UN-Bericht zum Treibhaus Erde:Dramatische Trilogie über das Weltklima

Der zweite von drei UN-Berichten nennt viele Verlierer und wenige Gewinner des Wandels. Bis zum Jahr 2080 könnten fast zwei Drittel aller Spezies im Alpenraum aussterben, heisst es.

Patrick Illinger

Der Weltklimarat der Vereinten Nationen veröffentlicht seinen Bericht zum Zustand des Planeten in diesem Jahr in drei Folgen. Der erste, im Februar publizierte Teil beschrieb die physikalischen Hintergründe der Erderwärmung und der dritte, für Anfang Mai erwartete Teil wird Auswege und Kosten des Klimawandels darstellen.

Eine Aufnahme aus dem dürregeplagten Rajasthan in Indien: Frauen gehen am Kadaver eines verendeten Rindes vorbei zur Wasserstelle

Eine Aufnahme aus dem dürregeplagten Rajasthan in Indien: Frauen gehen am Kadaver eines verendeten Rindes vorbei zur Wasserstelle

(Foto: Foto: dpa)

Insofern stellt die soeben in Brüssel veröffentlichte zweite Folge der wissenschaftlichen Trilogie den für das menschliche Dasein womöglich wichtigsten Teil dar, denn er beschreibt die Auswirkungen des globalen Wandels auf die Gesellschaft und die Lebensräume auf dem Planeten Erde.

Gerade dort, wo es nicht um harte Physik und harte Währungen geht, sondern um schwer messbare Größen wie die Zahl bedrohter Tierarten oder soziale Entwicklungen, laufen Wissenschaftler Gefahr, von politischen Interessen vereinnahmt zu werden. Insofern ist nicht verwunderlich, dass sich der Weltklimarat IPCC (für Intergovernmental Panel on Climate Change) während der vergangenen Woche schwer tat, als die konkreten Aussagen der 2500 beteiligten Wissenschaftler mit Vertretern aus 100 Staaten der Erde abgestimmt wurden.

Wie zu erwarten war, versuchten die großen Verweigerer des Kyoto-Protokolls, USA und China, aber auch Indien und der Öl-Exporteur Saudi-Arabien, einige Formulierungen der Endfassung abzuschwächen, so wie manche vom Klimawandel bedrohte Staaten die Dinge gern drastisch dargestellt sehen.

Leugner sind mit gesicherten Fakten konfrontiert

Inzwischen sehen sich Leugner wie Alarmisten mit einem zunehmend gesicherten Stand des Wissens konfrontiert. Mehr als 29.000 Messdaten aus allen Teilen der Welt haben die IPCC-Experten für den am Freitag vorgestellten Bericht zusammengetragen. 89 Prozent der Daten sprechen dafür, dass die Klimaerwärmung bereits an vielen Stellen der Erde sichtbare Veränderungen verursacht. "Wir haben festgestellt, dass die Beweise für die Auswirkungen des Klimawandels viel schärfer und verlässlicher geworden sind", sagt Rajendra Pachauri, der Vorsitzende des IPCC.

Viele der noch im vergangenen IPCC-Bericht des Jahres 2001 bestehenden Unsicherheiten seien mittlerweile beseitigt. "Erstmals verlassen wir uns nicht auf Modelle, sondern auf empirische Daten", betonte Martin Parry, einer der Vorsitzenden der IPCC-Arbeitsgruppe bei der Vorstellung des Berichts, "wir können die Folgen direkt messen".

Ein Trend bestätigt sich dabei zunehmend. Der ärmere und verletzlichere Teil der Menschheit wird vom Klimawandel zunächst deutlich härter getroffen werden als die reicheren Gesellschaften. Allein in Afrika werden in den kommenden 13 Jahren zwischen 75 und 250 Millionen Menschen zusätzlich unter Wassermangel leiden.

Negative ökonomische Gesamtbilanz

Nach den Erkenntnissen des IPCC werden die Trinkwasservorräte aber auch in anderen Teilen der Erde zur Neige gehen, entweder weil Eismassen abtauen und das dort gespeicherte Süßwasser verloren geht, oder weil die Trockenzonen der Erde sich ausdehnen. Insgesamt ist jeder sechste Erdbewohner von Wassermangel bedroht.

Der Schwund der Gletscher sei überall auf der Welt zu registrieren, betonen die IPCC-Forscher. Eine aktuelle Studie in der Online-Ausgabe der Zeitschrift Science sagt beispielsweise dem Südwesten der USA extreme Dürren bis zur Mitte dieses Jahrhunderts voraus.

"Der gesamte Klimawandel ist etwas Konkretes im Hier und Jetzt und liegt nicht in weiter Zukunft", sagte Neil Adger, ein britischer Mit-Autor der Studie. Der aktuelle zweite Teil des IPCC-Berichts nennt auch Gewinner des Klimawandels, beispielsweise derzeit karge Landstriche im Norden Europas. Die ökonomische Gesamtbilanz sei jedoch negativ, betonen die Forscher.

Menschengemachte Treibhausgase haben zudem dazu geführt, dass die Weltmeere um 0,1 Einheiten auf der pH-Skala saurer geworden sind. Bill Hare, derzeit Gastwissenschaftler am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, betonte am Rande der Konferenz in Brüssel auch die Bedrohung für die Tierwelt. Der Bericht nennt 20 bis 30 Prozent aller Tier- und Pflanzenarten als vom Aussterben bedroht, sollte die globale Durchschnittstemperatur um mehr als 1,5 bis 2,5 Grad Celsius steigen.

Dem Bericht zufolge verlagern bereits dieser Tage viele Tier- und Pflanzenarten ihre Lebensräume in weiter nördlich gelegene Breiten. Sollte es nicht gelingen, die Treibhausgas-Emissionen weltweit zu begrenzen, könnten im Alpenraum bis zum Jahr 2080 fast zwei Drittel aller Spezies aussterben.

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