UN-Klimakonferenz:Was für eine verschenkte Chance

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Deutschland krempelt die Basis seiner Energieversorgung um und bereitet in großer Einigkeit den erneuerbaren Energien den Weg. Doch es versäumt dabei sträflich, solchen Beiträgen zum Klimaschutz international den Weg zu bereiten.

Michael Bauchmüller

Jedes verlorene Jahr im Klimaschutz bedeutet zwangsläufig größere Kraftakte in den Jahren darauf. Anders wird die Erwärmung nicht zu stoppen sein. (Foto: AP)

Deutschland, es ist hierzulande bemerkenswert wenigen bewusst, versetzt die Welt in Staunen. Ein Industrieland krempelt mal eben die Basis seiner Energieversorgung um, bereitet in großer Einigkeit den erneuerbaren Energien den Weg - das gab es noch nie.

Ohne Aufschrei, ohne Blackout. Und ganz nebenbei ist dieses Land die erfolgreichste Industrienation Europas.

Wer aber die Debatten in diesem Land verfolgt, staunt nicht minder. Zu schnell, zu teuer, zu unbedacht: Deutschland, bis hinauf in die Bundesregierung, hadert mit dem eigenen Projekt. Und versäumt dabei sträflich, ihm international den Weg zu bereiten.

Nirgends zeigt sich das derzeit so frappierend wie im Klimaschutz. Von Montag an trifft die Staatengemeinschaft im Golfstaat Katar für zwei Wochen zur 18. Klimakonferenz zusammen. Sie wird darüber entscheiden, ob die Zusagen aus dem vorigen Jahr ernst gemeint waren:

Ob die Staaten tatsächlich Verhandlungen zu einem neuen, allumfassenden Klimaabkommen aufnehmen.

Und, nicht weniger wichtig, ob sie sich endlich der Tatsache stellen, dass alle ihre bisherigen Zusagen längst von der Wirklichkeit eingeholt sind und sie dringend ihre Klimaziele aufstocken müssen. Denn jedes verlorene Jahr im Klimaschutz bedeutet zwangsläufig größere Kraftakte in den Jahren darauf. Anders wird die Erwärmung nicht zu stoppen sein.

Die Europäer spielen hier eine Schlüsselrolle. Zusammen mit Ländern wie Australien, Norwegen oder der Schweiz sichert die EU das Überleben des Kyoto-Protokolls. Nur diese wenigen Länder werden sich schon jetzt auf Klimaziele für den Rest des Jahrzehnts verpflichten.

Doch während allen klar ist, dass sich mit den bisherigen Klimazielen eine katastrophale Erderwärmung kaum mehr aufhalten lässt, will die EU sich für 2020 auf Ziele verpflichten, die sie schon jetzt so gut wie erreicht hat - nicht zuletzt durch die deutsche Energiewende.

Deutschland, das lange als Pionier galt, schaut tatenlos zu. Die Bundesregierung kann sich nicht dazu durchringen, ein strengeres EU-Klimaziel zu unterstützen. Philipp Rösler, der Wirtschaftsminister von der FDP, ist dagegen.

Erklären lässt sich das nur mit industriepolitischem Unvermögen. Rösler wahrt die Interessen jener Branchen, die viel Energie verbrauchen - und übersieht all jene Firmen, die gerade die Zukunftsmärkte der deutschen Wirtschaft erschließen; mit Technologien, die sauberen Strom erzeugen oder schlicht weniger Energie brauchen.

Es sind jene Technologien, die umso stärker nachgefragt werden, je mehr Ehrgeiz Staaten im Klimaschutz entwickeln. Ganz zu schweigen von den Kosten, die auch der hiesigen Wirtschaft erspart blieben, ließe sich der Klimawandel mit all seinen Folgen abmildern. Anders gesagt: Der Pionier vertraut auf seine Stärken nicht.

So versetzt Deutschland die Welt abermals in Staunen. Da treibt ein Land wie kein anderes seine eigene Modernisierung voran. Auf internationalem Parkett aber hantiert es wie ein rückständiger Kohlestaat. Was für eine verschenkte Chance.

© SZ vom 24.11.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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