Varusschlacht:Streit um Hermann

Auch fast 2000 Jahre nach dem Gemetzel zwischen Römern und Germanen ist der letzte Kampf um den Tatort nicht ausgefochten.

Robert Probst

Der Oberbefehlshaber der Rheinarmee und seine Männer hatten für schriftliche Ortsangaben leider keine Zeit - barbarische Horden hatten sie in einen Hinterhalt gelockt, wo sie nun ums Überleben kämpften.

Das berühmte Hermannsdenkmal nahe Detmold

Das berühmte Hermannsdenkmal nahe Detmold

(Foto: Foto: dpa)

Am Ende der Metzelei war das Schlachtfeld übersäht mit Leichen römischer Soldaten, Feldherr Publius Quinctilius Varus stürzte sich in sein Schwert - wohl in der Hoffnung, niemand möge je genaueres über diese Schmach für das Imperium erfahren.

Die Sieger aus dem hohen Norden unter ihrem Anführer Arminius indessen plünderten lieber ihre toten Feinde aus, als sich darüber Gedanken zu machen, wie die Nachwelt vom genauen Ort ihrer Heldentaten Kunde bekommen könne. Immerhin das Datum (9 n. Chr.) ist bekannt und so wird 2009 also einem "historischen Ereignis von europäischer Bedeutung" gedacht: der Varusschlacht.

In der strukturschwachen Region zwischen Paderborn, Herford und Vechta freuen sich die Veranstalter schon auf ein Großevent mit bis zu 50.0000 Besuchern, stolz wurde jüngst verkündet, dass Kanzlerin Angela Merkel die Schirmherrschaft übernommen hat. Alles könnte also in bester Ordnung sein, gäbe es da nicht diese "Spannungsverhältnisse".

Seit Jahrzehnten streiten Gelehrte, Heimatforscher und Lokalpolitiker über den "richtigen" Ort der Schlacht vor 2000 Jahren. Gekämpft wird um Prestige, Touristen und nicht zuletzt ums Geld. "Lokalpatrioten" aus dem Lipper Land (Nordrhein-Westfalen) ringen mit jenen aus dem Osnabrücker Land (Niedersachsen) um die Deutungshoheit; von Geschichtsklitterung und Verschwendung von Steuermitteln ist die Rede.

Befreiungskampf oder gar Geburtsstunde Europas?

Viel Bedeutungsschweres hat man über die Jahrhunderte dieser Schlacht aufgebürdet: vom "Befreiungskampf der Germanen" war ebenso die Rede wie vom "Urknall der deutschen Geschichte" und der "Geburtsstunde Europas". Klar ist nur, dass dort 10000 Soldaten abgeschlachtet wurden und sich die Römer wenig später aus dem rechtsrheinischen Gebiet zurückzogen. Wegen der vielen Toten vermeidet man übrigens tunlichst, von Feierlichkeiten oder gar Jubiläum zu sprechen.

Lange Zeit hielten die Westfalen Detmold für den Nabel der Varuswelt. Immerhin hatte man dort 1875 das Hermanns-Denkmal (Luther hatte Arminius zum Hermann eingedeutscht) errichtet, ganz im Sinne des Tacitus, der im Nachhinein berichtet hatte, die Schlacht habe zwischen Lippe und Ems "keineswegs weit von dem Waldberg des Teutoburgischen" stattgefunden. Doch seit einigen Jahren müssen sich die Lipper über Schilder rund um den etwa 70 Kilometer entfernten Bramscher Stadtteil Kalkriese ärgern, wo ein Museum mit der "Varusschlacht im Osnabrücker Land" wirbt.

"Kalkriese muss den Alleinvertretungsanspruch ad acta legen", fordert daher der Vorsitzende des Vereins Arminiusforschung, der westfälische CDU-Landtagabgeordnete Heinrich Kemper. "Kalkriese war sicher der Ort einer Schlacht, aber nicht der aus dem Jahre 9", sagt er.

Auch der Wirtschaftsprofessor Siegfried Schoppe hält die 6000 archäologischen Fundstücke in Kalkriese nicht für ausreichend zum Nachweis der Schlacht. Hier würden lediglich "Behauptungen" aufgestellt. Dies könne man als Nicht-Archäologe "mit Logik und Logistik" durchaus erkennen. Hierauf lautete die Replik, der Hobby-Historiker strebe vor allem nach Publizität.

Lange hatten sich auch Vertreter des Lippischen Landesmuseums in Detmold und des Museums Kalkriese immer wieder beharkt, doch für das Erinnerungsjahr hat man sich zu einer länderübergreifenden Kooperation zusammengeschlossen. Nun also sprechen alle von einem "einzigartigen Vorhaben" mit "Exponaten von Weltgeltung" an "drei Originalschauplätzen". Das Museum in Haltern mit seinen Römeranlagen darf sich dem Thema "Imperium" widmen, die Detmolder können sich wegen des Denkmals mit dem "Mythos" beschäftigen und Kalkriese erhielt den Zuschlag für das Thema "Konflikt".

Frieden um des Geldes willen

Nicht wenige glauben nun, die Zusammenarbeit funktioniere nur deshalb so überraschend reibungslos, weil die öffentliche Hand ungern Steuermittel an Streithähne ausgibt. Der Etat umfasst immerhin 13Millionen Euro, die sich alle Beteiligten teilen müssen. Für Schoppe geht es dabei lediglich um einen "Wettbewerb, Tourismusströme umzuleiten", der Professor spricht sogar vom "Missbrauch von Steuermitteln".

Auch Arminius-Forscher Kemper glaubt, hier würden vor allem "Römer-Touristen nach Kalkriese gelockt", für Grabungen in Ostwestfalen sei dagegen kein Geld vorhanden. Er findet, die Pläne für 2009 konzentrierten sich zu sehr auf Kalkriese. Elke Treude vom Lippischen Landesmuseum weist all diese Vorwürfe zurück. Detmold stehe mit der Rezeptionsgeschichte der Schlacht "keineswegs hinten an". Immerhin gehe es um allgemeine historisch-politische Bildung.

Wissenschaftler übrigens betonen gern, dass sie sich nicht an den Streitereien von Heimatforschern beteiligen wollen. Der Althistoriker Rainer Wiegels von der Uni Osnabrück sagt, das wahrscheinlichste sei, dass in "Kalkriese ein Ereignis im Kontext der Varusschlacht stattfand". Sicher ließe sich aber schnell jemand finden, der darauf hinweist, dass Kalkriese direkt neben Osnabrück liegt.

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