Streit um Rinderwahn:EU will BSE-Tests abschaffen

ABTRANSPORT RINDER UNTERALLGÄU

Tausende Rinder wurden auf dem Höhepunkt der BSE-Krise gekeult. Auch diese Tiere wurden abtransportiert und getötet, nachdem in ihrem Allgäuer Stall ein BSE-Fall aufgetreten war.

(Foto: DPA)

Es ist ruhig geworden um den Rinderwahn, der einst halb Europa in Schrecken versetzte. Nun will die EU Rinder nicht mehr auf BSE testen lassen. Nicht jeder hält dies für eine vertretbare Entscheidung.

Von Silvia Liebrich

Orientierungslose Rinder, die sich kaum auf den Beinen halten können. Bagger, die Leiber Tausender gekeulter Tiere zu Bergen aufschichten. Diese verstörenden Bilder aus Großbritannien gehen in den Neunzigerjahren um die Welt. Der Schrecken hat einen Namen: bovine spongiforme Enzephalopathie, kurz BSE, besser bekannt als Rinderwahn.

Bei der tödlichen Krankheit löst sich das Gehirn der Rinder auf. Das Fatale an der Tierseuche: Wissenschaftler gehen davon aus, dass der Verzehr von verseuchtem Rindfleisch beim Menschen die tödlich verlaufende Creutzfeldt-Jakob-Krankheit auslösen kann. 200 Todesfälle in Großbritannien und Frankreich wurden in den vergangenen zwei Jahrzehnten BSE zugeschrieben.

Doch seit gut einem Jahrzehnt scheint die Seuche unter Kontrolle zu sein. Die Zahl der BSE-Fälle ist seit 2003 drastisch gesunken. Die zuständige EU-Behörde hat deshalb beschlossen, die strengen Kontrollbestimmungen zu lockern. Der verpflichtende BSE-Test an Rindern, die für den Schlachter bestimmt sind, soll entfallen. Das hat der Ständige Ausschuss für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit in Brüssel mehrheitlich beschlossen.

Die Europäische Kommission verspricht sich dadurch jährliche Einsparungen für das EU-Budget in Höhe von knapp 40 Millionen Euro. Zwar ist die neue Vorschrift nach SZ-Informationen noch nicht endgültig beschlossen. Beobachter erwarten jedoch, dass sie bereits Ende März in Kraft treten dürfte. Es bliebe dann den einzelnen EU-Ländern überlassen, ob sie an den Tests festhalten.

Die geplante Lockerung der Kontrollen stößt beim Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) auf Unverständnis. "Es ist sehr erfreulich, dass seit 2010 keine BSE-Fälle in Deutschland gefunden wurden. Doch das ist kein Anlass, die Tests komplett einzustellen", warnt Agrarexpertin Reinhild Benning. Gefährlich sei das Ende der Tests etwa, weil Schlachthöfe hierzulande auch Rinder aus Nachbarländern, in denen 2012 noch BSE-Tiere entdeckt wurden, zu Fleisch verarbeiteten.

Verbraucher fühlen sich dagegen längst wieder sicher. Als die BSE-Krise vor zwölf Jahren Deutschland erreichte, brach der Fleischkonsum nur kurzfristig ein. In den vergangenen Jahren aßen die Deutschen umso mehr. 2011 waren es neun Kilogramm Kalb- und Rindfleisch pro Kopf, 600 Gramm mehr als 2008. Völlig gebannt ist die Gefahr trotzdem nicht, das zeigt die Statistik der Weltorganisation für Tiergesundheit. So registrierten die Behörden in Frankreich und Polen 2012 je drei erkrankte Tiere. In Großbritannien, wo die Seuche am schwersten wütete, wurde zuletzt noch ein Fall bekannt.

Agrarministerin Ilse Aigner (CSU) will deshalb lieber sichergehen. "Deutschland hält vorerst an den geltenden strengen Testvorschriften fest", heißt es im Ministerium. Doch damit ist das letzte Wort vermutlich noch nicht gesprochen. Denn das Bundesinstitut für Risikobewertung hält stichprobenartige Kontrollen künftig für ausreichend. BUND-Agrarexpertin Benning kann das nicht nachvollziehen, vor allem weil derzeit wieder darüber debattiert wird, tierische Fette und auch Tiermehl für die Verfütterung an Rinder zuzulassen. Das ist genau jene Art von Tiernahrung, die als Auslöser für BSE gilt und verboten wurde.

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