Urmenschen:Spuren der Speisen

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Für ihre Studie haben die Forscher Quarzpartikel über Zahnschmelz-Oberflächen gestrichen. Die Folgen sind hier zu sehen: Auf dieser Zahnoberfläche sind zwei große Abschürfungen (dunkelblaue Linien) zu erkennen. (Foto: Peter Lucas, Kuwait University)

Anhand weniger fossiler Zähne oder Knochen versuchen Wissenschaftler, das Leben der Urmenschen zu ergründen. Wie schwierig das ist, zeigt sich etwa bei der Frage, wie sich unsere vor langer Zeit ausgestorbenen Verwandten ernährten.

Von Hubert Filser

Ein paar Knochen und Zähne, das ist in der Regel alles, was von unseren frühen Vorfahren übrig bleibt. Nicht viel, um daraus eine Geschichte der Menschheit zu rekonstruieren, zumal es weltweit nur Überreste von ein paar Tausend Individuen gibt - aus sieben Millionen Jahren.

So erscheinen zu wenigen Zähnen oder einem Oberschenkelknochen bisweilen seitenlange wissenschaftliche Aufsätze, die sich mit der Ernährung, dem Sexualverhalten oder so wichtigen Fragen wie dem aufrechten Gang beschäftigen. Anhand von einzelnen Zähnen haben Forscher Arten charakterisiert und den gesamten Ernährungsplan rekonstruiert.

Wie schwer Letzteres aber tatsächlich ist, zeigt am Beispiel von Zähnen eine neue Studie, an der auch Forscher vom Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig beteiligt waren. Harte pflanzliche Nahrung galt lange Zeit als Hauptgrund für Zahnverschleiß, und dieser umgekehrt als Indiz für diese Art der Ernährung.

Doch nun fanden Leipziger Forscher gemeinsam mit Kollegen von der Kuwait University heraus, dass vor allem der viel härtere Quarzstaub dafür verantwortlich ist, dass sich Zahnschmelz abnutzt ( Interface, Journal of the Royal Society, online, 2013).

Silikathaltige Inhaltsstoffe von Pflanzen, sogenannte Phytolithen, beeinträchtigen die Zahnoberflächen deutlich weniger als bisher angenommen. Amanda Henry vom Max-Planck-Institut meint deshalb, dass die Wissenschaftler neu darüber nachdenken müssten, was der Zahnverschleiß tatsächlich über die Ernährungsgewohnheiten aussagen könne.

Möglicherweise kommt der Abrieb des Zahnschmelzes eben nicht in erster Linie von der harten Nahrung. "Phytolithen wirken sich zwar auf den Verschleiß der Zähne aus, aber anders als bisher angenommen", sagt Henry. "Vermutlich ist ihre Wirkung eher langfristig relevant." Der genaue Zusammenhang sei noch nicht untersucht.

Zahnabrieb ist eben nicht einfach Zahnabrieb. Die weicheren Phytolithen können dem Zahnschmelz durchaus kleine Kerben zufügen, doch dabei geht zumindest kurzfristig kein Zahnmaterial verloren. Das Problem sind die harten, winzigen Quarzkristalle, die in vielen Regionen weltweit im Boden vorkommen. Aufgrund der Sandstürme auf der Arabischen Halbinsel waren die im Osten Afrikas lebenden Vor- und Frühmenschen besonders betroffen.

In ihren Experimenten strichen die Forscher die Quarzpartikel mit unterschiedlicher Kraft über Zahnschmelz-Oberflächen. Das Ergebnis: Bereits eine sehr geringe Krafteinwirkung genügte, um Teile des Zahnschmelzes abzuschaben. Quarz ist rund 2,5-mal härter als der Zahnschmelz.

Die Phytolithen hatten im Vergleich dazu kaum eine Wirkung. Vor allem Quarzpartikel im Nano-Größenbereich sind schädlich.

"Wir müssen bei der Verschleißanalyse kleiner denken", sagt Studienleiter Peter Lucas von der Kuwait University. Die Nano-Analysen sind künftig möglicherweise auch ein Instrument, Spuren an fossilen Zähnen besser auswerten zu können. Quarzstaubspuren ließen sich so von Pflanzen-Phytolithen unterscheiden und damit Fehler in der Nahrungsmittelanalyse vermeiden.

Ideal für die Forscher ist es, wenn an den versteinerten Zähnen noch winzige Spuren der Phytolithen selbst erhalten sind. Henry, Spezialistin für die Pflanzenrückstände, hat im vergangenen Sommer die Ernährung von zwei Millionen Jahre alten Vormenschen der Gattung Australopithecus sediba aus Malapa in Südafrika benennen können ( Nature, Bd. 487, S. 90).

Die Anthropologin konnte erstmals im noch erhaltenen Zahnstein von zwei Frühmenschen Phytolithen finden, die sich aufgrund ihrer charakteristischen Form eindeutig Pflanzen zuordnen ließen. Offenbar aßen die beiden Menschen harte Baumrinde, Blätter, Teile von Palmen sowie Gräser und Früchte.

Solche eindeutigen Nachweise sind ausschließlich den hervorragenden Fundbedingungen zu verdanken, aber leider extrem selten. Bei allen anderen Funden legen die neuen Untersuchungen nahe, sich die Spuren im Zahnschmelz im Nanometer-Maßstab zu betrachten.

© SZ vom 09.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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