Tinnitus:Verdächtige Lärmzellen aufgespürt

Tinnitus bringt die Menschen zur Verzweiflung: Sie hören Töne, die es nicht gibt. Forscher haben nun womöglich die Zellen im Ohr identifiziert, die dafür verantwortlich sind.

Fabian Seyfried

Babies können schon vor ihrer Geburt hören. Spezielle Zellen in ihren Ohren trainieren das Gehirn vorab, die akustischen Signale richtig zu verarbeiten.

Tinnitus: Ein Summen im Ohr kann Menschen zur Verzweiflung bringen.

Ein Summen im Ohr kann Menschen zur Verzweiflung bringen.

(Foto: Foto: Reuters)

Wissenschaftler der Johns Hopkins School of Medicine konnten nun den genauen Ablauf dieses Musikunterrichts ermitteln. In der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Nature (2007, 450: 50-55) vermutet das Team um Dwight E. Bergles, dass dieses System auch für Tinnitus verantwortlich sein könnte.

Die Forscher schauten sich die Zellen - sogenannte Hilfszellen - im Gehör von Ratten an. Bislang ging man davon aus, dass die kleinen Helferlein keine besondere Funktion erfüllen - in erwachsenen Tieren verhalten sie sich unauffällig. In den Ohren junger Ratten gaben die Hilfszellen jedoch rege elektrische Signale von sich, berichten Bergles und Kollegen.

Diese Impulse liefen zu den benachbarten Haarsinneszellen, die für das eigentliche Hören verantwortlich sind. Dort sorgten die elektrischen Reize für eine Reaktion, als ob das Gehör tatsächlich einen Ton vernommen hätte. So trainierten die Hilfszellen das Gehirn.

"Es wurde schon lange vermutet, dass Nervenzellen, die das Gehörorgan mit dem Gehirn verbinden, Töne oder andere Reize erleben müssen, um ihren Weg zum richtigen Hirnbereich zu finden", sagte Bergles. Anscheinend seien dafür die Hilfszellen verantwortlich: Sie spielen dem Gehirn verschiedene Töne vor, die es nicht wirklich gibt.

Sobald das Gehör funktioniert, schalten sich die Hilfszellen ab. Später könnten sie jedoch erneut Töne vorgaukeln, so die Neurologen. Sehr laute Geräusche sorgen nach Erkenntnissen der Forscher dafür, das im Ohr Signalstoffe ausgeschüttet werden, die die Hilfszellen anschalten. Tinnitus oder ein Rauschen im Ohr könnten dann die Folge sein.

Bislang ist die Ursache von Tinnitus nicht bekannt. Lärm, Stress, Krankheiten und Stoffwechselstörungen stehen im Verdacht, die andauernden Töne auszulösen.

Insgesamt leiden knapp eine Millionen Deutsche stark unter der Erkrankung, schätzt die Deutsche Tinnitus Liga e.V. in Wuppertal. Manchen Betroffenen helfen Hörgeräte, die Geräusche auf ein erträgliches Maß zu reduzieren. Zudem gibt es spezielle Schulungen, in denen die Patienten lernen, mit dem Tinnitus zu leben. Sollten weitere Forschungen bestätigen, dass die Hilfszellen die Grundlage von Tinnitus bilden, so öffnet dies möglicherweise den Weg für neue Behandlungskonzepte.

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