Tierschutz:Für Rudolph wird es eng

Tierschutz: Rentiere sind vom Aussterben bedroht.

Rentiere sind vom Aussterben bedroht.

(Foto: AP)

Die größte Rentier-Herde der Welt ist in den vergangenen Jahren dramatisch geschrumpft. Steigende Temperaturen und der Mensch machen den Tieren zu schaffen.

Von Marlene Weiß

Die größte Rentierherde der Welt ist in den vergangenen Jahren dramatisch geschrumpft: Um etwa 40 Prozent sei die Zahl der Tiere auf der Taimyr-Halbinsel in Nordrussland seit dem Jahrtausendwechsel zurückgegangen. Das berichteten Forscher um Andrey Petrov von der University of Northern Iowa beim Jahrestreffen der American Geophysical Union (AGU). Demnach leben in der betroffenen Region im Norden Russlands derzeit noch rund 600 000 Rentiere, was etwa dem Stand von 1986 entspricht.

Klimawandel und Menschen setzen den Rentieren offenbar mehr und mehr zu. Aus Satelliten-Daten schließt die Forschergruppe um Petrov, dass die Herden weiter östlich leben als früher, um den wachsenden Siedlungen auszuweichen. Zugleich ziehen sie im Sommer immer weiter nach Norden und in höher gelegene Gebiete - mutmaßlich auf der Flucht vor steigenden Temperaturen und den damit einhergehenden Mückenplagen. Das aber macht das Leben härter für die Tiere, die mit ihren Kälbern unterwegs sind: "Taimyr-Rentiere müssen weitere Strecken zwischen den Winter- und Sommergebieten überwinden, das steigert die Kälber-Sterblichkeit", sagte Petrov bei einer Pressekonferenz der AGU. Hinzu kämen Flüsse, die immer früher eisfrei sind, so dass die Rentiere auf ihrer Migration hindurchschwimmen müssen - was für die schwachen und jungen Tiere oft ein tödliches Risiko darstellt.

"In der Tschuktschensee sehen die Eisbären dick und gesund aus"

Nach Petrovs Daten sind die Rentier-Bestände fast überall rund um die Arktis zurückgegangen, nur in Ostkanada, Alaska und auf der Tschuktschen-Halbinsel gibt es noch einzelne wachsende Herden. Im diesjährigen Update der Roten Liste der Internationalen Naturschutz-Union IUCN wurden die Tiere erstmals als "Vulnerable" eingestuft, verletzlich. Insgesamt sollen die Bestände über drei Generationen - etwa 24 Jahre - von 4,8 Millionen Tiere auf 2,9 Millionen zurückgegangen sein, allerdings ist die Unsicherheit groß. Auch die IUCN nennt als Gründe schrumpfenden Lebensraum durch Straßen und Siedlungen - und den Klimawandel.

In den Dreißigerjahren des 20. Jahrhunderts gab es schon einmal einen bedrohlichen Rückgang der Rentierzahlen, als unkontrollierte Jagd der Menschen und Attacken durch Wölfe die Bestände dezimiert hatten. Damals sollen in der Region der Taimyr-Halbinsel nur noch gut 110 000 Rentiere gelebt haben. Bis 1969 - das erste Jahr, aus dem es verlässliche Daten gibt - hatte sich die Herde bereits auf mehr als 300 000 Tiere erholt. Auch danach wuchs sie immer weiter, bis um das Jahr 2000 der bisherige Höchststand von mehr als einer Million Tiere erreicht war.

Das Meereis schmilzt jährlich um 53 000 Quadratkilometer

Neben dem Zustand der Rentiere haben Forscher auch die Eisbären-Bestände in der Arktis untersucht. Seit 1979 ist dort das Meereis nach Angaben der Nasa im Schnitt um 53 000 Quadratkilometer pro Jahr zurückgegangen. Das schadet den Tieren erheblich, da sie bei ihrer Lebensweise auf das Eis angewiesen sind: Eisbären jagen von Eisschollen aus nach Robben und Fischen - ohne Eis wird ihr Jagdgebiet lebensbedrohlich eingeschränkt. Trotzdem entwickeln sich die Tierbestände sehr unterschiedlich: Nicht überall gehen sie zurück, in manchen Regionen sind sie stabil oder wachsen.

"In der Tschuktschensee zum Beispiel sehen die Eisbären dick und gesund aus und pflanzen sich gut fort", sagte Kristin Laidre von der University of Washington bei der Pressekonferenz zur AGU-Tagung. Das könne daran liegen, dass sie in der Region ausreichend Nahrung finden. Wenn üppige Beute vorhanden ist, könnten die Bären womöglich einen Rückgang des Eises verkraften, bevor sich Einbrüche zeigen. In anderen Regionen hingegen, etwa in der westlichen Hudson Bay, gingen die Eisbären-Zahlen mit dem Eis zurück.

Wie es in Zukunft weitergeht, hängt davon ab, wie sich das Eis weiter entwickelt - und wie die Eisbären darauf reagieren. Für die Naturschutz-Union IUCN haben Laidre und ihre Kollegen verschiedene Szenarien untersucht, mit teils sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Insgesamt aber kamen die Forscher zu dem Schluss, dass es in drei bis vier Jahrzehnten wahrscheinlich mindestens 30 Prozent weniger Eisbären geben wird als heute. Aufgrund dieser Bewertung gelten die Eisbären auf der IUCN-Liste weiter als "verletzlich". Eine Hochstufung auf "bedroht" hält die IUCN noch nicht für nötig.

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