Technik und Menschlichkeit:Gepflegt von einem Roboter

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SZ-Illustration: Ilona Burgarth (Foto: N/A)

Menschenähnliche Maschinen sollen künftig verstärkt Aufgaben in der Altenpflege übernehmen. Mit dem Einzug dieser Technologien stellen sich aber auch ethische Fragen.

Von Christoph Behrens

Der alte Dieb Frank lebt ein trostloses Leben. Die Kinder sind weg, das Gedächtnis wird schlechter und im Haus sieht es immer chaotischer aus. "So geht das nicht weiter", entscheidet sein Sohn und stellt ihm einen Roboter als Haushaltshilfe ab. Anfangs fremdelt Frank mit dem weiß-glänzenden Kerl, doch dann entdeckt er, wie raffiniert der Roboter Schlösser knackt. Die beiden hecken einen großen Juwelendiebstahl aus und Frank hat zum ersten Mal seit Jahren wieder eine Aufgabe - "ich habe mich noch nie so fit gefühlt!", jubelt der Rentner.

Was der Film "Robot & Frank" darstellt, ist wohl (abgesehen vom kriminellen Part) das Optimum der Mensch-Maschine-Interaktion: Mensch und Roboter werden Freunde. Und der Gauner Frank profitiert von der Gesellschaft des Roboters, der ihn umsorgt, motiviert und geistig auf Trab hält. Der Film spielt "in naher Zukunft", er zeigt die Zukunft, auf die viele Ingenieure derzeit hinarbeiten. Denn dass Roboter und Technik tatsächlich ältere Menschen unterstützen, ist längst keine Utopie mehr - sondern schlicht gesellschaftliche Notwendigkeit. "Unsere Gesellschaft wandelt sich", sagte Arne Manzeschke auf dem SZ-Forum Gesundheit zum Thema "Länger selbstbestimmt leben". Dort erläuterte Manzeschke, Leiter der LMU-Fachstelle für Ethik und Anthropologie im Gesundheitswesen, wie tief greifend dieser Wandel ausfällt. So sind im Jahr 2050 wohl 21,5 Millionen Deutsche mehr als 67 Jahre alt. Drei bis sechs Millionen Menschen könnten dann pflegebedürftig sein - zugleich sinkt die Zahl der jungen Menschen, die sie pflegen können. Bereits in 15 Jahren bräuchte Deutschland dann voraussichtlich 450 000 Pflegefachkräfte mehr als heute. "Technik ist ein Weg, diesem Wandel zu begegnen", sagt Manzeschke.

Roboter können Pfleger unterstützen - oder sie ersetzen

Wie Technik körperliche Gebrechen ausgleichen kann, zeigt das Beispiel von Cathy Hutchinson. Die gelähmte Amerikanerin konnte 15 Jahre lang weder Arme noch Beine bewegen - bis Forscher der Universität Harvard ihr einen speziellen Sensor ins Gehirn einpflanzten, der ihre Hirnströme ausliest und in Maschinensprache übersetzt. In einem Video ist zu sehen, wie Hutchinson nur mithilfe ihrer Gedanken einen Greifarm bewegt und damit ein Glas Wasser zum Mund führt. "Diese Technik ist jedoch sehr invasiv, in Deutschland wäre sie nicht zugelassen", sagt Alin Albu-Schäffer vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, das den Roboterarm mitentwickelt hat. In Deutschland setze man eher auf den Ansatz, Elektroden außen am Körper anzubringen und Muskelströme auszulesen, um damit Prothesen zu steuern.

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Zudem leisten Maschinen bereits Dienste in der Rehabilitation. Nach einem Schlaganfall muss das Gehirn viele Bewegungen neu lernen. Physiotherapeuten bewegen dazu stundenlang die Beine eines Patienten, um die Funktion im Gehirn wieder zu aktivieren. Mittlerweile gibt es auch einen Roboter, der diese körperlich anstrengende Therapie beherrscht und so Fachkräfte entlastet. Eine weitere Idee sind Roboter wie der von der Fraunhofer-Gesellschaft entwickelte "Care-O-Bot", der bereits in Altersheimen erprobt wurde. Der weiße Kamerad fährt im Flur umher und bringt Heimbewohnern Getränke. Dabei merkt er sich, welcher Bewohner wie viel getrunken hat und kann Dehydrierten mehr servieren. Diese größeren Roboter befinden sich aber alle noch in einer frühen Entwicklungsphase; bis sie tatsächlich in Altersheimen eingesetzt werden, "kann es noch einige Jahre dauern", schätzt Albu-Schäffer.

Bei dem SZ-Gesundheitsforum wurde zugleich deutlich, dass Technik in der Pflege auch neue Probleme erzeugen kann. Beispiel Care-O-Bot: In Systeme wie diese kann sich mittlerweile auch ein Mitarbeiter eines externen Call-Centers einklinken und mit der Kamera des Robopflegers nach dem Rechten sehen. Das kann Pfleger unter Umständen entlasten - oder ganz ersetzen. "Oftmals ist der Pfleger, der morgens und abends kommt und das Essen bringt, der einzige soziale Kontakt der Pflegebedürftigen", sagt Constanze Giese von der Katholischen Fachhochschule in München. Das Hauptproblem in der ambulanten Pflege sei nicht "physische Verwahrlosung, sondern Vereinsamung". Technik könne diese Vereinsamung unter Umständen noch verstärken, wenn plötzlich an menschlichen Pflegekräften gespart wird.

Roboter
:Apps, Maschinen, Kuscheltiere für Senioren

Ein Roboter, der den Boden fegt, eine Robbe, die Demenzkranken hilft - die technischen Hilfsmittel für Ältere sind vielseitig.

Von Christoph Behrens und Berit Uhlmann

Zudem würden die meisten nicht wegen körperlicher Probleme in ein Heim eingewiesen, sondern aufgrund von Demenzerkrankungen. Alzheimer-Patienten sind besonders sensibel und bedürfen menschlicher Nähe. Diese durch Technik zu ergänzen, ist verzwickt, wie das Beispiel der Roboterrobbe "Paro" zeigt. In japanischen Altersheimen reichen Senioren sie schon zum Streicheln herum. Auch das müssten menschliche Pfleger fachlich begleiten. "Demente Personen erkennen das Künstliche an diesen Dingen", sagt Giese. "Das kann sie beunruhigen und ängstigen."

"Unbedingt dieses E-Mail-Schreiben verstehen"

In nächster Zeit hält wohl vor allem unscheinbare Technik in der Pflege Einzug - etwa iPad-Apps, mit denen sich Angehörige bei der Pflege in den eigenen vier Wänden schnell Hilfe von Experten holen können. So erprobt die Firma "Lunar Europe" bereits eine Art "Pflegemediathek" für Tablets, in der pflegende Angehörige Schritt-für-Schritt-Anleitungen herunterladen können - wie jemand im Bett am besten umgelagert werden kann zum Beispiel.

Bei all diesen Technologien stellt sich die Frage, ob ältere Menschen sie überhaupt möchten. Viele der neuen Techniken sammeln enorme Mengen Informationen über die Nutzer, um besser auf ihre Bedürfnisse eingehen zu können. Darunter sind sensible Vitalparameter, die vor äußerem Zugriff geschützt werden müssen - etwa wie viel jemand trinkt, welche Medikamente er nimmt. "Daten werden ein wichtiges Instrument, eine wesentliche Sprache in der Pflege", erklärt Medizinethiker Manzeschke. Ältere Menschen sind aber zurecht sehr bedacht, was den Umgang mit ihren persönlichen Daten angeht.

Damit Senioren die neue Technik auch annehmen, ist daher viel Fingerspitzengefühl gefragt. "Man muss ihnen den Spaß an der Technik vermitteln, auf ihre Wünsche eingehen", sagt Herbert Schmidt. Der 77-Jährige betreibt ein Internetcafé in Würzburg "von Älteren für Ältere". "Wir hatten eine Besucherin, die sagte, ihr Neffe sei auf der ganzen Welt unterwegs", sagt Schmidt. Sie wolle jetzt unbedingt "dieses E-Mail-Schreiben" verstehen, um einfacher mit ihm in Kontakt zu bleiben.

So läuft es häufig - die Senioren kommen bereits mit einem bestimmten Anliegen ins Café, er versucht weiterzuhelfen. "Aber zwingen kann man sie nicht", sagt Schmidt. "Ein älterer Mensch muss die Freiheit haben, die Technik frei wählen zu können." In seinem Internetcafé hat Schmidt noch einen positiven Nebeneffekt der Technikbegeisterung beobachtet. Viele kommen mit einem Computerproblem und bleiben, um sich über das Internet zu unterhalten und neue Leute zu treffen. "Etwas lernen, soziale Kontakte knüpfen, mit Leuten sprechen", das sei es, was am Ende auch geistig fit halte.

© SZ vom 09.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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