Studie zum Onlinedating:Wenn Algorithmen Ehen stiften

Es mag romantischen Vorstellungen krass widersprechen. Doch immer mehr Menschen verdanken ihr Liebesglück der Online-Partnerbörse. Eine neue Studie zeigt: Wer sich im Netz findet, hat sogar eine etwas bessere Chance, länger zusammenzubleiben.

Von Christian Weber

Collen Moore und Edmund Cowe in \"Mädel sei lieb\"

Eine Filmszene aus den 1920er Jahren. Heute bahnen sich Beziehungen anders an - und müssen doch nicht schlechter veraufen.

(Foto: Scherl)

Wenn es um die Partnersuche geht, misstrauen viele Menschen den Algorithmen der Online-Agenturen. Das Internet, so geht der Verdacht, beschleunigt nur die serielle Monogamie und beschädigt die Liebe, die doch irgendwie eine Himmelsmacht bleiben sollte. Doch jetzt zeigt eine neue große Studie eines Forscherteams um den Psychologen John Cacioppo von der University of Chicago, dass die im Internet gestifteten Beziehungen in der Regel offenbar ganz gut funktionieren (PNAS, online).

Ihrer Studie zufolge sind diese Online-Ehen sogar ein wenig glücklicher und stabiler als Beziehungen, die in der analogen Welt ihren Anfang nahmen. Das führt die Wissenschaftler zu einer mutigen These: "Unsere Daten lassen vermuten, dass das Internet die Dynamik und den Erfolg von Ehen insgesamt ändern könnte."

Die Forscher stützen sich auf eine repräsentative Befragung von 19.131 Männern und Frauen in den USA. Dabei bestätigte sich zum einen, dass sich tatsächlich ein wesentlicher Teil der amerikanischen Eheleute im Internet kennengelernt hat, in den Jahren von 2005 bis 2012 nämlich gut ein Drittel. Dies passt zu den 2011 veröffentlichten Zahlen des Oxford Internet Institute, wonach sich 30 Prozent aller Paare in 16 europäischen Ländern sowie Japan und Brasilien über Online-Dating angefreundet haben.

Zugleich entkräftet die neue PNAS-Studie Befürchtungen, dass Online-Dating notwendigerweise zu einer Shopping-Mentalität führt, Partner also ähnlich schnell gewechselt und abgelegt werden wie Kleiderstücke.

Cacioppo und Kollegen ermittelten für den Untersuchungszeitraum, dass nur sechs Prozent der Ehen wieder aufgelöst wurden, die im Internet ihren Ausgang genommen hatten. Bei den Offline-Ehen waren es immerhin 7,6 Prozent. Dazu passt auch die größere Zufriedenheit der Internet-Paare mit ihrer Beziehung: Diese erreichten im Durchschnitt 5,64 Punkte auf der von 1 ("extrem unglücklich") bis 7 ("perfekt") reichenden Skala des sogenannten Couples-Satisfaction-Index (CSI).

Ist wirklich die Onlinebörse für das Glück verantwortlich?

Paare, die sich in der realen Welt kennengelernt hatten, kamen nur auf 5,48 Punkte. Diese Unterschiede sind klein, widersprechen aber klar der Befürchtung, wonach online angebahnte Beziehungen prinzipiell oberflächlicher und weniger erfüllend seien.

"Allerdings bleibt die Frage offen, ob wirklich der Modus des Zustandekommens der Beziehung diese Unterschiede erklärt", kommentiert Hans-Peter Blossfeld vom Europäischen Hochschulinstitut in Florenz die neue Studie. Der Soziologe hat selbst jahrelang mit seinem Team das "Internet als Partnermarkt" erforscht. "Ich vermute, dass es immer noch eine spezielle Gruppe von Menschen ist, die im Internet nach einem Partner sucht."

Wer sich in einer Online-Dating-Börse einschreibt und vielleicht auch noch viel Geld dafür zahlt, ist womöglich ernsthafter an einer Langzeitbeziehung interessiert als jemand, der auf eine Zufallsbegegnung in der Bar reagiert. Blossfeld hält es deshalb für eine "gewagte These", wonach die Internet-Anbahnung prinzipiell die Beziehungsqualität verbessere.

Auch die Studienautoren gestehen, so Cacioppo, dass "Individuen, die ihren Partner online kennengelernt haben, vielleicht eigen sind in ihrer Persönlichkeit oder in ihren Motiven, eine Langzeitbeziehung zu führen". Immerhin haben die Wissenschaftler in ihrer statistischen Analyse soziodemografische Merkmale berücksichtigt und herausgerechnet, dass Online-Suchende eher ein bisschen älter (am häufigsten zwischen 30 und 39) als der Durchschnitt sind, häufiger einen Job haben und dabei eher mehr Geld verdienen.

Zudem verweisen Cacioppo und Kollegen darauf, dass auch inhaltliche Argumente für eine bessere Qualität der Online-Beziehungen sprechen. So könnten Partnersuchende im Internet auf einen größeren Pool von potenziellen Lebensgefährten zurückgreifen und bei ihrer Wahl selektiver vorgehen. Außerdem hätten psychologische Experimente gezeigt, dass Menschen beim Internet-Kontakt offener miteinander umgehen und sich so vielleicht besser kennenlernen, bevor sie eine ernsthafte Beziehung eingehen.

Nicht zuletzt könnte es sein, dass die Matching-Algorithmen mancher Online-Börsen tatsächlich funktionieren und eher Menschen zusammenführen, deren Persönlichkeiten wirklich auch langfristig zusammenpassen. Bewiesen ist dies allerdings noch nicht.

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