Suche nach Aliens:Riskante Funksprüche an Außerirdische

Suche nach Aliens: Beliebt nicht nur als Auge von Seti: Das Arecibo-Teleskop in Puerto Rico war unter anderem Schauplatz des James-Bond-Films "Goldeneye".

Beliebt nicht nur als Auge von Seti: Das Arecibo-Teleskop in Puerto Rico war unter anderem Schauplatz des James-Bond-Films "Goldeneye".

(Foto: AP)

Die Anhänger von Seti warten seit Jahrzehnten geduldig auf ein Zeichen außerirdischer Zivilisationen. Jetzt will ein Teil der Bewegung selbst ins Weltall funken - und löst damit einen bizarren Streit aus. Ihre Gegner befürchten die Zerstörung der Erde.

Von Alexander Stirn

Nur zuhören, oder auch mal laut werden? Lieber abwarten, oder endlich die Initiative ergreifen? Um kosmische Hilfe bitten, oder die Zerstörung der Erde riskieren?

Ein bizarrer Streit hat die Gemeinschaft von Seti erfasst, jenem losen Zusammenschluss von Freaks und Forschern, die nach "extraterrestrischer Intelligenz" suchen. Seit mehr als 50 Jahren hält das Bündnis bereits Ausschau nach Außerirdischen. Streng wissenschaftlich, versteht sich. Bislang waren die Alien-Jäger allerdings nur Beobachter auf der Suche nach Radio- und Lichtsignalen fremder Zivilisationen im All. Ein Teil von Seti will nun aktiv werden und systematisch Botschaften von der Erde in fremde Sternensysteme senden. Die Traditionalisten von Seti sind dagegen. Sie fürchten nicht weniger als den Untergang der Welt. Auf dem Jahrestreffen des amerikanischen Forschungsverbands AAAS in San Jose sind beide Seiten nun einmal mehr aufeinandergeprallt.

"Ich bin ja ein freundlicher Mensch, ich werde aber unfreundlich, wenn ich auf arrogantes und unwissenschaftliches Verhalten stoße", schimpft David Brin, Physiker, Science-Fiction-Autor und prominenter Gegner einer aktiven Suche nach Aliens. Brin und seine Mitstreiter werfen ihren Seti-Kollegen Rücksichtslosigkeit vor. In San Jose haben sie eine Petition verteilt, die auch im Web veröffentlicht worden ist. Die Unterzeichner warnen vor "unbekannten und möglicherweise schwerwiegenden Implikationen und Konsequenzen" einer aktiven Kontaktaufnahme.

Schon 1974 schickte Seti eine Botschaft ins All. Sie wird ihr Ziel in 25 000 Jahren erreichen

Zwei Dutzend Forscher und Unternehmer haben bereits unterschrieben, darunter Elon Musk, Chef des kalifornischen Raumfahrtunternehmens SpaceX, und John Rummel, der vor seinem Ruhestand die Abteilung für planetare Verteidigung der US-Raumfahrtbehörde Nasa geleitet hat. Ihre Forderung: Der Entschluss, Aliens direkt anzufunken, müsse von einem weltweiten Konsens getragen werden.

"Weltweiter Konsens?", Douglas Vakoch, Direktor für interstellare Nachrichtengestaltung am Seti-Institut nahe San Jose, schüttelt den Kopf. "Dann werden wir das - realistisch betrachtet - niemals umsetzen können." Dabei wäre es nicht das erste Mal, dass die Menschheit versucht, Kontakt aufzunehmen. 1974 schickte der Astronom Frank Drake, Vater der Seti-Bewegung, mit dem riesigen Arecibo-Radioteleskop in Puerto Rico eine Botschaft in Richtung des Sternenhaufens M13. Sie wird dort, trotz Lichtgeschwindigkeit, erst in etwa 25000 Jahren ankommen. Deutlich früher, schon 2029 und 2030, sollen zwei Botschaften ihr Ziel erreichen, die ukrainische Astronomen vor sechs Jahren zum Planetensystem des Roten Zwergsterns Gliese 581 gebeamt haben.

"Bislang waren das stets einmalige Aktionen", sagt Vakoch. "Um Außerirdische auf uns aufmerksam zu machen, um ihnen zu zeigen, dass die Signale kein Zufall waren, müssen wir sie wiederholen - wöchentlich, monatlich, jährlich." In den Augen des studierten Psychologen ist das nur eine konsequente Fortsetzung des Seti-Auftrags: Ganz zu Beginn horchte das Projekt nur nach Radiosignalen. Es blieb still. Vor 15 Jahren wurde die Suche auf optische Laserblitze ausgeweitet. Ohne Erfolg. "Letztlich geht es darum, unsere Forschungsstrategie zu diversifizieren", sagt Vakoch.

"Vielleicht hat es ja seinen Grund, dass es da draußen so ruhig ist", kontert David Brin. Denn vielleicht wissen die Aliens, welche furchtbaren Konsequenzen ein Treffen mit anderen Spezies haben kann. Vielleicht haben sie Angst und funken deshalb nicht. Vielleicht wollen sie bloß in Ruhe gelassen werden. Vielleicht. Wer steckt schon in der Haut eines Außerirdischen?

Was passiert, wenn eine fortschrittliche Zivilisation zu Besuch kommt?

Den Zweiflern geht es aber nach eigener Aussage nicht darum, dass aktiv verschickte Signale Aliens anlocken könnten, die dann die Erde zerstören. "Damit wollen wir nichts zu tun haben, wir werden ohnehin schon zu oft in die Spinnerecke gesteckt", sagt Brin. Das Problem sei viel ernster: Was passiert, wenn eine technisch fortschrittliche und eine unterentwickelte Gesellschaft aufeinandertreffen?

Der Astrophysiker glaubt die Antwort zu kennen: "In der Vergangenheit endete so etwas meist in Schmerz und Traurigkeit." Nachdem der spanische Eroberer Hernán Cortés auf die Azteken getroffen war, sei deren Gesellschaft innerhalb weniger Jahrzehnte untergegangen. "Wird das auch beim ersten Kontakt mit den Aliens der Fall sein?", fragt Brin. "Es muss nicht passieren, aber wir sollten nicht so tun, als gebe es dieses Risiko nicht."

"Hätte Christoph Kolumbus nicht in See stechen sollen, nur weil theoretisch die Möglichkeit bestand, dass er auf eine fortschrittlichere Kultur hätte treffen können?", entgegnet Seth Shostak, Direktor am kalifornischen Seti-Institut. Shostak hält die Diskussion für rein akademisch. Fortschrittliche Zivilisationen könnten mit Radioteleskopen längst das Rauschen entdecken, das seit dem Start von Rundfunk und Fernsehen ins All strahlt. "Der Zug ist abgefahren, wir müssen das jetzt aktiv steuern", sagt Shostak.

Shostak will das ganze Internet senden. Aliens könnten sich dann ein Bild von der Erde machen

David Brin verdreht die Augen. "Wollen wir das Schicksal unserer Kinder wirklich von einer Annahme abhängig machen?" Es sei zudem nicht einmal klar, wie eine aktive Botschaft aussehen solle. Douglas Vakoch will wissenschaftliche Erkenntnisse verschicken, da sie Aufschluss über die menschliche Kultur und die Umwelt geben. Seth Shostak möchte das gesamte Internet ins All versenden. Anhand der Datenmassen könnten sich Außerirdische problemlos ein Bild der Erde machen.

Nach Ansicht von David Brin wäre das ein Fehler. Er hält das Wissen für ein potenziell entscheidendes Handelsgut im Kontakt mit Aliens. "Wenn wir bei der ersten Übertragung jedoch schon alles herausblasen, mit welchem Pfund wollen wir dann noch wuchern", sagt Brin. Der Astrophysiker plädiert dafür, noch fünf oder zehn Jahre zu warten, bis die Menschheit ihr "Huhu" ins All ruft. Die Zeit müsse genutzt werden, um das Projekt wissenschaftlich zu begutachten, um auch Anthropologen, Künstler, Ethiker zu befragen. "Leider hat sich die Menschheit inzwischen angewöhnt, bereits in ihre Umwelt einzugreifen, während sie noch über mögliche Folgen diskutiert", sagt Brin.

Unterstützung erhält er von David Tatel. Der US-Bundesrichter hat gezeigt, dass die aktive Suche nach Aliens legal wäre. Er hat auch Vergleiche angestellt, unter anderem mit dem Geoengineering, bei dem Forscher aktiv in die Atmosphäre eingreifen wollen, um den Klimawandel zu stoppen. Ein aktueller Bericht der National Academy of Sciences empfiehlt, sich zunächst auf kleinere Experimente zu beschränken. "Das könnte ein Vorbild für die aktive Suche nach Außerirdischen sein", sagt Tatel.

"Wir sollten endlich erwachsen werden und miteinander reden", fordert David Brin. Douglas Vakoch dagegen hätte - nach Jahren der Vorwürfe und Sticheleien - am liebsten einen neutralen Schlichter.

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