Umweltschutz:Die grüne Moschee

Hassan-II Moschee

In den Moscheen Marokkos ist Energiesparen ein Thema.

(Foto: picture-alliance / dpa/dpaweb)

In Marokko werden immer mehr Moscheen mit Solaranlagen ausgestattet. Und Imame predigen die Energiewende.

Von Susanne Götze

Wenn im Dorf Tadmamet die Sonne hinter den Bergspitzen des Atlas-Gebirges verschwindet, wird es innerhalb von Minuten stockdunkel. Wer nach Sonnenuntergang in dem zerklüfteten Tal rund 50 Kilometer südlich von Marrakesch strandet, muss bleiben. In wenigen Häusern geht das Licht an, auf den steilen Wegen sieht man die Hand vor Augen nicht. Laternen kennen die Dorfbewohner nur aus den Städten. In der Hütte des Bauern Brahim id Abdeslam brennt eine Energiesparlampe. Es ist die einzige Beleuchtung, die er in seinem aus Lehmziegeln gebauten Haus hat - aber auf die ist er mächtig stolz. Der Bauer besitzt ein paar Hühner, einige Kartoffelfelder, Oliven- und Mandelbäume. Damit kommt er gerade so über die Runden. Um den Strom für seine Energiesparlampe zu bekommen, muss er einmal pro Woche ins nächste Dorf fahren und eine Prepaid-Chipkarte aufladen. Mit der kann er dann seinen Stromzähler freischalten.

Beim Kauf der Energiesparlampe blieb es nicht. "Vor ein paar Jahren habe ich von einer Rede des Königs über erneuerbare Energien gehört - das hat mir gefallen", erzählt der Mittfünfziger. Zusammen mit anderen Dorfbewohnern gründete Brahim id Abdeslam einen Verein, um eine neue Moschee zu bauen. Das neue Gotteshaus sollte etwas ganz Besonderes werden. "Wir wussten, dass wir enorme Vorteile haben, wenn wir unsere Moschee mit erneuerbarer Energie ausstatten - auch weil wir dann kein Chipkartensystem mehr brauchen."

Was sie sich selbst für ihre Häuser nicht leisten können, gelang beim Moscheebau: die Installation von 16 Solarpaneelen und einer Solarthermie-Anlage auf dem Dach. Davon profitiere das ganze Dorf, erzählt Brahim stolz, denn die Moschee ist Treffpunkt und einziger Versammlungsort im Dorf. Hier können Familien und Nachbarn abends lesen, sticken oder sich zum Tee treffen. Die Moschee ist energieautark, eine kleine Batterie speichert den Strom für die Abende.

Noch ist die Moschee nicht ganz fertig, Gerüste stehen in den Gebetsräumen, die Treppe zur Minarettspitze hat noch kein Geländer. Gebaut haben die Dorfbewohner ihre Moschee selbst, mit Unterstützung der deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Es ist das erste vollständig energieeffiziente Gotteshaus in Marokko: Gedämmt mit ökologischen Baumaterialien, ausgestattet mit LED-Lampen und versorgt mit Solarstrom.

Die Moschee von Tadmamet ist eine von 600 Moscheen in Marokko, die binnen drei Jahren "grün" werden sollen. Angeschoben hat das Programm König Mohammed VI. selbst, der im marokkanischen System über weitreichende politische und religiöse Macht verfügt. Umgesetzt wird es vom Religionsministerium, durch Spenden und Hilfsprogramme, auch von der GIZ. Die "Grünen Moscheen" sind kein gewöhnliches Sanierungsprogramm, sondern eine Art Energiewende-Kampagne. Der König will, dass die Bürger aus Überzeugung Strom sparen. Deshalb erwähnt er in seinen Reden regelmäßig die Vorzüge von Solar- und Windstrom. Außerdem hat das Staatsoberhaupt den muslimischen Predigern eine ökologische Ausbildung verordnet.

In einem ruhigen Vorort von Marrakesch steht ein mit Solarpaneelen verkleidetes Gebäude. Hier arbeiten die Erfinder der Moscheen-Kampagne in der Nationalen Agentur für Energieeffizienz. In einem hellen Raum sitzen 15 Imame in drei Sitzgruppen zusammen. Sie blättern im Koran und diskutieren. "Am Vormittag erklären wir den Predigern die physikalischen Grundlagen", erklärt der Seminarleiter Mohamed Yessou, der lieber nicht mit seinem richtigen Namen genannt werden möchte. Er zeigt auf eine Apparatur mit einer Glühbirne, einer Energiesparlampe und einer LED-Leuchte. Er knipst alle drei Lampen an. "Wir erklären ihnen zum Beispiel, dass es vom Licht her keinen Unterschied macht, welche Birne sie in ihrem Gebetsraum einsetzen - für die Umwelt und ihre Stromrechnung aber schon."

Der Koran als Ökofibel

Nach dem Crashkurs in Sachen Energiewende wenden die Imame ihr Wissen auf den Koran an: "Gerade haben wir Grundsätze des Islam aus dem Koran herausgeschrieben", erklärt Yessou. Natürlich finde man so etwas wie Energiesparlampen oder Elektrizität nicht in der Heiligen Schrift - aber im Grunde sei der Koran eine richtige Ökofibel.

Er zeigt auf den Beamer, der acht Grundsätze des Koran an die Wand projiziert. "Esst und trinkt aber nicht im Übermaß, denn ER (Allah) mag jene nicht, die im Übermaß leben, Al Araf 31", steht da, oder "Denn die Verschwender sind die Brüder des Teufels, Al Isra 27." Neben den LED-Lampen liegt ein Koran. "Die Botschaft ist ganz einfach: Energie zu verschwenden ist nicht im Sinne unseres Glaubens", sagt Yessou. Aus diesen neuen Erkenntnissen machen die Imame nun Predigten.

"Mit dem Programm erreichen wir schon heute jeden Freitag zum Gebet fünf Millionen Gläubige", erklärt Sonia Mezzour, Generalsekretärin der Energieeffizienzagentur, bei der UN-Klimakonferenz. "Unsere Geistlichen genießen ähnlich wie der König ein großes Vertrauen bei den Menschen", sagt die frühere Energieministerin von Marokko. "Wenn wir alle unsere Moscheen umrüsten, können wir bis zu 40 Prozent der Stromkosten unserer Gotteshäuser sparen, sechs Millionen Dollar pro Jahr." Auf der Klimakonferenz in Marrakesch versucht Mezzour gerade, Energieminister und Religionsvertreter aus Jordanien, Tunesien und dem Sudan zu überzeugen. Die Vision der Ingenieurin: Schon bald sollen Imame auf der ganzen Welt die Energiewende predigen.

Bei der Weltklimakonferenz in Paris im Dezember 2015 hatten sich Vertreter der Weltreligionen gemeinsam dafür ausgesprochen, erneuerbare Energien zu unterstützen, da laut Abschlusserklärung "das Universum nur ein Geschenk ist, was wir von Gott erhalten haben". Deshalb sei es eine Pflicht, dieses Geschenk zu schützen.

In Marrakesch sind dann pünktlich zum Start der UN-Klimakonferenz 2016 mehrere Moscheen umgerüstet worden, darunter auch das größte marokkanische Gotteshaus "Koutoubia" in der Altstadt. Das Projekt im kleinen Dorf Tadmamet hat der Deutsche Jan-Christoph Kuntze von Beginn an für die GIZ begleitet. "In ländlichen Regionen sind erneuerbare Energien vor allem eine soziale Errungenschaft und ein großer Fortschritt im Leben der armen Bevölkerung", sagt er. Kuntze hofft, dass die Moschee ein Vorbild für andere Dörfer wird und sich die Vorteile herumsprechen.

Für das Dorf ist die grüne Moschee mehr als eine Klimaschutzmaßnahme. "Der Solarstrom ist gut für uns, weil wir weniger für Strom bezahlen müssen", sagt der Dorfbewohner und Bauarbeiter Hussein Ait Hussein. Er hat das erste Mal in seinem Leben eine Solaranlage installiert. "Wir sind sehr arme Leute und froh, dass unser zentraler Treffpunkt im Dorf nun unabhängig ist."

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