Autonome Kriegsroboter:Die dritte Revolution auf dem Schlachtfeld

Nach dem Schießpulver und Atomwaffen läuten intelligente Kriegsroboter eine neue militärische Ära ein. Welche autonomen Waffen es bereits gibt und an welchen Staaten wie USA und Indien forschen.

Von Tobias Matern

Die dritte Revolution steht bevor, alle Fachleute sind sich da einig: Erst war es das Schießpulver, dann die Atomwaffen, nun könnten autonom agierende Waffensysteme die Art der Kriegführung völlig verändern. Davor warnen so namhafte Wissenschaftler wie der Astrophysiker Stephen Hawking. 80 Länder benutzen derzeit Drohnen oder unbemannte Systeme, mindestens 30 davon gehen bereits einen Schritt weiter: Nach Einschätzung des amerikanischen Militärexperten Peter W. Singer haben diese Staaten schon Systeme eingesetzt, die autonome Komponenten beinhalten, etwa zur Verteidigung von Schiffen, Stützpunkten oder als Raketenabwehr. "Noch gibt es dabei aber die volle menschliche Kontrolle", betont er.

Doch der Fantasie scheinen keine Grenzen gesetzt zu sein, die technische Entwicklung verläuft zu Lande, zu Wasser und in der Luft. Südkorea stellte bereits vor einigen Jahren einen Roboter vor, der die entmilitarisierte Zone an der Grenze zu Nordkorea bewachen sollte. Und Avinash Chander, der ehemalige Chef des Forschungsinstituts Defense Research and Development Organization (DRDO) des indischen Militärs, ging im Jahr 2013 einen Schritt weiter, als er seine persönliche Vision von einer Zukunftsarmee präsentierte: "Wir werden Roboter-Soldaten entwickeln", sagte er. Diese sollten mit "deutlich höherer Intelligenz ausgestattet werden", als dies bisher noch vorstellbar sei.

Indien hat so lange Grenzen. Und was, falls der Konflikt um Kaschmir weiter eskaliert?

Seit dieser Ankündigung ist zwar wenig über den Fortschritt von Chanders Ideen nach außen gedrungen. Aber die Times of India befand: Der Einsatz autonomer Waffensysteme könnte einem Land wie Indien mit langen Grenzen helfen, eigene Verluste zu minimieren; gerade gegen den Erzrivalen Pakistan beim Streit um Kaschmir. So deutlich wie Chander hat sich bislang noch kein namhafter Vertreter des militärischen Sektors zu den technischen Begehrlichkeiten einer Armee geäußert.

Aber auch das amerikanische Verteidigungsministerium steckt Milliardensummen in die Weiterentwicklung autonomer Systeme. In einer Pentagon-Studie heißt es, "Hindernisse für die verstärkte operative Verwendung autonomer Systeme" müssten untersucht werden. Die USA wollen nicht hinterherhinken, auch wenn das Verteidigungsministerium ethische Probleme nicht verschweigt, die beim Einsatz von Militärrobotern noch zu klären seien.

Wo genau die Grenzen gezogen werden, wann genau der Mensch sämtliche Kontrolle abgibt, ist aus technischer Sicht schwer festzulegen. Die Entwicklungen zu autonomen Waffensystemen verlaufen graduell: "Es gibt nicht den genauen Punkt, an dem man sagen könnte: Dies ist ein autonomes Waffensystem, und das frühere Modell ist kein autonomes Waffensystem", sagt Armin Krishnan, ein renommierter Militärforscher an der amerikanischen East-Carolina-Universität. Seit dem Zweiten Weltkrieg seien Lenkwaffen zum Einsatz gekommen, für die Forscher zunehmend die Fähigkeit zur autonomen Zielerkennung entwickelt hatten. Es folgten in den Nachkriegsjahren Antischiffraketen, die Seeziele erkennen und angreifen konnten, sowie Antiradarraketen.

Viele Streitkräfte verfügten bereits über einen hohen Grad an Autonomie, erklärt Krishnan: Ein typisches Beispiel seien Luftverteidigungssysteme, die automatisch Luftziele erkennen und angreifen können - ohne jegliche Intervention von Menschen. Zudem gebe es viele Raketensysteme, die nach dem Abfeuern ebenfalls automatisch ihre Ziele finden und attackieren könnten, ohne dass ein Mitarbeiter des Militärs etwas dazu beitragen müsse. Bereits entwickelt, aber noch nicht eingesetzt, würden auch mobile Waffensysteme, die in einem Zielgebiet auf die Jagd gehen könnten und in der Lage wären, "ohne menschliche Beteiligung Ziele auszuwählen und anzugreifen", sagt Krishnan.

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