Umwelt-Bilanz:Eine Erde ist nicht genug

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Die Ressourcen, die unser Planet im Jahr 2006 hervorbringen kann, haben wir bereits aufgebraucht. Jedes Jahr kommt die Weltbevölkerung früher ins Öko-Defizit. Und wären alle Menschen Amerikaner, bräuchten wir vier weitere Planeten, um sie zu versorgen.

Markus C. Schulte von Drach

Nicht nur Personen, Länder und Nationen machen Schulden. Auch die ganze Menschheit lebt offenbar über die Verhältnisse, die man sich auf unserem Planeten leisten kann.

Würde die ganze Menschheit so viel verbrauchen wie die Industrieländer, bräuchten wir zusätzliche Planeten. (Foto: Foto: dpa)

Denn: Wir verbrauchen die Ressourcen unseres Planeten schneller, als die Erde sie ersetzen kann.

Stellt man den jährlichen Verbrauch von Nahrung, Trinkwasser und nutzbarem Boden jenen Mengen gegenüber, die auf dem Globus in zwölf Monaten neu entstehen können, dann stellt man fest, dass es im Jahr einen Tag gibt, an dem wir beginnen, ökologische Schulden aufzunehmen:

Bereits zu diesem Zeitpunkt haben wir verbraucht, was die Erde im ganzen Jahr bereitstellen kann.

Und dieser Tag fällt im Kalender auf ein immer früheres Datum, berichtet der amerikanische Think-Tank Global Footprint Network. Die Organisation, die die Idee vom "Tag der ökologischen Schulden" entwickelt hat, warnt, dass es dieses Jahr bereits am 9. Oktober so weit war. 1987 fiel der erste berechnete Schulden-Tag noch auf den 19. Dezember.

Wie das Netzwerk berichtet, sind die globalen ökologischen Schulden dieses Jahr damit bereits so angewachsen, dass die Erde 15 Monate bräuchte, um den Verbrauch zu decken.

Immenses Öko-Defizit

Anders ausgedrückt: Der Verbrauch der Ressourcen liegt dieses Jahr bereits fast um 30 Prozent über der jährlichen Biokapazität des Planeten - ein immenses ökologisches Defizit.

Um die Bedürfnisse der Weltbevölkerung zu stillen, bräuchten wir demnach nicht einen Planeten, sondern eine weitere Drittel-Erde zusätzlich.

Der britische Think-Tank New Economics Foundation (Nef), der mit dem Global Footprint Network zusammen arbeitet, hat eine ähnliche Berechnung für einzelne Länder angestellt.

Amerikaner bräuchten fünf Planeten

Die Ergebnisse sind ernüchternd: Würde die Weltbevölkerung zum Beispiel den Ressourcenverbrauch der Amerikaner übernehmen, bräuchten wir mehr als vier zusätzliche Planeten, wären wir alle Franzosen oder Briten, so würde uns die Erde x 3 reichen.

Würde der deutsche Verbrauch auf die Weltbevölkerung übertragen, so wären insgesamt zweieinhalb Planeten notwendig, um unsere Bedürfnisse zu stillen.

Als Chinesen dagegen würden wir - noch - weniger ressourcenintensiv leben: Ein 20 Prozent kleinerer Planet würde schon reichen. Und als Inder würden wir mit weniger als der Hälfte der Erde auskommen.

Doch wir sind nicht alle Inder. Und so begegnet die Menschheit dem ökologischen Defizit derzeit damit, zusätzliche Ressourcen flüssig zu machen, Ressourcen, die in den nächsten Jahren wieder fehlen werden.

"Dass wir so sehr über unsere Verhältnisse leben und dermaßen viele Schulden anhäufen, bedeutet, gleich zwei Fehler zu begehen", erklärte Andrew Simms von der Nef.

"Wir verweigern Millionen Menschen, die jetzt bereits keinen Zugang zu ausreichend fruchtbarem Boden, Nahrung und Trinkwasser haben, die Chance, ihre Bedürfnisse zu stillen", so Simms, dessen Organisation den Amerikanern bei der Erstellung ihres Berichts unterstütz hat. "Außerdem gefährden wir die Mechanismen, mit denen der Planet das Leben erhält."

Wie Mathis Wackernagel vom Global Footprint Network erklärt, überzieht die Menschheit ihre "ökologische Kreditkarte". Eine Weile, so Wackernagel, könne man sich dies leisten - doch letztlich führe dieses Verhalten zu "einer Erschöpfung der Ressourcen, etwa der Wälder, Ozeane und des fruchtbaren Bodens, von denen unsere Wirtschaft abhängt".

Doch die Folgen spüren wir bereits jetezt, so warnt die Nef: Klimaerwärmung, Entwaldung, Zusammenbruch der Fischbestände, Artensterben, unsichere Energieversorgung, Wasserknappheit und Ernteausfälle.

Deutscher Öko-Schuldentag: 29. Mai

Die Briten haben auch für eine Reihe von Industrie-Ländern den nationalen "Tag der ökologischen Schulden" errechnet - den Tag, ab dem die Bürger dieser Staaten ihre Bedürfnisse nicht mehr aus ihrem eigenen Land heraus stillen können, sondern auf die Ressourcen der Welt zurückgreifen müssen.

In den Niederlanden ist dies bereits ab dem zweiten März der Fall, in Japan ab dem dritten März. Am 13. April beginnen die Italiener, mehr zu verbrauchen, als ihr Land produziert, und am 16. dieses Monats ist es bei den Briten soweit.

In Deutschland fällt der Schuldentag auf den 29. Mai, und am 24. Juni ist es in den USA soweit.

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