Treibhausgase:Trockengelegte Moore verhageln die Klimabilanz

Viele frühere Moore sind heute trockene Äcker und Weiden. Aus dem Torf entweichen enorme Mengen Treibhausgas. Also zurück zum Morast? Dagegen sperren sich Landwirte.

Marlene Weiss

Dass Flugzeuge nicht gut fürs Klima sind, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Aber harmloses Acker- und Weideland? Wenn es früher einmal ein Moor war, kann es genauso schädlich sein: Etwa fünf Prozent tragen trockengelegte Moore in Deutschland laut Schätzungen zum Treibhausgas-Ausstoß bei, ähnlich viel wie der Luftverkehr.

Aus stillgelegten Mooren entweicht Treibhausgast

Werden Moore trockengelegt, mag das idyllisch aussehen. Fürs Klima ist es schlecht.

(Foto: dpa)

Denn ein gesundes Moor braucht Wasser; sobald man es austrocknet, richtet es Schaden an. Moorböden wachsen über Jahrtausende. Im feuchten Boden werden Pflanzenüberreste nicht vollständig abgebaut, aus ihnen bildet sich Torf. In diesem ist dann Kohlendioxid gespeichert, das die Pflanzen während ihres Lebens aus der Luft aufgenommen haben. Wachsende, gesunde Moore sammeln daher Kohlenstoff an - etwa 1,5 Tonnen pro Hektar und Jahr.

Anders ist es, wenn man die Böden entwässert, um Landwirtschaft auf ihnen zu betreiben, wie das seit dem 19. Jahrhundert massenhaft getan wurde. Dann kommt Luft an den CO2-Speicher, und Treibhausgas wird frei. So verhageln uralte Moorböden heute die Klimabilanz. Nur ein Zwanzigstel der deutschen Moore sind intakte Ökosysteme, sie stehen meist unter Schutz - der Rest ist größtenteils in Agrarland umgewandelt worden.

Matthias Drösler schätzt, dass trockengelegte Moore etwa 30 Prozent der gesamten Klimabelastung der Landwirtschaft verursachen. Dabei machen sie nur acht Prozent der Landwirtschaftsflächen aus. "Ein Riesenproblem", sagt der Vegetationsökologe und Moor-Experte der Hochschule Weihenstephan, dessen Berechnungen auch in die Klimaberichterstattung des Umweltbundesamtes und die Berichte des Weltklimarates IPCC eingehen.

Aber es ist nicht leicht, daran etwas zu ändern: Wenn Bauern aus einer Ackerfläche wieder ein nasses Moor machen, fallen Subventionen und Ernteeinnahmen weg. "Das ist die Logik der Landbewirtschaftung", sagt Drösler. Natürlich könnten die Landwirte einiges besser machen - aber dafür müsse es Entschädigungen geben, sagt er.

Sumpf als Kulturlandschaft?

In Österreich beginnen die Bundesforste und das Land Oberösterreich dieser Tage, Hochmoore im Salzkammergut wiederherzustellen. Über fünf Jahre sollen 77 Moore untersucht und wo nötig durch Wasserstau wieder durchnässt werden. Allerdings geht es dabei um einigermaßen erhaltene Moore; nicht etwa um Ackerland - das macht die Sache einfacher.

Man kann Moorwiesen auch nur zum Mähen trockenlegen und den Wasserpegel danach wieder anheben; wie zum Beispiel im Ochsenmoor, einem Naturschutzgebiet in Niedersachsen. 1995 begann man dort damit, das entwässerte Moor über einen Großteil des Jahres wieder zu fluten - ursprünglich Vögeln und Pflanzen zuliebe. Für sie hat es sich bewährt: Das Ochsenmoor ist heute wieder wunderschön, geschützte Vögel ziehen Nachwuchs groß, auf den von Herbst bis Frühjahr überfluteten Wiesen rasten Kiebitze. Aber eine Lösung für Bauern, die von ihren Moorflächen leben wollen, ist das nicht. "Landwirtschaft und Klimaschutz auf derselben Moorfläche, das ist an der Grenze des Zumutbaren", sagt Jürgen Göttke-Krogmann, der auf einer Naturschutzstation im Ochsenmoor arbeitet. Die Flächen werden zum Teil unter Auflagen gratis verpachtet, die Stauanlagen betreibt das Land. Trotzdem ist die Nutzung der Wiesen und Weiden wirtschaftlich kaum attraktiv.

Nicht einmal für das Klima ist das aufwendige System perfekt. Wenn ein Moor plötzlich mit Wasser überflutet wird, entweicht zunächst besonders klimaschädliches Methan, möglicherweise über Jahre. Bis danach unter dem Strich ein Nutzen fürs Klima steht, kann es sehr lange dauern. Besser wäre es, den Grundwasserspiegel sachte steigen zu lassen, sodass er knapp unter der Oberfläche bleibt. Den Bauern bringt das aber wenig: Auch wenn das Wasser anders als im Ochsenmoor nicht die Oberfläche erreicht, kann man den feuchten Boden nicht mit schweren Maschinen bewirtschaften.

Landwirte sind entsprechend wenig motiviert, ihre Äcker in Moore zurückzuverwandeln. "Es gibt noch zu wenig wissenschaftliche Erkenntnisse, wie Moorstandorte bei geringerem Treibhausgas-Ausstoß weiterhin produktiv genutzt werden können", sagt Steffen Pingen, Umweltreferent des Deutschen Bauernverbandes. "Eine flächendeckende Renaturierung ist nicht verhältnismäßig." In manchen Bundesländern wären ganze Regionen betroffen, zudem würden die Flächen für die landwirtschaftliche Erzeugung benötigt. Zwar könnte man schon durch alternative Nutzung viel verbessern, so stößt eine mäßig genutzte, trockene Moorwiese weniger Treibhausgas aus als ein Acker.

Aber Moorflächen nur noch als Wiesen zu nutzen und den Wasserstand möglichst hoch zu halten, ist für den Bauernverband auch keine realistische Option: Für Grünland brauche man eine sinnvolle Verwertung. "Nur Wiederkäuer können Gras zu Milch und Fleisch verwerten, als Mensch kann ich damit nichts anfangen", sagt Pingen.

Auch aus Blumentöpfen entweicht CO2

Die Lösung des Konflikts könnte "Paludikultur" heißen. Wenn Hans Joosten dieses schon von Natur aus schöne Wort mit seinem melodischen niederländischen Akzent ausspricht, klingt es ganz besonders sympathisch. Vor einem Jahrzehnt hat er es mit erfunden, nach Palus, lateinisch für Sumpf. Denn darum geht es den Biologen um Joosten an der Uni Greifswald: Sie wollen den Sumpf zu Kulturland machen.

Schilf oder Schwarzerlen etwa sind Energieträger und gedeihen auf sumpfigen Böden; aus Schilf und Lehm lässt sich isolierendes Baumaterial herstellen. Aber das ist nicht so einfach. "Man muss die ganze Kette organisieren: Wiedervernässen, Gewächse auswählen, man braucht Geräte zur Bewirtschaftung, man braucht jemanden, der das Material abnimmt, man muss Anreize schaffen", zählt Joosten auf; es ist alles in Arbeit, aber nichts geht von heute auf morgen, schon gar nicht das Umdenken. Und auch Gesetze müssten sich ändern: Wenn ein Bauer auf Schilfanbau umstellt, verliert er nicht nur seine Subventionen, sondern steht nach heutigem Recht auch noch mit einem Biotop da, das automatisch unter Naturschutz steht.

Auch Torfmoos für den Gartenbau kann man in Paludikulturen ernten, als Ersatz für natürlichen Torf - das testet Joostens Gruppe auf 4,5 Hektar mit einem Betrieb in Niedersachsen. Denn der Torf, auf dem Zierpflanzen im Gartencenter und Jungpflanzen für den Gemüseanbau wachsen, fällt nicht vom Himmel. Er wird in Mooren abgebaut, im Baltikum und in Russland, aber auch in Norddeutschland. Im Blumentopf wird das im Torf enthaltene CO2 frei und gelangt in die Atmosphäre. Etwa zehn Millionen Kubikmeter Torf werden nach Angaben des Bunds für Naturschutz BUND in Deutschland jährlich verbraucht, was ungefähr dem zwanzigfachen Innenvolumen des Petersdoms entspricht. Das Moor wird dafür nicht nur trockengelegt, sondern vernichtet.

Naturschutzverbände fordern deshalb ein Ende des Torfabbaus. "Ein Moor wächst unter guten Bedingungen maximal einen Zentimeter pro Jahr, das kriegt man nicht wieder hin", sagt Heidrun Heidecke, beim BUND für Naturschutzpolitik zuständig und einst Umweltministerin von Sachsen-Anhalt. "Eventuell kann man ein ganz nettes Feuchtgebiet daraus machen, das sieht vielleicht hübsch aus." Aber ein Moor? "Nein, das wird nicht wieder daraus."

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