Tödliche Schlangen:Bisse im Dunkeln

Jedes Jahr sterben 100.000 Menschen weltweit nach einem Schlangenbiss, sagt die Weltgesundheitsorganisation. Doch neue Daten zeigen: Die Anzahl der Opfer wird offenbar stark unterschätzt.

Christian Weber

Bereits die offiziellen Zahlen der Weltgesundheitsorganisation WHO weisen auf ein dramatisches Gesundheitsproblem hin: Demnach werden jedes Jahr fünf Millionen Menschen auf der Welt von Schlangen gebissen; 300.000 von ihnen erleiden in der Folge dauernde Behinderungen und 100.000 Bissopfer sterben.

A man holds up a cobra before it is slaughtered at a restaurant in Le Mat

"Im 21. Jahrhundert ist der Schlangenbiss die am meisten vernachlässigte unter den vernachlässigten tropischen Krankheiten", sagt David Warrell von der University of Oxford.

(Foto: Reuters)

Doch höchstwahrscheinlich ist das Schlangenproblem noch um ein Vielfaches größer, wenn man den Vortragenden auf der Jahreskonferenz der American Society of Tropical Medicine and Hygiene in Philadelphia glauben darf - weil die Dunkelziffer wahrscheinlich extrem hoch ist.

"Im 21. Jahrhundert ist der Schlangenbiss die am meisten vernachlässigte unter den vernachlässigten tropischen Krankheiten", sagt der Mediziner David Warrell von der University of Oxford. Er stellte unter anderem eine vor kurzem im Fachmagazin PLoS Neglected Diseases publizierte Studie vor, wonach allein in Indien jedes Jahr 46.000 Menschen an den Folgen von Schlangengift sterben.

Die offizielle Gesundheitsstatistik zählte bislang nur 2000 Todesopfer. Ähnlich verhalte es sich in Bangladesch, wo 700.000 Bissopfer und 6000 Todesfälle gezählt wurden, sehr viel mehr als bisher gedacht.

Der Grund für die bisherige Fehleinschätzung dort liege darin, dass in dem asiatischen Land nur drei Prozent der Patienten von einem Arzt behandelt werden. Hingegen begeben sich 86 Prozent zu einem Schlangenbeschwörer. Die Bissopfer gelangen nicht bis zu einem Krankenhaus, weil der Weg dahin zu weit ist, es dort ohnehin an Gegengiften fehlt oder die Kosten zu hoch sind.

"Menschen sterben in ihren Dörfern, ohne dass sie das Gesundheitssystem belästigen", bestätigt Ulrich Kuch vom Biodiversität und Klima Forschungszentrum (BiK-F) in Frankfurt. "Sie schaffen es schlicht nicht in die Statistik."

Zu den Lichtblicken auf der Konferenz gehörten einfache, aber originelle Ansätze, wie man die Versorgung in den ländlichen Gebieten verbessern kann. So entwickelten Schweizer Forscher im südwestlichen Nepal ein Programm, bei dem Motorradbesitzer überzeugt wurden, dass sie freiwillig und rund um die Uhr Schlangenbissopfer in das nächste medizinische Zentrum fahren. Dies hatte zur Folge, dass dort statt der früher üblichen 10,5 Prozent nur noch 0,5 Prozent der Gebissenen starben.

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