UN-Artenschutzkonferenz:Das Fell des Bären gerecht verteilen

Im japanischen Nagoya berät die UN, wie sich die Artenvielfalt schützen lässt und Entwicklungsländer stärker von ihren eigenen natürlichen Ressourcen profitieren können. Anlass zu Optimismus gibt es nicht.

Im japanischen Nagoya hat die zehnte UN-Artenschutzkonferenz begonnen: Vertreter aus mehr als 190 Vertragsstaaten der Konvention zur biologischen Vielfalt (CBD) beraten über Maßnahmen gegen das massive Artensterben. Als einziger Industriestaat hat die USA die Konvention nicht ratifiziert.

UN-Artenschutzkonferenz: Waldrodungen auf Sumatra. In Japan diskutieren die UN, wie sich die Artenvielfalt schützen lässt. Auch sollen Entwicklungsländer stärker an den Gewinnen beteiligt werden, die die Nutzung ihrer natürlichen Ressourcen bringt.

Waldrodungen auf Sumatra. In Japan diskutieren die UN, wie sich die Artenvielfalt schützen lässt. Auch sollen Entwicklungsländer stärker an den Gewinnen beteiligt werden, die die Nutzung ihrer natürlichen Ressourcen bringt.

(Foto: AFP)

Bei den zwölftägigen Gesprächen soll ein neues Ziel für den Erhalt von Tier- und Pflanzenarten bis 2020 gesteckt werden, die unter anderem durch das Wachstum der Weltbevölkerung zunehmend gefährdet sind. Außerdem geht es darum, wie die Gewinne aus natürlichen Ressourcen wie dem Regenwald sowie die Kosten für ihren Erhalt gerecht verteilt werden können. Dazu soll ein verbindliches Protokoll gegen die sogenannte Biopiraterie verabschiedet werden.

Diesem ABS-Protokoll (Access and Benefit-Sharing) zufolge sollen künftig etwa Pharmakonzerne, die Arzneien aus Wirkstoffen tropischer Pflanzen gewinnen, der Bevölkerung des Ursprungslandes der Pflanze einen Teil des Profits abgeben.

Viele offen Fragen

Besonders die Entwicklungsländer sprechen dem ABS-Protokoll eine große Bedeutung zu. Für sie könnte diese Vereinbarung die Chance auf einen vertraglich geregelten Technologietransfer oder zusätzliche Zahlungen aus den Industrieländern sein. Unter diesen Voraussetzungen würden diese Länder eher einem Abkommen zum langfristigen weltweiten Naturschutz zustimmen.

Zu Beginn der Verhandlungen gibt es noch viele offen Fragen: So konnten sich die Staaten bisher nicht einigen, wann das Protokoll in Kraft treten soll. Zahlreiche Entwicklungsländer befürworten einen rückwirkenden Prozess. Auch ist unklar, was mit Ressourcen geschieht, die außerhalb der Staatengrenzen liegen, wie etwas im Ozean.

Die Konvention über biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity) ist ein Schlüsselabkommen des UN-Umweltgipfels von 1992 in Rio de Janeiro. Zentrales Ziel ist der Erhalt des natürlichen Reichtums an Tier- und Pflanzenarten, eine schonende Nutzung des natürlichen Reichtums und eine gerechte Verteilung der Gewinne.

Die internationale Gemeinschaft hatte es darüber hinaus zu einem der UN-Milleniumsziele erhoben, bis 2010 das weltweite Artensterben maßgeblich zu verringern. 2010 erklärte sie zum internationalen Jahr der Artenvielfalt. Das vorgegebene Ziel wurde allerdings nicht erreicht, die Zerstörung von Lebensräumen ging nahezu ungebremst weiter.

Der Umweltorganisation Worldwide Fund for Nature (WWF) zufolge sterben täglich bis zu 150 Tier- und Pflanzenarten aus. Der kürzlich veröffentlichte "Living Planet Report" der Organisation zeigt am Beispiel von 2500 ausgewählten Arten einen durchschnittlichen Rückgang von 30 Prozent seit 1970. Besonders groß ist der Artenverlust in den Entwicklungsländern. Ähnlich dramatisch sind die Angaben der Internationalen Union für die Erhaltung der Natur (IUCN): Knapp ein Viertel der Säugetiere, ein Drittel der Amphibien und mehr als jede achte Vogelart sind vom Aussterben bedroht. Auch mehr als jeder fünften Pflanzenart droht das Ende.

Deutschland ein "ökologisches Schuldnerland"

"Um die Nachfrage nach Nahrung, Energieträgern und anderen natürlichen Rohstoffen zu decken, bräuchte man jetzt schon einen zweiten Planeten", warnte WWF-Vorstand Eberhard Brandes. Der scheinbare Wohlstand in den Ländern mit hohem Einkommen werde mit dem biologischen Reichtum unter anderem der Tropen erkauft. Auch Deutschland gehöre zu den "ökologischen Schuldnerländern".

Neben der "Volkszählung ausgewählter Arten" untersuchte die alle zwei Jahre erscheinende Langzeitstudie auch den sogenannten ökologischen Fußabdruck. Dieser gibt pro Kopf an, wie viel Produktionsfläche für den jährlichen Rohstoffverbrauch nötig ist.

Deutschland hinterlässt demnach einen ökologischen Fußabdruck von fünf Hektar pro Einwohner. In den USA und den Vereinigten Arabischen Emiraten beträgt dieser sogar nahezu zehn Hektar. Würden die natürlichen Schätze der Erde gerecht verteilt, stünden jedem Erdenbürger laut WWF maximal 1,8 Hektar zu. Der WWF fordert, jetzt 15 Prozent der Erdoberfläche zum Schutzgebiet zu erklären.

Auch Forscher aus acht Ländern haben im Fachmagazin Science verbindliche Ziele für die nächste UN-Artenschutzkonferenz angemahnt. Die Konferenz sollte die Leistungen der Natur für die Menschen stärker berücksichtigen. Dazu zählen die Versorgung mit Wasser oder Nahrung, die Klimaregulierung aber auch kulturelle Aspekte wie Erholung. Einer UN-Studie zufolge werden 60 Prozent dieser sogenannten Ökosystemdienste gerade zerstört.

"Es wäre also nur sinnvoll, das Erhalten der biologischen Vielfalt mit dem Bewahren dieser Dienstleistungssysteme zu verbinden", erläuterte der Jenaer Ökologe Wolfgang Weisser. Dadurch werde eine Art Währung eingeführt, mit der sich etwa der Wert einzelner Flächen besser bemessen lasse.

In ihrem Artikel fordern Weisser und 13 weitere Forscher zudem eine Abstufung der Ziele bis 2020 auf realistische Schritte. "Es gibt genug Brände, die bereits vor dem Jahr 2020 gelöscht werden müssen. Ziele müssen nach Prioritäten geordnet und realistisch umsetzbar sein", betonte Weisser.

Der WWF appellierte an die Bundesregierung, den Umweltschutz nicht nur im Umweltministerium anzusiedeln. Auch das Bundesfinanz- und Bundeswirtschaftsministerium müssten die Wahrung der Natur und der biologischen Artenvielfalt in ihre Entscheidungen einbeziehen.

Besonders der Energieverbrauch sei in den vergangenen 50 Jahren drastisch angestiegen, heißt es in ihrer Untersuchung weiter. Auch in Ländern wie China, Indien, Brasilien und Russland steige dieser immer weiter. Mittlerweile entfalle fast die Hälfte des weltweiten ökologischen Fußabdrucks auf die Bereitstellung von Energie. In Deutschland hat sich dieser Anteil in den vergangenen 50 Jahren verzehnfacht. Fundamentale Herausforderung sei eine nachhaltige Energieversorgung. In die Energieeffizienz sowie in die Umstellung auf erneuerbare Energien müsse investiert werden.

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