Ursprung des Menschen:Aus Afrika nach Russland

Es gibt neue Puzzleteilchen im großen Rätselraten um den Ursprung der Menschheit: Offenbar breiteten sich Afrikaner vor 40.000 Jahren in Osteuropa aus.

Wiebke Rögener

Ein Schädel aus der späten Steinzeit unterstützt die Theorie, dass sich die unmittelbaren Vorfahren des Homo sapiens in Afrika entwickelten und von dort aus die Welt eroberten. Schneller jedoch als bisher vermutet, dehnten sie offenbar ihren Siedlungsraum bis in kalte eurasische Klimazonen aus. Das legen Ausgrabungen in Russland nahe.

Hofmeyr-Schädel

Künstlerische Darstellung des Hofmeyr-Schädels.

(Foto: Zeichnung: Luci Betti-Nash)

Gerade aus dieser für die Menschheitsgeschichte so wichtigen Welteroberungsperiode vor etwa 40 000 Jahren gab es bisher nur wenige menschliche Fossilien aus dem südlichen Afrika. Dabei ist der Schädel, den ein Forscherteam jetzt im Wissenschaftsblatt Science (Bd. 315, S. 226, 2007) beschreibt, keineswegs ein neuer Fund.

Er wurde schon vor mehr als einem halben Jahrhundert in der südafrikanischen Ostkap-Provinz nahe der Stadt Hofmeyr in einem trockenen Kanalbett entdeckt. "Doch damals wurde nicht erkannt, dass dieser Schädel sehr alt sein könnte", sagt die Paläoanthropologin Katerina Harvati vom Leipziger Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie.

Sie gehört zu dem Team, welches das wohlbekannte Fossil nun erneut untersucht hat und ihm neue Details entlockte. "Eine herkömmliche Alterbestimmung mit der Radiokarbonmethode war nicht möglich, da der Kohlenstoff aus dem Schädel ausgewaschen war", sagt Harvati.

Daher analysierten Forscher der Oxford University den Sand, der sich im Inneren des Schädels festgesetzt hatte und bestimmten, wie viel Radioaktivität sich darin angereichert hatte. Die Berechnungen ergaben: Der relativ gut erhaltene Schädel gehörte einem Menschen, der von 36 000 Jahren lebte - zu einer Zeit, aus der bisher südlich der Sahara einzig der Kieferknochen eines Kindes bekannt ist.

Ungeahnt schnelle Verbreitung

Katerina Harvati vermaß die dreidimensionale Form des Fossils und verglich sie mit europäischen Schädeln aus der gleichen Periode, der Jungsteinzeit, die vor etwa 40 000 Jahren begann, sowie mit den Schädelformen gegenwärtiger Menschen. "Es war überraschend, dass das Hofmeyr-Fossil den heute lebenden Afrikanern nicht ähnelt", sagt Harvati.

"Stattdessen ist es europäischen Schädeln aus der Jungsteinzeit sehr viel ähnlicher." Mit Neandertalern dagegen fanden sich keine besonderen Gemeinsamkeiten. Damit ist der Hofmeyr-Schädel ein handfester Beleg für die die Out-of-Africa-Theorie, die sich bisher vor allem auf genetische Untersuchungen gründet. Forscher können sich nun erstmals ein Bild davon machen, wie die Menschen ungefähr aussahen, die sich vor rund 40- bis 50 000 Jahren aufmachten, von Afrika aus die Welt zu besiedeln.

Früher als bisher angenommen gelangten sie dabei auch in das Gebiet des heutigen Russlands. Das zeigen Ausgrabungen am Ufer des Don, 400 Kilometer südlich von Moskau, über die Michael Anikovich ebenfalls in Science berichtet (Bd. 315, S. 223). Seit den 1940er Jahren wird dort in der Region Kostenki an 20 Stellen nach Resten früher menschlicher Siedlungen gegraben, die teils von modernen Menschen, teils von Neandertalern stammen sollen.

Noch immer stoßen die Ausgräber auf Überraschungen. So fand das Team um Anikovich soeben Werkzeuge und Elfenbeinschnitzereien, deren Machart darauf hinweist, dass sie von modernen Menschen gefertigt wurden. Das Besondere daran: Die Gegenstände lagen unter einer Schicht, die Asche von einem Ausbruch eines italienischen Vulkans vor etwa 40 000 Jahren enthält. Sie müssen also vor diesem Ausbruch entstanden sein.

Ernährung mit Fallenstellerei

Menschliche Fossilien wurde in dieser Schicht kaum entdeckt - nur zwei Zähne, die sich bisher nicht datieren ließen. Sollte sich bestätigen, dass moderne Menschen die Messer, Werkzeuge und Schmuckstücke angefertigt haben, hieße das: Die Auswanderer haben schon bald nach ihren Auszug aus dem heißen Kontinent diese kalte und trockene Klimazone im heutigen Russland besiedelt.

Ernährt haben sie sich durch Fallenstellerei, wie die Überreste kleiner Beutetiere nahe legen. Auch trieben die Einwanderer offenbar weiträumig Handel: Die für Werkzeuge verwendeten Steine stammen aus einer bis zu 150 Kilometer entfernten Region, die zu Schmuck verarbeiteten Muscheln kamen vom Schwarzen Meer, also 500 Kilometern entfernt.

Auch eine Schnitzerei aus Mammutelfenbein deutet auf eine hoch entwickelte Kultur hin. Die Forscher nehmen an, dass es sich um den Kopf einer nicht ganz fertig gestellten menschlichen Figur handelt. Damit wäre dies Kunstwerk die älteste Skulptur, die jemals entdeckt wurde.

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