Unep-Bericht:Die Welt wird lebensgefährlich

Wissenschaftler warnen im Bericht des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (Unep), dass der dramatische Zustand der Umwelt das Überleben der Menschheit bedroht.

Martin Kotynek

Der dramatische Zustand der Umwelt bedroht das Überleben der Menschheit. Zu diesem Schluss kommen etwa 390 Wissenschaftler im Weltumweltbericht "Geo-4", den das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (Unep) am Donnerstag veröffentlicht hat.

Der Bericht, der von etwa 1000 Fachleuten überprüft und mit den Regierungen der UN-Mitgliedsstaaten abgestimmt wurde, bewertet das Ausmaß der größten Umweltprobleme und zeichnet die Entwicklung der vergangenen 20 Jahre nach.

Das Leben von Milliarden Menschen sei bedroht, wenn nicht rasch wirksam gegen Umweltverschmutzung, Artensterben und Klimawandel vorgegangen werde.

Die wachsende Weltbevölkerung und übermäßiger Konsum seien Hauptgründe für die weltweiten Umweltprobleme. "Die Menschheit lebt über ihre Verhältnisse", fasst der Unep-Bericht zusammen.

Die "großen Mengen an Ressourcen, die zum Überleben benötigt werden, übersteigen das Angebot" der Erde. Eines der Resultate sei die Verschmutzung der Umwelt. Sie ist schon heute Ursache von beinahe einem Viertel aller Erkrankungen weltweit. Zwar hat sich die Luftqualität in den Industriestaaten verbessert, das habe sich jedoch zulasten der Menschen in den Entwicklungsländern ausgewirkt.

Dorthin wurde die industrielle Produktion zuletzt vermehrt verlagert. In der Folge atmet in Asien eine Milliarde Menschen gesundheitsschädliche Luft, eine halbe Million stirbt jährlich daran. Weltweit sind es zwei Millionen.

Jeder zehnte Fluss verschwindet

"Ohne die Art, wie wir Wirtschaft betreiben, zu reformieren, werden wir in Kürze Schwierigkeiten bekommen - wenn wir sie nicht schon haben", sagte Unep-Generaldirektor Achim Steiner in New York. Bisher sei es einigen Teilen der Wirtschaft jedoch gelungen, den politischen Willen beim Umweltschutz zu untergraben, schreibt die Unep in ihrem Bericht.

Dabei habe die systematische Zerstörung der natürlichen Ressourcen bereits einen Punkt erreicht, an dem auch die Tragkraft der Wirtschaft bedroht werde, sagte Steiner. Das natürliche Kapital des Planeten, von dem der Wohlstand der Menschheit abhänge, gehe "erbarmungslos" zurück, sagte Steiner. "Fundamentale Änderungen in wirtschaftlichen und sozialen Strukturen sind nötig", damit sich das ändere.

Der Unep-Direktor forderte die Politik auf, den Umweltschutz vom Rand ihrer Aufmerksamkeit ins Zentrum der Entscheidungsprozesse zu rücken. "Die Ergebnisse von Geo-4 fordern uns auf, einen Punkt hinter die Wissenschaft zu setzen und unsere Anstrengungen zum Umweltschutz zu intensivieren." Das sei der einzige Weg, die Schwierigkeiten in den Griff zu bekommen.

Ziel des Weltumweltberichts sei es jedoch nicht, ein Untergangsszenario zu beschreiben. Vielmehr stimme Steiner die Reaktion der Öffentlichkeit auf den IPCC-Bericht zum Klimawandel optimistisch. Die weiteren Umweltprobleme müssten nun mit demselben Elan angegangen werden.

"Es gab schon viele Warnrufe, ich hoffe, dass Geo-4 der letzte ist", sagte Steiner. Vor 20 Jahren war der Bericht der Brundtland-Kommission veröffentlicht worden, der erstmals den Zustand des Planeten erfasste.

Der aktuelle Weltumweltbericht zeigt, wie die verschiedenen Umweltprobleme zusammenhängen. Demnach führt insbesondere die stetig wachsende Weltbevölkerung - in den vergangenen 20 Jahren ist sie um 34 Prozent angestiegen - zu Umweltzerstörungen. Um die steigende Zahl an Menschen zu ernähren, sei die Landwirtschaft intensiviert worden.

Ebenso große Bedrohung wie der Klimawandel

Das sei eine ebenso große Bedrohung wie der Klimawandel, schreiben die Experten. Düngemittel verschmutzen das Trinkwasser und die Bewässerung der Felder verbraucht schon heute beinahe zwei Drittel des weltweit verfügbaren Süßwassers.

Jeder zehnte Fluss erreicht den Ozean nicht mehr. Doch das Problem wird sich verschlimmern. In den kommenden 20 Jahren werden die Entwicklungsländer auch wegen der Umstellung auf tierische Ernährung um die Hälfte mehr Wasser verbrauchen als heute, schreibt die Unep. Dann könnten 1,8 Milliarden Menschen von "absoluter Wasserknappheit" bedroht sein.

Zudem breiten sich Ackerflächen in unberührte Naturgebiete aus. Während nur zwölf Prozent der Flächen unter Naturschutz stehen, sind bereits 60 Prozent aller Ökosysteme zerstört oder übernutzt. Dadurch geht Lebensraum für viele Tier- und Pflanzenarten verloren.

Die Artenvielfalt ändere sich schneller als je zuvor in der Geschichte der Menschheit, berichtet die Unep. Daten von Fossilien würden nahelegen, dass die Arten heute hundertmal so schnell aussterben wie in der Vergangenheit. Auch der steigende Konsum trage zu dieser Entwicklung bei. Weltweit wird um 250 Prozent mehr Fisch gefangen, als es die Weltmeere verkraften können.

30 Prozent aller Fischbestände sind bereits zusammengebrochen, das ist doppelt so viel wie vor 20 Jahren. Auch Europa ist von der Umweltkrise betroffen. Der Gütertransport auf der Straße, die Zersiedelung sowie der hohe Energieverbrauch bedrohen die Artenvielfalt und die Lebensqualität.

Mit konkreten Lösungsvorschlägen hält sich der Bericht zurück. Es sei nun Aufgabe der Staatengemeinschaft, die nötigen Schritte zu beraten, sagte ein Unep-Sprecher.

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