Streit um den Nordpol:Wem gehört die Arktis?

Die fünf Arktis-Anrainerstaaten haben sich darauf geeinigt, ihre Grenzstreitigkeiten nach der UN-Seerechtskonvention klären. Jetzt sollen Geologen beweisen, wem die Arktis und ihr Öl und Gas gehören.

Gunnar Herrmann

Stockholm - Die Nationalen Geologischen Untersuchungslabors für Dänemark und Grönland (Geus) sind in einem ehrwürdigen Gebäude der Kopenhagener Universität untergebracht. Im Zentrum befindet sich eine Halle von deren Decke ein Foucault'sches Pendel baumelt, das die Erdrotation beschreibt.

Streit um den Nordpol: Wem gehört die Arktis?

Wem gehört die Arktis?

(Foto: Grafik: SZ/Beck)

Geus erforscht die Erde, Gesteine, Berge, geologische Formationen, zum Beispiel am Meeresgrund des Nordpolarmeers. Damit wird Geus jetzt ein Instrument der Politik.

Denn die fünf Arktis-Anrainerstaaten haben sich am Mittwoch in Ilulissat in Grönland geeinigt, dass sie ihre Grenzstreitigkeiten nach Regeln der UN-Seerechtskonvention klären. Somit kommt der Geologie des Meeresbodens Bedeutung bei der Grenzziehung zu.

Die Daten, die Geus-Wissenschaftler bei Arktis-Expeditionen sammeln, liefern Argumente dafür, dass Dänemark große Teile des Ozeans nördlich seines autonomen Gebietes Grönland für sich beanspruchen kann. Die Forscher müssen nur nachweisen, dass der grönländische Kontinentalsockel weit ins Polarmeer reicht.

Im Polarmeer, so meinen Experten, lagern große Öl- und Gasvorkommen, die wegen des Klimawandels immer leichter zugänglich und dank des steigenden Ölpreises immer wertvoller werden.

Umweltschützer gescheitert

Damit es nicht zu einem unkontrollierten Wettlauf um die Rohstoffe kommt, wollen die Arktis-Anrainer nun Grenzen ziehen. Umweltschützer hätten die Region am liebsten zu einer Art Reservat erklärt und vor der Ausbeutung durch die Ölkonzerne bewahrt. Sie verwiesen auf das Beispiel Antarktis, die durch ein internationales Abkommen geschützt ist. Doch sie konnten sich nicht durchsetzen.

Mit der Deklaration von Ilulissat erkennen alle Anrainer die Seerechtskonvention als Instrument zur Aufteilung der Arktis an. Die USA folgen damit dem Beispiel ihrer Nachbarn. Die US-Regierung hatte das Abkommen zwar schon unterzeichnet. Es fehlt aber, anders als in Dänemark, Norwegen, Kanada und Russland, die Zustimmung des Parlaments. US-Vizeaußenminister John Negroponte sagte der dänischen Zeitung Berlingske, seine Regierung habe den Kongress um baldige Ratifizierung gebeten. "Wir sind nicht sicher, ob es noch in diesem Jahr klappt. Aber wir tun, was wir können", versprach er.

Das Bekenntnis zur Seerechtskonvention ist eine elegante Lösung. Auf diese Weise können die Arktis-Staaten mit Hilfe des internationalen Rechts das Polarmeer wahrscheinlich nahezu restlos untereinander aufteilen. Sie können es sich sozusagen mit Hilfe geologischer Daten einverleiben. Denn der Meeresboden am Nordpol ist gebirgig und erlaubt die Interpretation, dass die Kontinentalsockel der angrenzenden Staaten sehr lange Ausläufer haben, was die jeweiligen Gebietsansprüche vergrößert.

So versuchen etwa russische Geologen zu beweisen, dass ihr Sockel in den Lomonossow-Rücken übergeht. Diese unterseeische Gebirgskette erstreckt sich einmal quer über den Nordpol und endet auf der anderen Seite des Eismeeres. Dort suchen allerdings die dänischen Wissenschaftler von Geus nach einer physischen Verbindung zur grönländischen Landmasse. Wenn sie eine solche finden, hätte auch Dänemark Anspruch auf den Lomossow-Rücken.

Ob die Gebietsansprüche begründet sind, entscheidet die Sockelkommission der Vereinten Nationen in einigen Jahren. Wenn aber zwei Staaten aufgrund der geologischen Erkenntnisse das gleiche Gebiet wollen, müssen sie bilateral verhandeln.

Denn die Gesteinsformationen am Meeresgrund sind zwar eine physische Realität, aber welche juristischen Konsequenzen daraus erwachsen, hängt von der Interpretation durch die Menschen ab. Ähnlich ist es übrigens auch mit dem Foucault'schen Pendel in Kopenhagen: Eigentlich würde es irgendwann stehenbleiben wegen des Luftwiderstands. Aber ab und zu kommt ein Mitarbeiter vorbei und bringt es in Schwung.

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