins Universum, vor allem aber suchen sie nach Planeten, die um ferne Sonnen kreisen. Das amerikanische Teleskop Kepler und die europäische Mission Gaia, die im Sommer 2013 starten soll, starren auf Myriaden Sterne und versuchen die Momente zu erhaschen, wo Planeten vor ihnen vorbeiziehen. Das Licht aus dem All, das die Teleskope auffangen, wird dann kurz ein wenig schwächer. Der Transit der Venus in unmittelbarer Nachbarschaft gibt den Astronomen Gelegenheit, ihre Methoden zu verfeinern.

"50.000 ferne Planeten könnten wir mit Gaia finden", sagt Hans-Walter Rix, Direktor am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg. Seine Wissenschaft stehe an der Schwelle, Himmelskörper in der Größe der Erde zu finden und ihre Atmosphäre auf Wasserdampf oder Sauerstoff zu durchleuchten, die Voraussetzung für Leben sein könnten.

Noch weiter ins Universum müssen die Astronomen blicken, wenn sie dessen Anfänge verstehen wollen. Bisher gilt die erste Milliarde der knapp 14 Milliarden Jahre seit dem Urknall als dunkle Epoche. Das sichtbare Licht der damals entstandenen ersten Sterne dringt kaum zur Erde durch. Außerdem ist es nach der langen Reise in infrarote Wellenlängen verschoben, die sowieso in der irdischen Atmosphäre stecken bleiben. Eines der größten Projekte der Astronomen ist darum das James-Webb-Teleskop, das das berühmte Hubble im Erdorbit ablösen soll. Es bekommt einen dreimal so großen Spiegel, um mehr Strahlung einzufangen, und wird im infraroten Licht in die dunkle Epoche zurückblicken können - in eine Zeit also, als auch die Sache mit der Fluor-Produktion für die Zähne in Gang kam.

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