Tierschutz:Drohnen über der Savanne

Afrikanische Elefanten Loxodonta africana Zuchtherde in einem Süßwassersumpf Luftaufnahme Okav

Elefanten mit Drohnen zu überwachen ist ein Problem. Die Tiere haben Angst vor dem summenden Geräusch.

(Foto: imago/imagebroker)

Artenschützer rüsten technisch auf, um bedrohte Spezies besser vor Wilderern zu schützen. Ein neues Fluggerät findet die Tiere auch nachts.

Von Tina Baier

Menschen, die bedrohte Tiere vor Wilderern schützen, stellt man sich gemeinhin als Idealisten vor, die in klapprigen Jeeps durch die Gegend rumpeln. Immer auf der Suche nach ihren Schützlingen oder deren Feinden, die ihnen nach dem Leben trachten. In der Realität wird der Kampf um den Erhalt der Arten inzwischen mit modernster Technik geführt. Tierschützer können zum Beispiel mithilfe von Satellitenbildern vom Schreibtisch aus fast in Echtzeit verfolgen, wann und wohin Tierherden wandern und wo Regenwald großflächig vernichtet wird. Immer öfter kommen auch Drohnen zum Einsatz. "Diese Technik entwickelt sich zurzeit rasend schnell", sagt Christof Schenck, Geschäftsführer der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt (ZGF). Auf der European Week of Astronomy and Space Science im britischen Liverpool haben Wissenschaftler jetzt eine neuartige Drohne vorgestellt, welche mit einer Technologie arbeitet, die bis jetzt nur in der Astronomie eingesetzt wurde.

Das Fluggerät ist mit einer Infrarotkamera ausgestattet und kann Tiere - und Menschen - aufgrund der Wärme aufspüren, die ihr Körper abgibt. Und das nicht nur tagsüber, sondern auch nachts und sogar wenn sie, wie beispielsweise im Regenwald, unter dichter Vegetation verborgen sind. Das Problem sei aber zunächst gewesen, dass die Drohne nicht in der Lage war, verschiedene Tierarten zu unterscheiden, berichteten die Forscher der Liverpool John Moores University. Sie erkannte nur, wo sich Tiere aufhielten, nicht aber, ob es sich dabei um Elefanten, Nashörner oder Nilpferde handelte.

Die Infrarotkameras können sogar aus der Luft erkennen, ob ein Tier krank oder gesund ist

Den Durchbruch brachte eine ungewöhnliche interdisziplinäre Zusammenarbeit des Naturschützers Serge Wich mit der Astrophysikerin Claire Burke, die zwar beide an der Universität in Liverpool forschen, aber eben in völlig unterschiedlichen Fachgebieten. "Die Infrarotaufnahmen von Tieren und Menschen leuchten auf ähnliche Weise wie Sterne und Galaxien im Weltraum", sagt Burke, die diese Erkenntnis nutzte, um eine Software zu entwickeln, die verschiedene Tierarten aufgrund ihres unterschiedlichen Wärmemusters voneinander unterscheiden kann. Burke nutzte dabei die Tatsache, dass jede Spezies ein einzigartiges Muster aus wärmeren und kälteren Körperregionen aussendet. Ihrer Ansicht nach kann das System sogar Aussagen über den Gesundheitszustand machen. Wenn ein Tier beispielsweise verletzt sei, leuchte der betroffene Teil des Körpers heller als der Rest. Überhaupt hätten kranke Tiere ein anderes Infrarot-Profil als gesunde.

Einen ersten Test in freier Wildbahn hat die neuartige Drohne bereits erfolgreich absolviert. Im vergangenen September setzten die Wissenschaftler das Gerät ein, um Buschmannhasen in Südafrika ausfindig zu machen. Die 30 bis 50 Zentimeter großen Tiere leben ausschließlich an buschbestandenen Flussufern in der Karoo-Wüste im westlichen Südafrika und gelten als eine der seltensten und bedrohtesten Tierarten überhaupt. "Weil die Tiere ziemlich klein sind, mussten wir die Drohne sehr niedrig fliegen lassen", sagt Burke. "Etwa 20 Meter über dem Boden." Fünf der seltenen Hasen haben die Forscher so ausfindig machen können. "Angesichts der Tatsache, dass insgesamt nur etwa 1000 Sichtungen von Buschmannhasen registriert sind, ist das ein echter Erfolg", sagt Burke. Schon im Mai wollen die Astro-Ökologen mit ihrer Drohne Orang-Utans in Malaysia und Spinnenaffen in Mexiko suchen. Im Juni geht es dann nach Brasilien, um ebenfalls sehr seltene Flussdelfine ausfindig zu machen.

Doch was nützt das alles den vom Aussterben bedrohten Arten? "Um Tiere schützen zu können, ist es wichtig zu wissen, wo sie sich aufhalten und wie viele von ihnen es gibt", sagt Aurélie Shapiro, Fernerkundungsspezialistin beim WWF Deutschland. Für solche Zählungen - etwa von Elefanten in Afrika - setzt der WWF bis jetzt meistens bemannte Flugzeuge ein. "Gezählt werden dabei nicht nur die lebenden Tiere, sondern auch die Kadaver", sagt Shapiro. Wenn der Prozentsatz toter Tiere unter zwei Prozent einer Population liegt, entspricht das der normalen Sterblichkeit. "Sind dagegen mehr als fünf oder gar zehn Prozent der Elefanten tot, ist das ein deutlicher Hinweis, dass in einer Region Wilderer unterwegs sind", sagt Shapiro.

Für die umfassendste Zählung von Elefanten in Afrika, den "Great elephant census" der vor knapp zwei Jahren erschienen ist, flogen zwei Wissenschaftler zwei Jahre lang systematisch afrikanische Nationalparks nach Elefanten ab. Dabei stellten sie fest, dass auf dem afrikanischen Kontinent nur noch etwa 350 000 Savannen-Elefanten lebten. Das entspricht Schätzungen zufolge einem Rückgang von 30 Prozent innerhalb von sieben Jahren.

Grundsätzlich kann Shapiro sich durchaus vorstellen, dass solche Zählungen in Zukunft mit Drohnen gemacht werden. Speziell bei Elefanten gebe es da allerdings ein kleines Problem, sagt sie. "Die Tiere haben panische Angst vor Bienen." Die Drohnen müssten also hoch genug fliegen, damit die Elefanten ihr summendes Geräusch nicht hören können und nicht in Panik versetzt werden.

Die britischen Wissenschaftler hoffen, mit ihrer Drohne nicht nur Tiere aufzuspüren, sondern auch Wilderer, die schließlich ebenfalls Körperwärme abstrahlen und dadurch für die Infrarotkamera der Drohne sichtbar sind - auch nachts, wenn die meisten Wilderer unterwegs sind, weil ihnen die Dunkelheit hilft, sich an ihre Opfer heranzupirschen und sich anschließend unbemerkt wieder davonzumachen.

Infrared image of rhinos in South Africa.

Infrarot-Aufnahme von Nashörnern in Südafrika.

(Foto: Endangered Wildlife Trust/LJMU)

Theoretisch sei das gut vorstellbar, sagt Christof Schenck. In der Praxis scheiterten solche Ansätze aber oft an den schwierigen Bedingungen vor Ort, etwa an der banalen Tatsache, dass die Ranger keine ordentlichen Schuhe haben, um bis zu den Wilderern vorzudringen, die die Drohne ausfindig gemacht hat.

Vor etwa zwei Jahren brachten die Aufnahmen einer Drohne der ZGF dennoch einen großen Erfolg im Naturschutz - wenn auch eher zufällig. Die Umweltschützer wollten sich mithilfe der Bilder eigentlich nur einen Überblick über ein schwer zugängliches Schutzgebiet im Nordosten Perus verschaffen. Als sie die Aufnahmen der Drohne auswerteten, trauten sie ihren Augen kaum: In der vermeintlich menschenleeren Region waren deutlich mehrere "Dragas" zu erkennen, Bootplattformen, auf denen illegale Goldwäscher mitten im Schutzgebiet ihre Saugbagger aufgebaut hatten. "Polizei und Armee mussten mehrmals in die Region vordringen, um die illegalen Goldwäscher zu vertreiben", sagt Schenck. Anfang des Jahres ist das Gebiet zum Nationalpark erklärt worden.

Der WWF setzt Drohnen schon jetzt gezielt ein, um Wilderer zu bekämpfen. Wo genau, will Shapiro nicht sagen, nur so viel: Es sollen Tiger und Nashörner geschützt werden. "Wo und wann muss streng geheim bleiben", sagt die Tierschützerin. Die Wilderer sind gut vernetzt und weichen sofort auf andere Gebiete aus, wenn sie erfahren, dass irgendwo Drohnen unterwegs sind. "Damit sie niemanden warnen können, müssen auch alle Einheimischen, die mit einer Drohnen-Patrouille des WWF unterwegs sind, ihre Handys abgeben", sagt Shapiro. Denn nicht nur die Tierschützer, auch die Jäger haben technisch aufgerüstet: Handys gehören mittlerweile zur Standardausrüstung. Viele haben auch Nachtsichtgeräte. "Jede Technik, die uns hilft, hilft denen auch", sagt Schenck. Das dürfte auch für die Drohnen gelten.

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