Überraschte Astrologen:Waage ist jetzt Jungfrau

Seit den Babyloniern erstellen Astrologen Horoskope anhand der zwölf Sternzeichen. Jetzt haben auch sie endlich bemerkt, dass es am Firmament heute ganz anders aussieht als vor 3500 Jahren.

Marlene Weiss

Eigentlich hätte die vergangene Woche für Waagen eine großartige Woche werden sollen. Ein guter Draht zur Venus, gesegneter Schlaf und ein erfreuliches Liebesleben - wieder einmal beste Aussichten also für Träger des Sternzeichens, die ohnehin schon von Natur aus optimistisch, extrovertiert und charmant sind.

Sternenklarer Himmel über den Schweizer Alpen

Was lässt sich aus den Sternen lesen? Eine weite Reise, die große Liebe? Oder doch eher der Winkel der Erdachse?

(Foto: Alessandro Della Bella/dpa)

Aber dann sprach Parke Kunkle, Astronom am Minneapolis Community College, mit einem Reporter der Tageszeitung Star Tribune. Danach war nichts mehr wie zuvor.

Dabei hat Kunkle eigentlich nur wiederholt, was Astronomen schon seit mehr als tausend Jahren erklären: Weil die Ausrichtung der Erdachse taumelt wie ein Kreisel in Zeitlupe, haben sich die Tierkreiszeichen deutlich verschoben, seit die Babylonier ihnen um das Jahr 1500 vor Christus eine Bedeutung für menschliche Charaktere und Schicksale zuordneten.

Damals, als die Astrologie entstand, war die scheinbare Bahn der Sonne am Himmel eine andere als heute: Um den 21. März herum, zur Tag- und Nachtgleiche vor Frühlingsanfang, trat die Sonne ins Sternbild Widder. So wurde der Widder das erste Zeichen im astrologischen Jahr, und ist es bis heute - auch wenn die Sonne mittlerweile von der Erde aus betrachtet zu Frühlingsanfang mitten im Sternbild Fische steht.

Ebenso ist es nicht ganz logisch, die Sonne in diesen Tagen zwischen Steinbock und Wassermann zu verorten, wie das viele Astrologen tun und daraus ein gesteigertes Wohlbefinden für dem Wassermann verwandte Zeichen wie Zwillinge und Waage ableiten. Tatsächlich hat die Sonne am Firmament eben erst den Schützen verlassen und wird noch bis zum 15. Februar im Steinbock stehen. Wobei sich natürlich weder die Sonne noch die Fixsterne bewegen, sondern wir als Bebachter: In der Astrologie ist eben vieles eine Frage der Perspektive.

Für Astronom Kunkle gab es noch einiges zurechtzurücken für die Astrologen. Wo er schon einmal dabei war, erinnerte er deren Gemeinde auch gleich an ein Modell, das der britische Astrologe Barry Parkinson schon im Jahr 1995 vorgeschlagen hat.

Demnach müssten die Tierkreiszeichen nicht nur verschoben, sondern sogar um eines ergänzt werden: Zwischen Skorpion und Schütze liegt nämlich ein weiteres Sternbild, der Schlangenträger. Richtet man sich nach der aktuellen Position der Erdachse in Bezug auf Sonne und Fixsterne, ist der Schlangenträger das Zeichen aller Kinder, die zwischen dem 29. November und dem 17. Dezember geboren werden.

Neues Sternzeichen: Schlangenträger

Nichts davon ist neu. Schon Ptolemäus wusste um die Kreiselbewegung der Erdachse, und der lebte im zweiten Jahrhundert nach Christus. In jeder Astronomie-Vorlesung für Anfänger wird das Phänomen behandelt.

Wolfsburger Planetarium

Als Sternbild gibt es ihn schon lange, als Sternzeichen ist er neu: der Schlangenträger Ophiuchus - hier im Wolfsburger Planetarium.

(Foto: dpa/dpaweb)

Trotzdem bedurfte es nun mehrerer US-Zeitungen, die die Geschichte aufgriffen, um die Astrologie-Gemeinde aufhorchen zu lassen. Seit auch noch die Nachrichtenagentur Associated Press sowie die US-Sender Fox und CBN vom Skandal am Firmament berichteten, laufen bei Astrologen die Telefone heiß. Verunsicherte Menschen wollen wissen, ob damit alle bisherigen Prognosen hinfällig seien.

Doch die Sterndeuter wissen sie zu beruhigen: "Horoskope enthalten viele Erfahrungswerte und Beobachtungen aus der Natur - gesammelt in Jahrtausenden. Das ist mehr als kalte Wissenschaft", zitiert beispielsweise die Bild-Zeitung die hauseigene Astrologin Mauretania Gregor.

Mit den Sternen hat Astrologie nach Ansicht der Astrologen also nicht mehr viel zu tun, jedenfalls nicht in der westlichen oder sogenannten tropischen Astrologie. Die richtet sich in erster Linie nach der Position der Erde im Verlauf des Jahres, die babylonischen Tierkreiszeichen sind dafür nur noch Bezeichnungen. Das Schicksal etwa des Widders wird demnach nicht direkt durch die Sterne im Sternbild Widder bestimmt, sondern durch den Frühlingsanfang, der früher zufällig mit der Position der Sonne im Widder zusammenfiel.

Anders die siderische Astrologie, die in Asien populärer ist und tatsächlich den Fixsternen die entscheidende Rolle gibt. Für Anhänger dieser Sichtweise wäre es tatsächlich deutlich konsequenter, das 13-Zeichen-System von Barry Parkinson anzuwenden. Skorpione hätten dann Seltenheitswert, nur gerade sechs Tage lang steht die Sonne im namensgebenden Sternbild.

Auch die anderen Zeichen haben sich längst verschoben und wandern weiter, um etwa einen Tag in 70 Jahren. Demnach irrt, wer zwischen dem 24. September und dem 23. Oktober Geburtstag hat und sich deshalb für eine Waage hält: Am Tag seiner Geburt stand die Sonne in der Jungfrau.

Somit ist es Essig mit dem dynamischen Einfluss von Venus und Saturn, auf den Waagen bislang ihren lockeren Charakter und das auffallend gute Aussehen zurückführten. Stattdessen müssten sie jetzt den Sternen zufolge mit dem weit weniger beliebten Sternzeichen Jungfrau vorliebnehmen, das vom Merkur bestimmt wird. Jungfrauen gelten als schüchtern, bescheiden und pedantisch. Welch ein Abstieg. Aber so steht es nun einmal in den Sternen.

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