Symbiose:Lampen als Untermieter

Der Zwergtintenfisch Eurprymna scolopes lässt Mikroben für sich leuchten - und kontrolliert sie unerbittlich. Die Lebensgemeinschaft ist nicht nur ungewöhnlich, sondern könnte auch zum Verständnis weit komplexerer Symbiosen beitragen.

Von Katrin Blawat

Der Zwergtintenfisch Eurprymna scolopes lebt gefährlich - so lange er alleine ist. Das heißt aber noch lange nicht, dass er jeden dahergeschwommenen Meeresbewohner als Partner akzeptiert. Im Gegenteil, die Tiere sind extrem wählerisch: Von den Tausenden Bakterienarten, die um ihn herum in den Küstengewässern Hawaiis vorkommen, akzeptiert er nur eine einzige als Untermieter - die Art Vibrio fischeri. Sie machen kaum 0,1 Prozent der Bakterienwelt rund um den Tintenfisch aus.

Trotzdem hat sich zwischen den Mikroben und dem Weichtier eine einzigartige Lebensgemeinschaft entwickelt. Und zudem eine, die Forschern helfen könnte, auch weitaus komplexere Symbiosen zwischen Mikroben und ihren Wirten - auch den menschlichen - zu verstehen.

Davon ist Margaret McFall-Ngai von der University of Wisconsin überzeugt. Auf der Jahrestagung der American Association for the Advancement of Science (AAAS) pries die Biologin in Chicago die Vorteile des Tintenfisches als Modellorganismus, um die derzeit florierende Mikrobiom-Forschung voranzubringen. Unter dem Mikrobiom verstehen Forscher die Gesamtheit aller Bakterien, Viren und Pilze, die in Tieren und dem Menschen vorkommen - und zum Teil lebenswichtig für diese sind.

Wie der Tintenfisch seine Untermieter kontrolliert

Anders als krankmachende Erreger übernehmen viele Mikroorganismen wichtige Aufgaben. So helfen sie bei der Herstellung von Vitaminen und in vielen anderen Bereichen des Stoffwechsels. Vermutlich sind die Mikroben auch beteiligt, Krankheiten wie Diabetes, chronische Entzündungen und psychiatrische Störungen zu fördern oder zu verhindern. Die genauen Mechanismen und die viele offenen Fragen über das Mikrobiom des Menschen diskutierten Forscher auf der AAAS-Tagung.

So wirkte McFall-Ngais Begeisterung für ihren nur drei Zentimeter großen und vergleichsweise simplen Modellorganismus nachvollziehbar. Die spannendste Frage bei dieser Symbiose ist: Wer darf sich mit dem Tintenfisch zusammentun - und wie bemerkt dieser, wenn die Mitbewohner sich nicht so verhalten wie erwartet?

Der Tintenfisch braucht die Mikroben, um am Leben zu bleiben. Er nutzt die Fähigkeit von V. fischeri, durch eine chemische Reaktion Licht zu erzeugen. Für die Bakterien ist das nur eine Art Nebenwirkung ihres Stoffwechsels. Der nachtaktive Tintenfisch aber vermeidet mithilfe der Mikroben-Beleuchtung, dass er im Wasser Schatten wirft, die Räuber anlocken könnten. Das Licht der Bakterien ähnelt dem von Mond und Sternen, das kommt dem Weichtier bei der Tarnung zugute.

Eine der Besonderheiten dieser Symbiose liegt darin, dass die Bakterien eigentlich gar nicht leuchten wollen. Die sogenannte Biolumineszenz kostet sie nämlich viel Energie: bis zu fünf Prozent ihres täglichen Budgets. Versucht sich aber ein Bakterium vor der Biolumineszenz zu drücken, bleibt das nicht unbemerkt. "Der Tintenfisch nimmt das nahezu für jedes Bakterium einzeln wahr", sagt McFall-Ngai. Und von den Verrätern unter den Mikroben trennt er sich innerhalb von 24 Stunden.

Wie bemerkt der Tintenfisch, welche Mikroben kein Licht erzeugen? Entscheidend dafür ist, dass sein Licht-Organ, in dem die Bakterien die Biolumineszenz erzeugen, in vielerlei Hinsicht dem Auge ähnelt.

So lässt es sich vergleichbar von Licht aktivieren wie die Fotorezeptoren im Auge. Diese Aktivierung nimmt der Tintenfisch vermutlich wahr - und weiß dann, dass seine Bakterien ihren Job tun. Darüber hinaus verändert die Biolumineszenz auch einige Komponenten des Immunsystem des Tintenfisches - auch das könnte ihm anzeigen, ob ihm noch alle seine Untermieter nützlich sind.

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