Totes Meer:Ein Salzsee verschwindet

Das Tote Meer schrumpft in dramatischem Tempo: Der Wasserpegel fällt pro Jahr um 70 Zentimeter. Das hat weitreichende Folgen.

Axel Bojanowski

Urlauber, die auf dem Wasser treibend Zeitung lesen, haben das Tote Meer bekannt gemacht. Der hohe Salzgehalt des Sees zwischen Israel und Jordanien sorgt für enormen Auftrieb. In dem Gewässer ist pro Liter Wasser zehnmal so viel Salz gelöst wie im Mittelmeer. Haut- und Lungenkranke nutzen die heilsame Wirkung des Salzwassers.

Totes Meer: In den vergangenen 30 Jahren ist der See um 21 Meter abgesunken.

In den vergangenen 30 Jahren ist der See um 21 Meter abgesunken.

(Foto: Foto: AFP)

Doch viele der Kurhotels, die einst mit ihrer Uferlage warben, liegen mittlerweile Hunderte Meter landeinwärts. Der Pegel des Toten Meeres fällt rapide, pro Jahr um 70 Zentimeter, berichten Geoforscher um Shahrazad Abu Ghazleh von der Technischen Universität Darmstadt in Naturwissenschaften (Online).

Gefährliche Konsequenzen

Die Wissenschaftler warnen vor den Konsequenzen. Die Pegelabsenkung drohe, die Umgebung zu destabilisieren. Grundwasser unter den Landstrichen am Ufer strömt in den See. Es wäscht Salz aus dem Boden und hinterlässt Hohlräume. Immer häufiger reißt der Boden auf, so dass ganze Landstraßen verlegt, Campingplätze geschlossen und Fabrikgelände mit Beton untermauert werden mussten.

Auch Brücken sind vom Einsturz bedroht. Flüsse schneiden sich tiefer ins Land, weil sich ihre Mündung absenkt. Dabei vergrößern sich die Flusstäler, Brückenfundamente verlieren ihre Stabilität. Tiere und Pflanzen leiden ebenfalls, mahnen Umwelt-Verbände. An den Ufern des Sees leben in Oasen seltene Arten wie der Arabische Wolf. Ihr Bestand ist gefährdet, sollte das Tote Meer weiter schrumpfen.

Das Gewässer schrumpft, weil den Zuflüssen zu viel Wasser entnommen wird. Wasserknappheit zwingt Israel und Jordanien dazu, einen Großteil des Jordan-Flusses und anderer Ströme als Trinkwasser sowie für Plantagen und Industrie abzuzweigen. Auch die Salzgewinnung im Toten Meer senkt den Pegel.

In den vergangenen 30 Jahren sei der See um 21 Meter abgesunken, berichtet Shahrazad Abu Ghazleh. Er liegt nun 420 Meter unter dem Meeresspiegel; in den sechziger Jahren lag er noch 30 Meter höher. Die Oberfläche ist seither um ein Viertel geschrumpft. Der Grund des Toten Meeres bildet 720 Meter unter dem Meeresspiegel die tiefste Landstelle der Erde. Der See füllt einen Riss in der Erde, der durch die Bewegung des afrikanischen Kontinents hervorgerufen wird.

Um der Geschwindigkeit der Pegelabsenkung des Toten Meeres auf die Spur zu kommen, haben Shahrazad Abu Ghazleh und ihre Kollegen die Ufer inspiziert. Jeden Winter entstehen am Rand des Sees sogenannte Terrassen; sie bilden quasi Treppenstufen am Ufer.

Ein Salzsee verschwindet

Die Terrassen bilden sich im Winter, wenn Regengüsse den Wasserverlust des Toten Meeres ausgleichen. Der Pegel bleibt einige Monate konstant, so dass Brandung die Küste aushöhlt. Jede Terrasse steht für den Wasserpegel eines Winters.

Totes Meer: Eine Anlegestelle zeigt, wie hoch das Wasser einmal stand.

Eine Anlegestelle zeigt, wie hoch das Wasser einmal stand.

(Foto: Foto: dpa)

Die Geoforscher haben diese Treppenstufen abgezählt und daraus das Ausmaß der Absenkung des Wasserspiegels bestimmt. Falle der Pegel weiter wie bisher, sei das Tote Meer in gut 300 Jahren ausgetrocknet, resümiert der Umweltwissenschaftler Basel Asmar von der britischen Universität Nottingham.

Künstlicher Zufluss geplant

Aus Sorge um das Gewässer erwägen Israel und Jordanien einen künstlichen Zufluss für das Tote Meer - der See soll mit dem Roten Meer verbunden werden. Ein Kanal oder ein Rohr soll den Plänen zufolge Meerwasser einleiten.

Die 300 Kilometer lange Pipeline würde rund fünf Milliarden Euro kosten. Sie soll nicht nur der Rettung des Toten Meeres dienen, sondern zudem elektrischen Strom und Trinkwasser erzeugen. Das Gefälle zum Toten Meer verleihe dem Wasser genügend Schwung für die Energiegewinnung, meinen die Ingenieure.

Die Prüfung des Vorhabens ist jedoch noch nicht abgeschlossen. Neben der Finanzierung gibt es ökologische Probleme. Der Baubeginn ist noch nicht geplant. Einstweilen wird sich das Tote Meer weiter absenken, täglich um zwei Millimeter.

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