Sternengucker:Flug zum Schwarzen Loch

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Das neue Planetarium in London gehört zu den leistungsstärksten der Welt. Nun hat es erstmals seine Türen für die Besucher geöffnet.

Alexander Menden

Seit 1884 ist Greenwich das Zentrum von Raum und Zeit. In jenem Jahr akzeptierte eine internationale Konferenz offiziell den Nullmeridian - vom Astronomen George Biddell Airy durch das königliche Observatorium von Greenwich gezogen - als Referenzpunkt für Längengrade und Zeitzonen.

Der Lebenszyklus von Sternen und Galaxien, täglich kommentiert (Foto: Foto: AP)

Seit 1999 bezeichnet ein grüner Laserstrahl, den das Observatorium aussendet, auch nachts die Mittagslinie. So verweist das historische Forschungszentrum, ehemals Wirkungsstätte John Flamsteeds und Edmond Halleys, auf seine Bedeutung für die Wissenschaft. Bedeutende Forschung findet auf dem Hügel über dem National Maritime Museum allerdings schon seit Jahrzehnten nicht mehr statt.

Immerhin beherbergt das Observatorium heute wieder ein Teleskop, das mit seiner 71-Zentimeter-Linse den größten Refraktor auf den britischen Inseln bietet. Das Gerät, Baujahr 1893, wird heute zu Vorführungen für die jährlich rund eine Million Besucher des Observatoriums verwendet.

Mit dem neuen Peter-Harrison-Planetarium ist diesem altehrwürdigen Teleskop nun eine astronomische Attraktion zur Seite gestellt worden, die unabhängig von Lichtverschmutzung und Tageszeiten operiert. Das 118-sitzige Planetarium, das am Freitag erstmals dem Publikum seine Türen öffnete, liegt im Tiefparterre zwischen dem Haupt- und dem Südgebäude des Observatoriums-Komplexes. Es ist eines der leistungsstärksten und modernsten weltweit.

Sein digitaler Laser-Projektor, hergestellt von der amerikanischen Graphik-Firma Evans & Sutherland, ist der erste seiner Art, der in einem europäischen Planetarium zum Einsatz kommt. Mit einer Auflösung von 16Millionen Bildpunkten und einem Farbraum von 12 Bits pro Bildpunkt übertrifft die Farbwiedergabe des Geräts derzeit jedes andere visuelle Medium, einschließlich 35-Millimeter-Film.

Der Urknall, interaktiv auf dem Display

Das alte Heath-Robinson-Planetarium, das in der kleinen Kuppel des Südgebäudes untergebracht war, konnte man nur über steile Treppen und durch ein Gewirr von Korridoren erreichen. ,,Im Vergleich zum neuen Planetarium war es nicht viel mehr als ein Apfel und eine Orange, die mit einer Taschenlampe beleuchtet wurden'', sagt Paul Appleton vom Architekturbüro Allies und Morrison.

Auch wenn das ein wenig übertrieben scheint, hat der Umbau des Südgebäudes, der umgerechnet 22,5 Millionen Euro kostete, fraglos zu einer beachtlichen Transformation in ein faszinierendes Bildungszentrum geführt.

Das spätviktorianische Gebäude wurde komplett entkernt, der zentrale Backsteinzylinder, auf dem früher ein zweites Teleskop und später das alte Planetarium ruhte, durch eine elegante Spiraltreppe ersetzt.

Bisher der Öffentlichkeit nur eingeschränkt zugänglich, beherbergt das Südgebäude neuerdings im ersten Stock die drei neuen ,,Weller Astronomy Galleries''. In interaktiven Displays wird dem Besucher die Urknalltheorie nahegebracht, anderswo kann man eine Weltraum-Mission planen. Es gibt Teleskopsimulationen sowie eine unterhaltsame Erläuterung des Lichtspektrums.

Herzstück des neuen Zentrums ist das Peter-Harrison-Planetarium. Viermal täglich kommentieren hier Astronomen des Greenwich-Observatoriums zwanzigminütige Projektionen zum Lebenszyklus von Fixsternen und der Entstehung des Sonnensystems.

Der Zuschauer kann dabei ins Zentrum von Sonnen eintauchen und wohnt der Entstehung schwarzer Löcher bei. Die Kuppel, die als Projektionsraum dient, ist keine solide Halbkugel, sondern besteht aus perforiertem, gewölbtem Metall.

Kein bisschen Staub trübt das Bild

Anders als bei herkömmlichen Klimaanlagen, kann die Luft nicht nur von innen nach außen, sondern auch durch die Kuppel in den Vorführungsraum geblasen werden. Dies garantiert eine fortlaufende Reinigung der Projektionsoberfläche von Staubpartikeln, die sonst das Bild trüben würden.

Aufgrund ihrer Durchlässigkeit bietet die Kuppel wenig Schallschutz. Für diesen sorgt ihre oberirdische Überbauung, zugleich eine spektakuläre Ergänzung des Gebäudeensembles von Greenwich.

Zwischen dem Meridian-Gebäude und dem Südgebäude erhebt sich ein Betonkegel, ummantelt mit acht Millimeter dicker, patinierter Bronze. Er ist mehr als ein reiner Schutz für die Kuppel und das Betriebssystem des Planetariums: Der Kegel hat eine 51,5-Grad-Neigung, die sich aus seiner Ausrichtung nach dem Nordstern ergibt.

Der elliptische Schnitt durch die Kegelspitze, der den Verlauf planetarer Umlaufbahnen aufnimmt, hat eine Neigung von 90 Grad. Damit liegt die Linie, die mittig in Nord-Südrichtung durch seine kreisrunde Glasabdeckung verläuft, parallel zum Himmelsäquator. So reflektiert in Greenwich, dem Zentrum von Raum und Zeit, selbst die Architektur astronomische Kernkonzepte.

© SZ vom 26./27. - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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