Tierhaltung:"Tiere gehören für mich zur Landwirtschaft dazu"

Ein Spaziergang mit Prof. Dr. Ulrike Weiler.

Eine Muttersau genießt die Massage an der automatischen Schweinebürste in der Landwirtschaftlichen Versuchsstation der Uni Hohenheim

(Foto: Christoph Pueschner / Zeitenspiegel)

Darf man heute noch Fleisch essen? Ein Gespräch mit der Agrarwissenschaftlerin Ulrike Weiler über Massentierhaltung, kastrierte Schweine und absurde Vorstellungen von Verbrauchern.

Interview von natur-Autorin Sigrid Krügel

Eine Autostunde von der Universität Hohenheim entfernt treffen wir die Agrarwissenschaftlerin Ulrike Weiler. Wir wollen von ihr etwas über Schweine erfahren, denn das ist ihr Spezialgebiet. Ulrike Weiler hat das Buch "Fleisch essen? Eine Aufklärung" geschrieben, in dem sie sich als Fleischesserin outet. Eine streitbare Frau also, nicht überall stößt man damit auf Sympathie. Als Treffpunkt hat sie die Landwirtschaftliche Versuchsstation der Universität vorgeschlagen, den Unteren Lindenhof in Eningen am Fuß der Schwäbischen Alb. Hier leben rund 100 Kühe, 1000 Schweine und 10 000 Hühner.

natur: So viel Viehzeug auf einem Fleck - das ist ja schon eine Massentierhaltung ...

Aus natur 12/2017

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  • natur 12/2017

    Der Text stammt aus der Dezember-Ausgabe von natur, dem Magazin für Natur, Umwelt und nachhaltiges Leben. Er erscheint hier in einer Kooperation. Mehr aktuelle Themen aus dem Heft 12/2017 auf natur.de...

Weiler: Wenn man Emnid-Umfragen als Maßstab nimmt, mit Sicherheit. Offenbar beginnt für viele Menschen die Massentierhaltung bei 100 Tieren, egal ob es sich um Rinder, Schweine oder Hühner handelt. Das ist ziemlich absurd.

Ich habe Ihrem Buch entnommen, dass Sie dem Begriff Massentierhaltung nicht viel abgewinnen können.

Stimmt. Anhand dieser Umfrage sieht man, dass die Verbraucher heute kaum noch wissen, wie Landwirtschaft funktioniert. Ob sich ein Landwirt gut um seine Tiere kümmert, hat zunächst nichts mit der Größe eines Hofes zu tun. Da zählen andere Kriterien wie die Gruppengröße, ob die Tiere sich orientieren können, wie sie versorgt und kontrolliert werden.

Aber je weniger Tiere ein Landwirt betreuen muss, desto mehr kann er sich um jedes einzelne kümmern.

Nicht unbedingt. In einem modernen, gut geführten Großbetrieb können Probleme zum Teil sogar früher erkannt werden als in einem Ein-Mann-Betrieb mit einem überforderten Besitzer. Die Welt ist nicht so schwarz-weiß, wie wir sie gerne zeichnen.

Aber es gibt Betriebe, in denen es den Tieren nicht gut geht.

Natürlich gibt es solche Fälle. Aber Landwirte sind nicht per se profitorientierte Tierquäler, wie es oftmals in den Medien den Anschein hat. Die wollen wie jeder von uns, dass es ihren Rindern oder Schweinen gut geht, die engagieren sich oft bis zur Belastungsgrenze, um das ­sicherzustellen.

Wir marschieren Richtung Schweinestall. Auf der Weide grasen Kühe, eine rot getigerte Katze balgt sich mit einer schwarz-weiß gefleckten. Idyllischer geht es kaum. Ulrike Weiler hat einen großen Korb mit Overalls dabei. Die müssen wir überziehen, damit wir keine Krankheiten einschleppen. Erst die grünen, die sind für den Besuch bei den Schweinen. Später die blauen für die Kühe. Die Straßenschuhe werden gegen hauseigene Gummistiefel getauscht. Erst dann dürfen wir den Stallbereich betreten. Langgestreckte Hallen, in denen die Tiere in Gruppen zusammenleben. Mit Auslauf ins Freie. Biomaßstäbe.

Die Fleischindustrie hat in puncto Glaubwürdigkeit und Ansehen bei der Bevölkerung inzwischen einen schlechteren Ruf als Politiker, schreiben Sie in Ihrem Buch. Woran liegt's?

Wir hatten in den 90er Jahren die BSE-Krise, wir hatten zahlreiche Gammelfleischskandale. Die Menschen lesen in der Zeitung oder sehen im Fernsehen, dass es Tieren schlecht geht, das berührt sie. Das Wissen, dass der Mensch von Natur aus ein Allesesser, ein sogenannter Omnivore ist, ging komplett verloren. Sie fragen sich heute oft, ob sie überhaupt noch tierische Nahrung zu sich nehmen dürfen. Die Gründe sind dabei vielschichtig, von gesundheitlichen Bedenken bis hin zu ethischen Fragen. Zunehmend ­definieren sich bei uns Menschen über ihren Ernährungsstil, dabei wird Ernährung fast zum Religionsersatz.

Dass Ferkel ohne Betäubung kastriert werden dürfen, lässt doch zu Recht kaum jemanden kalt.

Natürlich, aber was in der Diskussion verlorengeht, sind die Hintergründe. Die Wissenschaft und auch die Humanmediziner glaubten über Jahrzehnte, dass junge Lebewesen - Menschen wie Tiere - ein vermindertes Schmerzempfinden haben. Kleine Kinder wurden bis spät in die 80er Jahre mit einer ganz flachen Narkose operiert, ohne weitere Schmerzausschaltung. Kleine Jungs wurden bis vor wenigen Jahren ohne Betäubung beschnitten. Inzwischen wissen wir, dass junge Lebewesen sogar ein höheres Schmerzempfinden als Erwachsene haben können. Aber es dauert, bis solche Erkenntnisse Breitenwirkung haben. Deshalb ist auch die Ferkelkastration ohne Betäubung ab 1. Januar 2019 bei uns in Deutschland verboten.

Zur Person

Die Agrarwissenschaftlerin Ulrike Weiler, Jahrgang 1956, ist Professorin am Institut für Nutztierwissenschaften an der Universität Hohenheim. Einer ihrer Schwerpunkte sind die körpereigenen Mechanismen, die den Stoffwechsel bei Haus- und Wildschweinen steuern und an Umweltbedingungen anpassen. In ihrem Buch "Fleisch essen? Eine Aufklärung" erklärt sie, wie Fleisch produziert wird und woran man gutes Fleisch erkennt.

Warum werden Schweine überhaupt kastriert?

Männliche Tiere, die Eber, können im Verlauf der Pubertät einen sehr unangenehmen Geschlechtsgeruch nach Urin und Schweiß entwickeln. Das hängt mit dem von ihnen produzierten Pheromon Androstenon zusammen. Es ist chemisch mit den männlichen Hormonen verwandt, hat aber keine Hormonwirkung, dafür einen sehr speziellen Geruch, den Sauen erotisierend finden. Das Fleisch der Eber hat dann auch diesen Geruch, für uns Verbraucher 'stinkt' es. Zum anderen werden Kastraten fetter, was früher sehr erwünscht war. Traditionell werden männliche Schweine in Europa seit mehr als 1000 Jahren kastriert.

Ulrike Weiler greift in ihre Tasche und zieht ein Fläschchen heraus. Der Fotograf muss zuerst riechen und verzieht angewidert das Gesicht. Das verdirbt sogar ihm als passionierten Fleischesser den Appetit. Dann halte ich das Fläschchen an die Nase und rieche ... nichts. Ulrike Weiler beglückwünscht mich zu dieser Gabe, rund zehn Prozent der Bevölkerung können keinen Ebergeruch wahrnehmen. Ich gehöre offenbar dazu.

"Man hat die Tierwohlproblematik unterschätzt"

Tierschutzverbände plädieren dafür, Schweine nicht mehr zu kastrieren.

Die Unversehrtheit von Tieren ist für Tierschützer ein hohes Gut. Auch für die Landwirte schien die Mast von Ebern zunächst eine ganz lukrative Sache, denn durch die männlichen Hormone verwerten die Tiere das Futter besser. Sie setzen mehr Fleisch an. Aber man hat die Tierwohlproblematik unterschätzt.

Das heißt?

Wir haben in einem großen Schlachtbetrieb in Norddeutschland Untersuchungen zu einem Phänomen gemacht, das lange geleugnet wurde, dem Penisbeißen. Bei 80 Prozent der geschlachteten Eber fanden wir Veränderungen, Narben, offene Wunden, bei zehn Prozent schwere Verletzungen, die für die Tiere zweifellos sehr schmerzhaft waren.

Kann dieses Penisbeißen nicht eine Folge der 'Massentierhaltung' sein?

Diese Fragen haben wir uns natürlich auch gestellt und zum Vergleich Wildschweine untersucht. In der Paarungszeit finden sich dort ähnliche Verletzungen. Das stützt unsere These, dass es sich um ein normales Verhalten handelt, auch wenn es schmerzhaft ist. Wir haben zusammen mit norddeutschen Kollegen auch Hausschweine untersucht, die bessere Haltungsbedingungen durch mehr Beschäftigungsmaterial hatten. Penisbeißen kam dort sogar häufiger vor als in der konventionellen Haltung. Offenbar sind diese Tiere neugieriger und probieren mehr aus.

Ein Spaziergang mit Prof. Dr. Ulrike Weiler.

Ulrike Weiler mit einem Ferkel auf dem Arm

(Foto: Christoph Pueschner / Zeitenspie)

Bei unserem Rundgang durch den Schweinestall sind wir inzwischen bei den Ferkeln angekommen. Ulrike Weiler nimmt eines von ihnen auf den Arm, das Quieken ist unbeschreiblich laut. Schnell setzen wir den Winzling wieder in seine Behausung, wo er sofort zu schreien aufhört.

Sie plädieren für Kastration durch Impfung.

Wir halten unter dem Gesichtspunkt Tierwohl weder die Ebermast noch die Kastration unter Vollnarkose für die ideale Lösung. Derzeit untersuchen wir intensiv die sogenannte Immunkastration. Diese Impfung gibt es seit 20 Jahren. Sie wird erfolgreich in Australien eingesetzt und in Europa vor allem in Belgien. In Deutschland ist sie ebenfalls zugelassen, aber das Wissen darüber ist in der Praxis nicht sehr verbreitet. Die Impfung bewirkt, dass sich spezielle Antikörper bilden, so dass sich der Pubertätseintritt verschiebt. Genutzt wird die Impfung bislang fast nur von Biobetrieben.

Was hat die konventionelle Fleischproduktion daran auszusetzen?

Die Fleischwirtschaft hat sich zunächst für die Ebermast stark gemacht. Auch für den Mäster bringt die Immunkastration zunächst nur mehr Arbeitsaufwand und kostet auch noch rund sieben Euro pro Tier. Bei der Ebermast hat der Landwirt dagegen bisher nur Vorteile: Das Tier wächst besser, bildet mehr Fleisch und weniger Fett und in den meisten Bundesländern und Schlachthöfen muss er keine Sanktionen befürchten, wenn das Fleisch nachher stinkt. Der Landwirt bekommt momentan noch das gleiche Geld dafür bezahlt, da die Schlachthöfe es aussortieren können.

Und was passiert damit?

Fleisch mit ausgeprägtem Ebergeruch wird - sofern die Veterinäre es nicht beanstanden - zusammen mit unbelastetem Fleisch zum Beispiel zu Wurst verarbeitet. Quasi verdünnt. Auch nimmt man den Geruch weniger stark wahr, wenn man das Produkt kalt verzehrt, wie bei Salami. Wird sie aber erhitzt, zum Beispiel auf Pizza, ist der Geruch unter Umständen doch störend ...

Was sagt der Verbraucher zum Fleisch von Immunkastraten? Hört sich ja nicht so lecker an.

Teile der Fleischwirtschaft und des ­Lebensmittelhandels behaupten, die ­Immunkastration sei dem Kunden nicht zu vermitteln. Sie könne das Image des Fleisches schädigen. Deshalb versuchen es nur wenige Handelsketten und es ist nur wenig Fleisch von solchen Tieren im Handel. Ich finde es verwerflich, dass man es nicht konsequent probiert, denn die ­Immunkastration ist sowohl unter dem Aspekt des Tierschutzes wie auch des ­Verbraucherschutzes eine gute Lösung: Die Hoden müssen nicht mehr chirurgisch entfernt werden, das Tier bleibt ­unversehrt, problematische Aggressionen werden gemindert und Geruchsabweichungen beim Fleisch vermieden. Und da es ein gesundheitlich unbedenkliches Verfahren und längst zugelassen ist, muss das Fleisch auch nicht gekennzeichnet werden.

In Bayern und Baden-Württemberg wird der sogenannte 'vierte Weg' diskutiert. Was versteht man darunter?

Das wäre die Lokalanästhesie in den Hoden. Der Wirkstoff müsste neben dem Hoden in den Hodensack appliziert werden. Ganz ehrlich: Glauben Sie, dass eine kleine Spritze in zarter Bauernhand in so einem winzigen Hoden immer die richtige Stelle findet? Auch wenn das jetzt despektierlich klingt, da können Sie gleich mit dem Weihrauchkessel um das Tier ziehen, das hat wahrscheinlich den gleichen Effekt auf das Tierwohl. Ich finde nicht gut, dass hier sehenden Auges die Verantwortung für dieses kritische Verfahren auf den Landwirt abgewälzt werden soll. Daher wird diese Methode auch von den Tierschutzverbänden und tierärztlichen Organisationen extrem kritisch gesehen.

Ulrike Weiler greift sich nochmal ein Ferkel und zeigt uns, welche Stelle gemeint ist. Der Bauer, der unserem Tier hier eine Spritze setzen wollte, müsste es noch fester fixieren, denn auch dieses Ferkelchen wehrt sich mit allen Mitteln.

Die Bauern sollen das selber machen?

Das ist die Idee, damit keine Tierarztkosten anfallen.

Schweinefleisch muss billig sein ...

Verbraucher haben wenig Ahnung von Qualität. Wer weiß schon, dass Schweinefleisch eine exzellente Fettsäurezusammensetzung hat und dass es fett sein muss, damit es gut schmeckt? Als ich mein Buch im März 2016 beendete, erzielte ein Landwirt für seine Tiere 1,24 Euro pro Kilo Schlachtgewicht. Wie steht das im Verhältnis zu einem würdigen Umgang mit dem Lebewesen Tier?

Weniger Milchleistung der Kühe könnte auch den Bauern helfen

Wir gehen weiter zu den Schwäbisch Hällischen Schweinen und Pietrain-Zuchtsauen. Weiler zeigt den Unterschied. Die Schwäbisch Hällischen sind fetter, aber die Hinterbacken nur flach ausgeprägt. Wesentlich kräftiger ist die Bemuskelung beim Pietrain. Zutraulich sind beide. Schnuppern, grunzen und haben den Fotografen zum Fressen gern, der in die Bucht gestiegen ist, um sie besser fotografieren zu können, und dessen Gummistiefel sie ins Visier nehmen.

Sind Schweine eigentlich immer so neugierig?

Das Verhalten ist ein klarer Indikator, wie mit den Tieren umgegangen wird. Tiere, denen es gutgeht, die wenig ­negative Erfahrungen machen, sind nicht ängstlich.

Wir sind inzwischen in der sogenannten Arena angekommen. Hier tummeln sich seit zwei Tagen Muttersauen, die ihre Rangordnung austragen sollen - im schönen weichen Stroh, wo die Verletzungsgefahr nicht so groß ist. Einige haben rote Schrammen, hier wird nicht mit Wattebäuschchen geworfen, hatte Ulrike Weiler zuvor erklärt, hier geht es zur Sache. Doch offenbar haben sich die Damen bereits geeinigt, wer die stärkste ist, denn sie lümmeln gemütlich im Stroh.

Die Tierhaltung ist das eine, die Tierzucht ein anderes Problemfeld. Beispiel Turbokühe, die 10 000 Liter Milch im Jahr geben. Wo überschreitet der Mensch Grenzen?

Zum Beispiel bei dem von Ihnen angesprochenen Holstein-Rind. Da wäre weniger Milchleistung nicht nur tiergerechter, sondern auch für den Landwirt attraktiv. Kühe mit niedrigerer Milchleistung sind fruchtbarer, sie sind weniger anfällig für Krankheiten. Was nutzt eine Kuh, die einen Betreuungsaufwand wie ein mittlerer Rockstar hat?

Höhere Leistung wird durch Nachteile erkauft?

Natürlich. Wenn die Milchleistung exorbitant hoch ist, wird die Fruchtbarkeit zurückgefahren. Kritisch sehe ich auch diese superfruchtbaren Schweinerassen, da der Aufwand, alle geborenen Ferkel aufzuziehen, für den Landwirt enorm hoch ist. Die Sau schafft das nicht alleine.

Warum werden solche Tiere überhaupt gezüchtet?

Gute Frage. Schauen Sie nach Belgien, wo die Weißblauen Belgier hoch im Kurs stehen. Durch eine natürliche Genmutation setzen diese Rinder so viele Muskeln an, dass sie zum Teil nicht mehr normal zur Welt kommen können. Viele Kälber müssen per Kaiserschnitt geholt werden. Das sind für mich keine normalen Rinder, weil die natürliche Fortpflanzung nicht mehr funktioniert. Ihre Zucht müsste ebenso untersagt werden wie die mancher Hunderassen. Denn nicht nur bei Nutztieren haben wir das, was mit dem Schlagwort Qualzucht der Landwirtschaft vorgeworfen wird. Sehen Sie sich an, was vermeintliche Tierliebhaber bei Rassehunden wie dem Mops angerichtet haben. Für die Tiere ist normales Atmen zum Teil nur schwer möglich ist. Das sind für mich arme gequälte Kreaturen.

Ulrike Weiler zeigt uns noch einen Eber. Ein imposantes Tier! Mit Borsten wie eine Drahtbürste . Er lässt sich seelenruhig am Rücken kraulen. Nach ein paar Minuten wird ihm langweilig und er schenkt seine Aufmerksamkeit den Sauen aus der Nachbarbucht. Wir gehen weiter zu den Kühen. Sieben Rassen werden am Unteren Lindenhof gehalten. Rotbraune Jerseys, die wie Bambi aussehen, Holstein-Rinder, Limpurger und das in Baden-Württemberg beliebte Fleckvieh. Allesamt Anschauungsobjekte für die Studenten in Hohenheim, denn die wenigsten stammen vom Bauernhof.

Wir sind uns einig, dass einiges schief läuft zwischen Landwirtschaft und Verbraucher. Wie ändern wir das?

Wer Tiere aufzieht, um sie zu töten, hat es schwer, positiv wahrgenommen zu werden. Das sehen die Leute per se negativ, weil sie völlig ausblenden, dass ihr Würstchen mal gelebt hat. Eine romantisierende Darstellung mit Ferkelchen auf der grünen Wiese hilft da nicht weiter. Wir brauchen einen sachlichen Dialog, damit wir dann auch Kompromisse finden können zwischen dem, was den Verbrauchern wichtig ist, und der modernen Produktion. Wir müssen als Landwirte zu unseren Problemen stehen und zeigen, dass wir daran arbeiten. Aber auch, dass das dann mehr kostet, als Billigfleischangebote vorgaukeln.

Sie fordern auch immer wieder Transparenz.

Sehr viele Betriebe könnten selbstbewusst und mutig ihre Stalltüren aufmachen und zeigen, wie sie arbeiten. Transparenz schafft Vertrauen.

Aber sämtliche Besucher müssten zuerst grüne und blaue Blaumänner anziehen und Gummistiefel, damit sie keine Seuchen einschleppen. Schwer vorstellbar.

Ich kenne einen tollen Milchviehbetrieb, der Führungen für Kinder, Erwachsene und Schulklassen anbietet. Dort wurden drei Teilzeitkräfte angestellt, die sich um die rund 10 000 Besucher und Schüler pro Jahr kümmern. Ein anderer Landwirt, ein Geflügelmäster, hat einen begehbaren Kasten an seinen Stall angebaut. Durch ein Glasfenster kann man die Masthähnchen beobachten. Das kommt unwahrscheinlich gut an. Der Mann hat nichts zu verbergen und schafft durch diese Möglichkeit eine neue ­Gesprächsbasis mit den Verbrauchern.

Wo ein Wille ist, ist also auch ein Weg. Aber wenn alles nicht hilft? Werden Sie dann Vegetarierin?

Für mich ist vegetarisch zu leben keine ­Alternative. Wie gesagt: Der Mensch ist ernährungsphysiologisch ein Omnivore, zudem gehören Tiere für mich zur Landwirtschaft dazu. Ohne Tiere ist eine Kreislaufwirtschaft, wie sie in der ökologischen Landwirtschaft angestrebt wird, schwer vorstellbar. Allerdings ist die Menge an Fleisch, die bei uns gegessen wird, definitiv zu hoch.

Essen Sie täglich Fleisch?

Nein, natürlich nicht.

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