Tropenkrankheiten:Fataler Mangel an Medikamenten

Jedes Jahr sterben Millionen Menschen an Malaria, Tuberkulose oder Durchfall. Doch Regierungen und Pharmakonzerne vernachlässigen die Seuchen der Südhalbkugel.

Kristina Läsker

München - Wer südlich des Äquators aufwächst, leidet oft an Krankheiten, für die es keine oder nur veraltete Medikamente gibt. Drei Millionen Menschen sterben jedes Jahr an Tuberkulose und Malaria. Bisher war unbekannt, wie viel Geld in die Erforschung von Tropenkrankheiten fließt.

Tropenkrankheiten: Eine Aufnahme des Fotografen James Nachtwey zeigt einen Tuberkulosepatienten. Das Bild soll im Rahmen einer Kampagne auf die "Extrem medikamentenresistente Tuberkulose" hinweisen.

Eine Aufnahme des Fotografen James Nachtwey zeigt einen Tuberkulosepatienten. Das Bild soll im Rahmen einer Kampagne auf die "Extrem medikamentenresistente Tuberkulose" hinweisen.

(Foto: Foto: James Nachtwey/The Emergency Room)

Eine Studie namens G-Finder aus Australien bringt traurige Gewissheit: Demnach haben Geldgeber 2007 weltweit nur 2,5 Milliarden Dollar investiert, um Pillen, Impfstoffe oder Tests für die 30 häufigsten Tropenkrankheiten zu entwickeln. Das ermittelte das George Institute im Auftrag der Bill & Melinda Gates Stiftung.

Dieser Forschungsaufwand ist winzig im Vergleich zu den Budgets einzelner Länder. Allein in Deutschland haben die hier angesiedelten Arzneimittelhersteller 2008 etwa 4,52 Milliarden Euro und damit knapp das Doppelte in die Entwicklung neuer Präparate gesteckt, meldet der Verband Forschender Arzneimittelhersteller.

Doch damit werden oft Leiden adressiert, für die es bereits Therapien gibt, die aber Geld bringen: wie Diabetes, Arthritis und Schlaganfälle. Die Studie aus Australien belegt, was Pharmaexperten "die 90-zu-10-Lücke" nennen: Für Krankheiten, an denen 90 Prozent der Menschheit leiden, stehen nur zehn Prozent der Forschungsmittel zur Verfügung.

Im vergangenen Jahr hat die deutsche Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) versprochen, bis 2010 etwa 600 Millionen Euro in den Globalen Fonds zur Bekämpfung von HIV/Aids, Tuberkulose und Malaria einzuzahlen.

Doch was sich großzügig anhört, kritisieren viele Nicht-Regierungs-Organisationen als knausrig. Deutschland belegt laut der Studie nur einen hinteren Rang bei den staatlichen Ausgaben für Tropenkrankheiten. Die Ergebnisse zeigen, dass viel geredet, aber wenig getan wird (siehe Grafik), trotz Staatsgröße.

Die zwölf geberfreundlichsten Nationen, darunter Schweden, Irland und Belgien, haben teils wesentlich kleinere Haushalte. Selbst Schwellenländer wie Brasilien oder Aufsteiger Russland geben mehr als Deutschland.

Am stärksten engagieren sich die USA. Teil des Dilemmas ist auch, dass wenig nachprüfbar ist, was die deutsche Regierung wirklich ausgibt. Das George Institute möchte die Zahlen für Deutschland jedenfalls nicht herausgeben: "Die Regierung hat uns nicht alle geforderten Daten zur Verfügung gestellt", sagt eine Sprecherin.

Grundsätzlich hält sich Deutschland eher zurück: "Grundlagenforschung und klinische Tests sind nicht der Fokus deutscher Entwicklungshilfe-Politik", sagte die parlamentarische Staatssekretärin Karin Kortmann Anfang der Woche bei einer Tagung zu vernachlässigten Krankheiten in Berlin.

Armutszeugnis für die Pharmabranche

Hilfsorganisationen halten das für verantwortungslos: "Als Land mit der drittstärksten Wirtschaftskraft der Welt und mit großen Forschungskapazitäten muss Deutschland die öffentliche Förderung für Tuberkulose, Malaria und Tropenkrankheiten massiv erhöhen", fordert Oliver Moldenhauer von Ärzte ohne Grenzen. Die Organisation will dieses Jahr etwa 18 Millionen Euro in vernachlässigte Krankheiten stecken.

Ein Armutszeugnis

Die Studie deckt außerdem eine Schieflage bei der Verwendung der Mittel auf: "Staatliche Finanzierungen zeigen eine starke Tendenz, sich auf wenige Krankheiten zu fokussieren", heißt es im Bericht.

Von den 2,5 Milliarden Dollar ist ein Großteil in nur drei Krankheiten geflossen: in Tuberkulose, Malaria und Aids/HIV. Andere Krankheiten mit hoher Sterbewahrscheinlichkeit wie Lungen- und Hirnhautentzündung, schlimme Durchfall- und Wurmerkrankungen oder Leishmaniose und das Dengue-Fieber bleiben oft unbehandelt.

Auch für die Pharmabranche ist die Studie ein Armutszeugnis. "Die Finanzierung bleibt das Gebiet von Staat und Philanthropen", so die Autoren. Knapp 91 Prozent der Ausgaben stammten 2007 von Staat oder Privatpersonen. Konzerne stecken ihre Milliarden lieber in den x-ten Cholesterinsenker als in einen Tuberkulose-Schnelltest.

"Die Bedürfnisse ärmerer Ländern werden weitgehend ignoriert, da unversicherte oder arme Patienten für Konzerne kein attraktiver Markt sind", sagt Pharma-Kritiker Moldenhauer. Das zeigen auch die Zulassungen: Zwischen 1974 und 2004 wurden 1556 neue Wirkstoffe genehmigt, berichtete die Zeitschrift Lancet. Nur 21 davon bekämpfen Tropenkrankheiten.

Allerdings gibt es Unterschiede im Verhalten der Konzerne. Europäische Hersteller wie Glaxo Smith Kline, Novo Nordisk, Novartis und Sanofi Aventis verschafften laut einer niederländischen Studie den Patienten in armen Ländern besseren Zugang zu Medikamenten als US-Konkurrenten wie Pfizer oder Schering-Plough.

Das hat die Stiftung Access to Medicine gemessen und eine Rangliste der Firmen erstellt. Diese basiert auf acht Kriterien, etwa der Anstrengung der Firma, den Zugang zu Präparaten zu vergrößern, der Höhe der Forschungsmittel für vernachlässigte Krankheiten, der Patentpolitik und einer fairen Preispolitik. Deutsche Konzerne liegen - wie ihre Regierung - mit ihrem Bemühen weit hinten: Bayer Schering landete auf Platz neun und Merck auf Rang 13.

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