UN-Konferenz in Durban:Warum China zum Klimaretter werden könnte

Lesezeit: 2 min

Gemeinsam mit den USA hat China bislang den Widerstand gegen den Klimaschutz organisiert. Nun gibt sich Peking flexibel. So könnte die Konferenz im südafrikanischen Durban zum Schauplatz einer Machtverschiebung werden, die tatsächlich dem Kampf gegen die Erderwärmung zugutekäme.

Michael Bauchmüller

Applaus zu Beginn seiner Rede, das hat Todd Stern auf einem Klimagipfel noch nie erlebt. Stern ist der Chef der amerikanischen Delegation bei der Konferenz in Durban und als solcher einer der größten Bremser in internationalen Klimaverhandlungen. Doch der Beifall galt ohnehin nicht ihm.

China und die USA stoßen weltweit am meisten Treibhausgase aus. Allerdings hat sich Peking im jüngsten Fünfjahresplan darauf verpflichtet, Wachstum und Treibhausgasemissionen zu entkoppeln. (Foto: Reuters)

Die Delegierten applaudierten der jungen Frau, die sich weit hinten im Saal erhoben hatte, um die USA anzuprangern. "Ich fürchte um meine Zukunft", rief sie. Als man sie abführte, begleitete sie Beifall. Die Vereinigten Staaten beklatscht schon länger keiner mehr bei diesen Veranstaltungen.

Diese Konferenz kann zum Menetekel einer massiven Machtverschiebung werden. Über Jahre hinweg gelang es den USA, den Widerstand gegen den Klimaschutz zu organisieren, gemeinsam mit China. Weil keiner der beiden Staaten zu einem verbindlichen Klimaabkommen bereit war, konnte jeder stets auf die Untätigkeit des jeweils anderen verweisen. Stillstand in der Klimapolitik war so immer der Stillstand des anderen.

Durban ist anders. Die USA sind mittlerweile zum Stillstand verdammt. Das Klimagesetz Barack Obamas ist gescheitert, die demokratische Mehrheit im Kongress verloren: Unmöglich könnte Washington noch in ein verbindliches Klimaabkommen einwilligen. Das Beste, was die USA in Durban unternehmen können, ist schlicht, aus dem Weg zu gehen. Stattdessen scheut Sterns Delegation keine Mittel, den Fortschritt zu torpedieren.

China dagegen gibt sich flexibel, es hat schon erkennen lassen, dass es auch einem verbindlichen Abkommen zustimmen könnte. Bleibt China bei diesem Kurs, wären die USA vor den Augen der Weltöffentlichkeit isoliert. China stünde für Fortschritt, die Vereinigten Staaten für Blockade. Es wäre nur ein Vorgeschmack darauf, wie sich die Balance zwischen der alten und der neuen Wirtschaftsmacht noch verändern wird.

Der Schwenk folgt einer ziemlich einfachen Strategie. Zunehmend wird China von Energieimporten abhängig. Erst im Frühjahr, im jüngsten Fünfjahresplan, verpflichtete sich Peking darauf, Wachstum und Treibhausgasemissionen zu entkoppeln - mit 17 Prozent weniger Kohlendioxid je erwirtschaftetem Yuan bis 2015. In fünf Provinzen experimentiert die Regierung mit dem Emissionshandel. Unternehmen müssen dort Klimazertifikate erwerben, wenn sie Energie verbrauchen. Das bietet Anreize für mehr Sparsamkeit.

China ist dem europäischen Pfad des effizienten Umgangs mit Energie näher als dem amerikanischen der Verschwendung. Das taktische Kalkül dabei ist klar: Steigen die Preise für Öl, Gas oder Kohle, trifft das am ehesten Ökonomien, die verschwenderisch damit umgehen. Verpflichten sich dagegen möglichst viele Staaten auf den Klimaschutz, schafft das neue Absatzmärkte: auch für Windräder und effiziente Maschinen aus China.

Damit entspinnt sich für die entscheidenden Stunden der Konferenz ein bemerkenswertes Szenario. China kann sich - gemeinsam mit seinen Verbündeten Indien, Brasilien und Südafrika - auf die Seite der Europäische Union und der meisten Entwicklungsländer schlagen. Weil Klimapolitik immer auch Wirtschaftspolitik ist, verschöben sich damit nicht nur die Gewichte im Kampf gegen die Erderwärmung. In Durban entscheidet sich mehr als nur die Frage, ob der globale Klimaschutz noch Chancen hat.

China kann das alles auch lassen. Erklärt sich die Volksrepublik nicht dazu bereit, in den nächsten Jahren ein bindendes Klimaabkommen auszuhandeln, scheitert die Konferenz. Dann würde Klimaschutz zur Sache des guten Willens, ganz wie die Vereinigten Staaten es wünschen. Und die EU stünde mit ihren schönen Klimazielen ziemlich alleine da.

Das spricht für viel Macht, aber auch für eine neue globale Verantwortung. China wird an diesem Freitag beweisen können, ob es dieser Verantwortung gewachsen ist.

© SZ vom 09.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: